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VERWERTUNG/190: Mexiko - Großimporteur von Elektroschrott, Schwermetall gefährdet Mensch und Umwelt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. November 2011

Mexiko: Großimporteur von Elektroschrott - Schwermetall gefährdet Mensch und Umwelt

von Emilio Godoy

Düngemittelfabrik in Südmexiko, in der es 2010 eine Chemieexplosion gab - Bild: © Emilio Godoy/IPS

Düngemittelfabrik in Südmexiko, in der es 2010 eine Chemieexplosion gab
Bild: © Emilio Godoy/IPS

Mexiko-Stadt, 8. November (IPS) - Die Gesundheits- und Umweltrisiken durch Kadmium sind bekannt. Doch trotz internationaler Vereinbarungen macht Mexiko keine Anstalten, den Einsatz des Schwermetalls bei der Herstellung von Batterien, Düngemitteln und rostfreien Farben zu reduzieren. Auch Spielzeug aus Plastik ist erheblich belastet.

Das lateinamerikanische Land produziert jedes Jahr etwa 1.600 Tonnen Kadmium, die zur Fertigung von Exportwaren verwendet werden. Als Importe gelangen außerdem größere Mengen an kadmiumhaltigen Elektroakkus und Schwermetall-Abfällen nach Mexiko. Seit dem Verbot von Blei bei der Schmuckherstellung wird Kadmium auch dazu verwendet, billigen Ketten und Ringen mehr Gewicht zu geben.

"Die Preisfrage lautet, warum die Verarbeitung dieser Materialien nicht eingeschränkt wird", sagte Rosario Norzagaray, Direktorin des Mexikanischen Netzwerks für umweltverträgliche Abfallverwertung mit Sitz im nordwestlichen Bundesstaat Baja California. "Die Institutionen müssen handeln", forderte die Expertin. "Die Regierung bewegt sich nur, wenn die Bevölkerung entrüstet Radau schlägt."

Das vor elf Jahren gegründete Netzwerk aus zehn unabhängigen Organisationen setzt seit 2009 ein Programm für den adäquaten Umgang mit Elektroschrott um. Bislang wurden Fortbildungskurse in 15 Bildungseinrichtungen in Baja California durchgeführt. Die Aktivisten sammelten bereits 17 Tonnen Elektroschrott - darunter alte Computer, Mobiltelefone und Batterien.


Schwermetalle über Nahrung aufgenommen

Menschen nehmen Kadmium über die Nahrungskette auf, etwa durch den Verzehr von Getreide, das durch belastetes Wasser kontaminiert wurde. Und der Konsum von Tabak, der mit schwermetallhaltigem Dünger zum Wachsen gebracht wurde, bringt zusätzliche Gesundheitsgefahren mit sich. Die erhöhte Aufnahme von Kadmium kann zu Nierenschäden, Bluthochdruck, Herzbeschwerden und Anämie führen. Auch die Risiken, an Prostata-, Lungen- und Nierenkrebs zu erkranken, nehmen weiter zu.

Das UN-Umweltprogramm UNEP untersuchte in einer im März veröffentlichten Studie den Handel und die ökologische Verwertung von Quecksilber, Blei und Kadmium in Lateinamerika und im Karibikraum. In dem Bericht wurde außerdem zu globalen Aktionen zur Verringerung der Gefahren aufgerufen.

Die Einfuhr von Neu- und Gebrauchtwaren, die Blei und Kadmium enthielten, sei für Entwicklungs- und Schwellenländer ein bislang ungelöstes Problem, heißt es in der Studie. Die Voraussetzungen für einen umweltverträglichen Umgang mit diesen Substanzen seien dort noch nicht gegeben.

"Man muss sehen, wo der Müll am Ende gelagert wird, um den Kreislauf zu stoppen", sagte Norzagaray. Allein in Baja California arbeiten mehr als 200 Fertigungsbetriebe. "Die Bevölkerung ist sich der Gefahren durch die Abfälle nicht bewusst", erklärte sie. "Die Menschen erhalten keine genauen und verlässlichen Informationen, die ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen."

Auf einem Treffen von zivilgesellschaftlichen Organisationen zum Thema Abfallmanagement tauschen sich derzeit - vom 7. bis 9. November - Experten in der westmexikanischen Stadt Guadalajara aus. "Für Müll ist jeder verantwortlich", lautet das Motto der Veranstaltung.

Nach Erkenntnissen von UNEP exportierte Mexiko zwischen 2001 und 2009 etwa 880.000 Tonnen kadmiumhaltiger Produkte und führte 1,2 Millionen Tonnen Elektroschrott ein. Die Weltgesundheitsorganisation WHO setzte gemeinsam mit den Regierungen Mexikos und der USA eine Obergrenze für die Kadmiumkonzentration in Trinkwasser von 0,005 mg fest.


Meerestiere mit Kadmium, Blei und Quecksilber verseucht

In einer weiteren Studie über die Schwermetallverseuchung der Lagune von Tamiahua im südöstlich gelegenen Bundesstaat Veracruz wurde festgestellt, dass vor der Küste gefangene Meerestiere Kadmium, Blei und Quecksilber enthalten. Die zulässigen Höchstgrenzen für den menschlichen Verzehr würden deutlich überschritten, geht aus der im August 2010 veröffentlichten Untersuchung hervor.

Die Autoren Fabiola Lango und Maria Castañeda vom staatlichen Technologischen Institut von Boca del Río sowie Cesáreo Landeros-Sánchez vom Graduiertenkolleg für Agrarwissenschaften sind zu dem Schluss gekommen, dass die hohe Schadstoffkonzentration dadurch verursacht wurde, dass unbehandelter Müll ins Meer gekippt wurde. Die zahlreichen landwirtschaftlichen Betriebe im Umkreis der Lagune hätten mit ihrem Kadmium-belasteten Düngemitteln dazu beigetragen.

Kanada, Mexiko und die USA riefen bereits 2006 die 'North American Clean Electronics Pollution Prevention Partnership' ins Leben, um Hersteller und Importeure von elektrischem und elektronischem Equipment zur freiwilligen Umsetzung von Maßnahmen zur Reduzierung der Schwermetallbelastung zu bewegen. Dieses Ziel wurde bisher allerdings nicht erreicht.


Bis zu 180.000 Tonnen Elektroschrott im Jahr

Jährlich fallen in Mexiko zwischen 150.000 und 180.000 Tonnen Elektroschrott an. Dies geht aus der bisher einzigen mexikanischen Studie zu dem Thema hervor, die 2007 vom Nationalen Polytechnischen Institut veröffentlicht wurde. Die Abfallentsorgung wird in dem Land durch ein Gesetz von 2004 geregelt. Laut der Studie sind Sortieren und Vorbehandeln von Elektroschrott lediglich Zwischenschritte. Um das Problem in den Griff zu bekommen, sei das Recycling der Materialien ausschlaggebend. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.remexmarbc.org/
http://www.scielo.org.mx/scielo.php?pid=S0188-49992010000300003&script=sci_arttext
http://www.c2p2online.com/documents/2005CPPR-Ken_Zarker.pdf
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=105715

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. November 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2011