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VERWERTUNG/191: Edler Schrott - Wenn das Handy zur Rohstoffquelle wird (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 3/11
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Edler Schrott
Wenn das Handy zur Rohstoffquelle wird

von Jasmin Singgih


Was andere Leute unter Abfall verstehen, ist für Manfred Fahrner wertvolles Material. Die 40.000 Tonnen Elektroschrott, die jährlich bei "Alba R-plus" auf dem Recyclinghof landen, beinhalten kostbare Rohstoffe, für die die verarbeitende Industrie viel Geld bezahlt. Recycling, das sich für beide Seiten lohnt und die Umwelt entlastet. Eine Tonne Elektronikrecycling entsprecht einer Tonne Kohlendioxid-Ersparnis, macht Vertriebsleiter Fahrner deutlich.

160 Tonnen Schrott am Tag, alleine aus dem Einzugsgebiet Süddeutschland, machen die Firma in Lustadt bei Mannheim zum größten Recycler für Elektrokleingeräte in Deutschland. Schon bevor man das knapp vier Hektar große Gelände betritt, sieht man die riesigen Abfallberge. Sie kommen von den kommunalen Sammelstellen und bergen wahre Schätze: ausrangierte Fernseher, Leiterplatten von PCs, Kühlschränke, Monitore, Autoradios, Haushaltswaren und auch Handys.


Handarbeit Handyknacken

Ein Greifbagger gräbt sich mit seinen Zähnen in den Schrotthaufen und knackt die Geräte auf, bevor sie in der Zerkleinerungsmühle verschwinden. Handys landen aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung zunächst bei einem Arbeiter, der manuell die Platine vom Gehäuse und Display des Handys trennt, um die wertvollen Edelmetalle wie Gold, Silber und Palladium abzuführen. Der Rest ist ein buntes Gemisch aus Kunststoffen, Keramik, Flammschutzmitteln, Zinn und Nickel. Ein Teil kann wiederverwertet werden, der Rest wird unter Energieerzeugung verbrannt.

Vor dem Zerkleinerungsprozess des Gemischs steht auch immer die Entscheidung, welcher Rohstoff mehr wert ist. Es herrscht das Prinzip aus grob mach kleiner, mach winzig. Am Ende werden so aus den groben Haufen, viele kleine Haufen aus Kupferröllchen, Aluminiumgranulat, Messingkügelchen und Kunststoffflocken in Stecknadelgröße.


Sieben und verkugeln

Bevor das passieren kann, wandert das zerkleinerte Gemisch durch die Sortierkabine. Dort stehen Arbeiter, die auf einem Laufband Störstoffe wie Textilien, Batterien, Kondensatoren und zu harte Materialien wie Bohrmaschinen aussortieren. Die übrig gebliebenen Fraktionen wie Aluminium, Metalle, Messing, Kupfer und andere Abfälle landen in Sieb und Schredder. Verschiedene Verfahren ermöglichen eine noch feinsäuberliche Trennung.

In der Verkugelungsmühle macht man sich die verschiedene Dichte der Materialen zu Nutze. So wird durch einen starken Luftstrom, dem sogenannten Luftherd, die "Spreu vom Weizen" getrennt. Der Kunststoff wird nach oben gedrückt, das schwerere Metall fällt nach unten in einen separaten Behälter. Ein Magnetband leistet ähnliches, indem es die Metalle abgrenzt. In einem anderen Raum wird mit Elektrostatik gearbeitet. Hierbei werden Trommeln aufgeladen, so dass die Metallfraktion "kleben" bleibt und vom Abfall separiert wird.


Gold und Kupfer

Die Arbeit von Alba R-Plus lohnt sich - auch finanziell. "Ein Handy ist mehr wert, als das Recycling kostet", erläutert Elektroschrottexperte Fahrner. Wichtig ist nur eine genügend große Menge, die gesammelt werden muss. Dazu ist der Verbraucher gefragt. Im Durchschnitt enthalten 41 Handys soviel Gold wie eine Tonne Erz. Die Kontrakte mit den Hütten richten sich nach dem Börsenpreis der Rohstoffe. Für einen Behälter mit 1295 Kilogramm Kupfer erhält die Firma derzeit 5000 Euro. Jede Gemischsendung wird vorher verprobt und genau auf die Anteile an Kupfer, Silber und anderen Metallen überprüft.

Das Geschäft reduziert sich nicht mehr allein auf die Rückführung in den Kreislauf. Abfälle haben sich längst zu einer neuen Rohstoffquelle entwickelt. Städtischer Bergbau oder "Urban Mining" wie Experten es nennen. Angesichts der Rohstoffknappheit sollte auch die Bundesregierung diese Entwicklung fördern. Mit der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes soll der Weg für die Einführung einer bundesweiten Wertstofftonne geebnet werden. Bis 2015 sollen darin alle recycelbaren Güter landen. Ein Allheilmittel für das Handy-Recycling ist das jedoch nicht, denn bisher wirft kaum ein Verbraucher seine alten Handys weg. Bei anderem Elektroschrott - zum Beispiel Flachbildschirmen - ist Quecksilber ein Problem. Die Rücknahme in Geschäften muss deshalb stärker auf Recycling ausgerichtet werden.


Mangelnde Transparenz

Die Zukunft und der Erfolg des Recyclings entscheidet sich allerdings noch an anderer Stelle: Die Intransparenz der Hersteller über die Inhaltsstoffe ist ein ärgerlicher Hemmschuh. Auch wenn sich die Auskünfte schon verbessert haben, gibt es noch lange keine Recyclingpässe, was vor allem bei medizintechnischen Geräten wichtig wäre. Genaue Zusammensetzungen betrachten die Unternehmen als Betriebsgeheimnis.

"Schadstoffentfrachtung steht bei uns im Vordergrund. Gefährliche Stoffe wie Chromtrioxid sind immer noch präsent, können aber in der Vielzahl des Schrotts nicht auf einzelne Produkte zurückgeführt werden", erklärt Alba-Niederlassungsleiter Thomas Riess. "Das Recycling spielt beim Entwurf der Produkte bei den Herstellern leider noch keine Rolle".


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 3/11, S. 34-35
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2011