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VERWERTUNG/213: Batterierecycling - "Wie ein Aktenkoffer voller Geld im Kofferraum" (idw)


Technische Universität Braunschweig - 28.05.2015

Batterierecycling: »Wie ein Aktenkoffer voller Geld im Kofferraum«

Wirtschaftswissenschaftler erarbeiten Empfehlungen für Politik und Wirtschaft


Rund 19.000 Elektrofahrzeuge sind auf deutschen Straßen unterwegs und bis zum Jahr 2020 sollen es noch weit mehr werden. Noch bevor diese Marke erreicht ist, werden tausende Batteriesysteme schon das Ende ihrer Einsatzdauer erreicht haben. Sie zu recyceln, könnte in den kommenden Jahren mehr als die Hälfte der Importe von Cobalt, Nickel und Lithiumhydroxid nach Deutschland ersetzen. Wirtschaftswissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig haben nun Bedingungen und Planungsaufgaben für den Aufbau eines Recyclingnetzwerks untersucht und Empfehlungen an Politik und Wirtschaft erarbeitet.


"Jedes einzelne Elektrofahrzeug hat, gemessen an dem Wert der Industriemetalle in seiner Batterie, einen Aktenkoffer voller Geld im Kofferraum", erläutert Professor Thomas Spengler, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion an der Technischen Universität Braunschweig. Der Wirtschaftsingenieur forscht gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Claas Hoyer an Fragen der nachhaltigen Gestaltung des Batterierecyclings. Neueste Ergebnisse, die Hoyer im Rahmen seiner Promotion gewonnen hat, bescheinigen dem Recycling eine hohe Bedeutung für Investoren und Industrie. Dies zeigen seine Simulationen zum langfristigen Altbatterieaufkommen und Investitionsschätzungen für die benötigten Anlagen. Er erklärt, dass noch vor der Jahresmarke 2020, wenn nach den Plänen der Bundesregierung weit mehr Elektrofahrzeuge als heute auf deutschen Straßen unterwegs sein sollen, bereits tausende Batteriesysteme für die Verwertung bereit stünden. Schon im Jahr 2030, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung, könnten zwei Drittel der deutschen Importe von Cobalt, Nickel und Lithiumhydroxid durch das Recycling kompensiert werden, wovon auch private Investoren profitieren könnten. Einzig an einem umfänglichen Konzept fehle es, ergänzt der Wirtschaftswissenschaftler.

Eines, so Spengler, sei jedoch schon jetzt sicher: "Werden die Batterien nicht in Deutschland behandelt und die wichtigen Industriemetalle zurückgewonnen, dann wird es woanders geschehen". Daher plädieren die Wirtschaftswissenschaftler für den strategischen Aufbau eines Recyclingnetzwerks. Die Automobilhersteller, die gesetzlich zur Rücknahme und Entsorgung verpflichtet sind, sollten dafür gezielt Kooperationen eingehen. "Da das zukünftige Altbatterieaufkommen von vielen verschiedenen Faktoren abhängt und sich die Erlöse je Batterie nach den Metallpreisen richten, empfehlen wir, hohe Kosten und Risiken durch parallele Systeme zu vermeiden und Synergien zu nutzen", erläutert Hoyer und ergänzt: "Die Hersteller sollten an einem Strang ziehen und Anreize für Investitionen von Recyclingunternehmen setzen. Im Gegenzug könnten sie sich damit bereits heute Recyclingkapazitäten sichern". Beim Aufbau eines Recyclingnetzwerks sehen die Wissenschaftler einen wichtigen Faktor in der Dezentralisierung von Sammlung und Demontage: Durch sie könnten die Kosten des aufwendigen Transports der Batteriesysteme reduziert werden. Aufgrund des geringeren Investitionsbedarfs kleinerer Anlagen erlaube dies auch die Einbindung kleiner und mittelständischer Unternehmen. Die weitere Behandlung von Batteriezellen würde jedoch durch spezialisierte Unternehmen zentral erfolgen, um Größenvorteile zu nutzen und Investitionsrisiken zu minimieren.

Bedingungen für den Aufbau eines solchen Recyclingnetzwerkes müssten allerdings auch durch die Politik geschaffen werden, so die Forscher. "Eine umweltverträgliche und effiziente Behandlung der Batterien wird die gesellschaftliche Akzeptanz und Konkurrenzfähigkeit der Elektromobilität erhöhen", erklärt Hoyer. Insbesondere empfiehlt er daher die Einführung metallspezifischer Rückgewinnungsquoten, so dass künftig auch Lithium, Mangan und Kupfer, die in bestehenden Prozessen nicht oder nur anteilig zurückgewonnen werden, dem Wirtschaftskreislauf erhalten blieben. Nicht zuletzt, appellieren die Experten, sollten Politik und Wirtschaft die Erforschung und Weiterentwicklung effizienter und nachhaltiger Recyclingverfahren fördern. Die Rückgewinnung, Aufbereitung und Verwertung weiterer wichtiger Batteriebestandteile, aber auch die Konstruktion normierter, recyclinggerechter Batterien sollten dabei im Mittelpunkt stehen.


Zu Projekt und Publikationen

Das Forschungsprojekt von Dr. Claas Hoyer wurde von Prof. Dr. Thomas S. Spengler am Lehrstuhl für Produktion und Logistik des Instituts für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion betreut und im Kontext der Projekte LithoRec und LithoRec II durchgeführt. Die Projekte wurden vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit mit einer Gesamtsumme von rund 15 Millionen Euro gefördert. LithoRec wurde durch das Niedersächsische Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF) der Technischen Universität Braunschweig koordiniert. LithoRec II ist ein Leuchtturmprojekt der Bundesregierung im Bereich Recycling und Ressourceneffizienz.


Die Forschungsergebnisse stehen in den folgenden Publikationen zur Verfügung:

Claas Hoyer (2015): Strategische Planung des Recyclings von Lithium-Ionen-Batterien aus Elektrofahrzeugen in Deutschland. Springer Gabler Research, Reihe Produktion und Logistik, Wiesbaden (im Druck).

Hoyer, Claas; Kieckhäfer, Karsten; Spengler, Thomas. S. (2014): Technology and Capacity Planning for the Recycling of Lithium-Ion Electric Vehicle Batteries in Germany, in: Journal of Business Economics,
DOI: 10.1007/s11573-014-0744-2 (online first).


Weitere Informationen unter:
http://blogs.tu-braunschweig.de/presseinformationen/?p=8946

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution179

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Braunschweig, Stephan Nachtigall, 28.05.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2015

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