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VERWERTUNG/217: Elektro "Schrott" - unglaubliche Mengen und unglaubliche Schätze (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 188 - Oktober/November 2015
Die Berliner Umweltzeitung

Elektro"Schrott"
Unglaubliche Mengen und unglaubliche Schätze

Von Konstantin Petrick


In unseren Köpfen scheint das Problem des recycelbaren Elektroschrotts noch nicht fest verankert zu sein. Mit katastrophalen Folgen für die Umwelt. Die im Auftrag der Europäischen Union (EU) entstandene Studie der Umweltorganisation CWIT (Countering WEEE Illegal Trade) über die Wiederverwertung von Elektroschrott kommt am 25. August, nach zweijähriger Recherchearbeit zu dem erschreckenden Fazit, dass gerade einmal rund 35 Prozent (Stand 2012) der 9,45 Millionen Tonnen in der Europäischen Union fachgerecht recycelt werden. Die Zahlen werden noch durch in die Studie mit integrierte UN-Unterorganisationen und Interpol gestützt.

Auf diesem Gebiet ist Schweden der Vorreiter. Denn mit 84 Prozent des korrekt recycelten Elektronikabfalls hat Schweden den höchsten Wert innerhalb der EU. Deutschland hingegen kommt mit nur 41 Prozent wiederverwerteten Elektroschrotts auf einen Durchschnittsplatz. Hierbei stellt sich nun die Frage nach der Effektivität der WEEE - Richtlinie von 2003 (Waste Electrical and Electronic Equipment), die unter anderem beinhaltet, dass Elektroschrott kostenlos abgegeben werden kann, aber separat gesammelt werden muss.

Einerseits liegt es daran, dass die Verbraucher_innen oft nicht wissen, wie und wo sie ihre alten Elektro-und Elektronikgeräte entsprechend der Vorschriften entsorgen können. Andererseits ist die Entsorgung der ausgedienten elektrischen Geräte im normalen Hausmüll die bequemste und einfachste Variante für die Menschen, die frei nach dem Motto "Aus den Augen, aus dem Sinn" handeln.

Wahre Wertstofffundgrube

Die restlichen 6,15 Millionen Tonnen des Elektroschrotts werden gar nicht oder nicht einwandfrei recycelt. Daraus resultiert laut Angaben einer großen Berliner Tageszeitung nicht nur ein Wertstoffverlust der in den Geräten enthaltenen Metalle wie beispielsweise Gold, Silber oder Kupfer, sondern auch ein Verlust der bedeutenden "Seltenen Erden", die die Grundlage für die Herstellung von Elektrogeräten bilden und in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen werden.

Aufgrund dieses Wertstoffverlustes versäumt die EU Mehreinnahmen im Wert von ungefähr 1,7 Milliarden Euro. Das Geld, welches ihr entgeht, gelangt meistens in die Hände von Kriminellen und organisierten Verbrecherorganisationen, die den Elektroschrott vollständig auf illegale Art und Weise ausschlachten und sich somit bereichern. Das kriminelle Geschäft mit dem "Elektroschrott" wird zudem indirekt durch die Recyclingunternehmen gefördert, die dadurch weniger Geld für den aufwändigen Sortierprozess ausgeben müssen.

"Muss ich haben!"

Erschwerend kommt hinzu, dass wir immer schnellere und bessere Elektro- und Elektronikgeräte haben wollen, weil die vorhandenen voll funktionsfähigen Geräte zu alt sind. Zum Beispiel können wir jedes Jahr das neueste Smartphone über unseren Vertrag bekommen. Die oftmals nicht bedachte Frage ist: Was passiert mit dem alten Smartphone? Behalten? Diese Smartphones, die nur unbenutzt in den Schubladen schmoren, verhindern, dass wertvolle Metalle nicht wiederverwertet werden können. Das gilt natürlich nicht nur für Handys sondern selbstredend auch für alle anderen elektrischen Geräte.

Des Weiteren werden 1,5 Millionen Tonnen Elektroschrott aus der EU in Dritte Welt Länder exportiert, in denen die Ärmsten der Armen unter menschenunwürdigen und gesundheitsgefährdenden Umständen den Elektroschrott nach wiederverwertbaren Metallen durchwühlen. Von diesen Exporten wird der Großteil, 1,2 Millionen Tonnen, illegal exportiert. Aufgrund dieser Tatsache und den beschriebenen Bedingungen kann der Elektroschrott dort auch nicht umweltgerecht recycelt werden, was wiederum dazu führt, dass wichtige Wertstoffe verloren gehen.

Vereint in der Sache, aber wie?

Die Umsetzung der WEEE-Richtlinie in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU stellt ein weiteres Problem dar. Denn heute befinden sich die 28 Mitgliedsstaaten auf vollkommen unterschiedlichen Niveaus der Wiederverwertung des Elektroschrotts. Jetzt fordert die CWIT, dass eine einheitliche europaweite Richtlinie zum Elektroschrottrecycling eingebracht werden soll. Denn bisher hätten nur circa ein Drittel der Länder die geforderten Richtlinien angenommen und umgesetzt. Aber selbst das reiche nicht aus, um die Wiederverwertung des Elektroschrotts zu erhöhen, wie das Beispiel Deutschland zeigt.

Deutschland hat diese Richtlinien eingeführt und trotzdem landet noch immer Elektroschrott aus Bequemlichkeit und Einfachheit des Entsorgens im Hausmüll. Eine Erneuerung der WEEE-Richtlinie, die ab diesem Herbst gilt, liegt bereits vor: Alle Elektrohändler, die über eine Verkaufsfläche von mindestens 400 Quadratmetern für Elektro- und Elektronikgeräte verfügen, sollen verpflichtet werden, alte Elektro- und Elektronikgeräte gegen einen gleichwertigen Neukauf entgegenzunehmen und korrekt zu entsorgen. Des Weiteren müssen sie kleinere Geräte bis zu einer Kantenlänge von 25 Zentimetern auch ohne Neukauf eines gleichwertigen Neuprodukts annehmen. Diese Maßnahme soll bewirken, dass mehr Elektroschrott bei den richtigen Annahmestellen landet und nicht mehr so viel in den Hausmülltonnen.

Weitere Vorschläge, um dieses Problem zu lösen, sind folgende: Erstens sollen die Verbraucher_innen über die korrekten Entsorgungsmöglichkeiten häufiger informiert werden, sodass mehr Elektroschrott umweltfreundlich und nachhaltig wiedergewonnen werden kann. Zweitens soll der illegale Elektroschrotthandel durch verbesserte internationale Kooperation der Strafverfolgungsbehörden eingedämmt werden.

Dennoch sieht die Zukunftsprognose für den weltweit anfallenden Elektroschrott düster aus. Der Chef des UN-Umweltprogramms, Achim Steiner, erwartet eine Zunahme des global entstehenden Elektroschrotts von knapp 42 Millionen Tonnen 2014 auf ungefähr 50 Millionen Tonnen für 2018. Das entspricht einer Steigerung von 19 Prozent. Als Ursache dafür kann das Bedürfnis, immer auf dem neuesten Stand der Technik zu sein, benannt werden sowie die qualitativ niedrigen und billigen Elektro- und Elektronikgeräte, die schon nach kurzer "Lebensdauer" defekt sind.

Abschließend kann man sagen, dass die Elektro- und Elektronikgeräte wahre Fundgruben für Wertstoffe wie Gold, Silber oder auch für die "Seltenen Erden" sind. Und gerade deshalb müssen wir als Verbraucher_innen den Elektroschrott fachgerecht, nachhaltig an den entsprechenden Annahmestellen entsorgen und somit eine Rückführung der Wertstoffe in den Wertstoffkreislauf ermöglichen.

Weitere Informationen:
www.sueddeutsche.de/wirtschaft/elektroschrott-billig-einfachillegal-1.2627162

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Quelle:
DER RABE RALF
26. Jahrgang, Nr. 188, Seite 14
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2015

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