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VERWERTUNG/220: Müll? Rohstoffe! - Deutsche Abfallpolitik noch nicht nachhaltig (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2016
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Müll? Rohstoffe!

von Rolf Buschmann und Hartmut Hoffmann


Klar: Am besten ist der Müll, der erst gar nicht entsteht. Abfall vermeiden - das hat auch aus Sicht des Gesetzgebers oberste Priorität. In Deutschland passiert eben das noch viel zu selten. Zwar gibt es Mehrwegsysteme, Flohmärkte und Secondhandläden. Doch am besten lassen sich Abfälle verringern, indem man den Konsum verringert - eine Herausforderung, die weit über die Abfallpolitik hinausweist. Mit einem Beitrag zum Ressourcenschutz runden wir denn auch unseren Abfall-Schwerpunkt ab.

Auf den Seiten davor verfolgen wir die spannende Entwicklung von der wilden Müllkippe zur Wertstofftonne. Wir fragen, was aus den Altlasten von damals geworden ist. Wir beleuchten die globale Umweltverseuchung durch Plastikmüll. Und wir geben Ihnen Tipps, wie Sie selbst im Alltag Ihre Abfälle bestmöglich versorgen.


Deutsche Abfallpolitik
Noch nicht nachhaltig

Von der Mülllawine zum Kreislauf der Rohstoffe - in den letzten 50 Jahren haben sich die Perspektiven der Abfallpolitik gründlich gewandelt. Und doch liegt in unserem Land bis heute vieles im Argen. So werden Abfälle immer noch zu oft verbrannt statt recycelt.


In den 1960er Jahren änderte sich die Zusammensetzung des deutschen Hausmülls. Bisher hatten Asche, Küchenabfälle, Papier und Konservendosen dominiert. Nun kamen Einweggläser und Kunststoffe hinzu. Altglas wurde seit den 70er Jahren in Containern gesammelt, die Abfallmenge nahm trotzdem weiter zu. Wirtschaft und Politik erschienen hilflos und wenig interessiert, der Mülllawine Einhalt zu gebieten. In vielen Bundesländern suchte man das Heil im Bau von Müllverbrennungsanlagen.


Grafik: Müllverbrennung verschwendet Energie

Müllverbrennung

Recycling bewahrt den größten Teil der Energie, die ein Produkt in sich trägt, sprich: den Heizwert plus die Energiemenge, die zu seiner Herstellung nötig war. Anders die Verbrennung: Hier geht die Energie großteils verloren. Dennoch wird fast die Hälfte der Verpackungen, die in Deutschlands gelben Säcken und Tonnen gesammelt werden, verbrannt statt recycelt (2014: 44 Prozent).

Diese Müllverbrennung in großem Maßstab verschwendet nicht nur Energie, sondern auch wertvolle Ressourcen (wie seltene Erden). Ferner heizt sie den Klimawandel an.

Die deutsche Mindestquote für Kunststoffrecycling liegt derzeit bei nur 36 Prozent, das neu geplante Verpackungsgesetz soll sie auf 63 Prozent anheben. Der BUND fordert noch mehr - was technisch problemlos möglich wäre.

Anders als bei Papier-, Glas- und Metallabfällen, die sehr gut wiederverwertet werden, hat die Bundesregierung ein erweitertes Sammeln und Recycling von Kunststoffen bisher nicht vorangetrieben.


Schrittmacher für Veränderungen
Mitte der 80er Jahre gründeten ehrenamtliche Fachleute des BUND vor allem in Hessen und Bayern Arbeitskreise, um Alternativen zu entwickeln. In seiner Position »Vergraben, verbrennen, vergessen?« forderte der BUND verwertbare Abfälle wie Biomüll und Altpapier systematisch getrennt zu sammeln, die Abfallberatung zu verbessern und Müll nicht länger zu verbrennen. 1985 gab es im Landkreis Nürnberger Land erstmals Tonnen für Papier, Bio- und Restmüll, nach einem Konzept bayerischer BUND-Experten.

In Bayern blieb der BUND besonders aktiv: Einem Programm für »zukunftsfähige Abfallwirtschaft« folgte 1990 das Volksbegehren »Das bessere Müllkonzept«: ein großer Schritt vorwärts. Das vom BUND entwickelte, von vielen Bürgerinitiativen und den Grünen unterstützte Konzept fand ein positives Echo. Nach dem erfolgreichen Volksbegehren ging der folgende Volksentscheid nur knapp verloren. Viele Vorschläge des Konzepts wurden dennoch umgesetzt. So ging die Zahl geplanter Müllverbrennungsanlagen stark zurück, was Fehlinvestitionen in Milliardenhöhe vermied.

Die zunehmend getrennte Sammlung der Wertstoffe führte bundesweit dazu, dass der Restmüll pro Kopf von 381 (1990) auf 160 Kilogramm im Jahr 2014 abnahm. Gerade in den Anfangsjahren sank die Müllmenge sehr deutlich, was vor allem dem Engagement des BUND und anderer Umweltgruppen zu verdanken war.

Mangel macht musterhaft
In der DDR hatte sich das Abfallaufkommen übrigens ganz anders entwickelt. Hier fiel 1989 nur etwa die Hälfte des westdeutschen Restmülls an. Das hatte vor allem drei Gründe: Geräte und Kleidung wurden häufiger repariert und ausgebessert als im Westen. Getränke wurden fast nur in Mehrwegflaschen abgefüllt. Und sehr viele Wertstoffe - wie Altpapier, Pappe, Altglas und Metalle - wurden über das Sero-System gesammelt und sogar vergütet. Nach der Wende und der Einführung des dualen Systems für Verpackungsabfälle konnte sich Sero nicht mehr behaupten.

Das duale System
Seit den 80er Jahren begannen auch Teile der Wirtschaft nachzudenken, wie Verpackungen gesammelt und verwertet werden könnten. Dies sollte rein privatwirtschaftlich passieren. Für den übrigen Abfall blieb die öffentliche Hand zuständig, daher »duales« System.

Es dauerte einige Zeit, bis die Politik per Verpackungsverordnung einen gesetzlichen Rahmen formulierte. In Abstimmung mit den Kommunen wurden gelbe Tonnen aufgestellt oder gelbe Säcke verteilt. Die abfüllenden und verpackenden Unternehmen trugen jetzt über Lizenzgebühren die Kosten der Verwertung ihrer Verpackungen, auch für Papier und Karton. Das zahlte sich aus: Inzwischen wird mehr Altpapier recycelt, als die Politik noch in den 80er Jahren erwartet hatte.

Imageschaden
Allerdings konnten die gesammelten Plastikverpackungen anfangs nur zum Teil verwertet werden - trotz Zusagen der Kunststoffindustrie gab es viel zu wenige Recyclinganlagen. Große Abfallmengen wurden ins Ausland gebracht, zum Teil nach Übersee. Dies hat dem Image des dualen Systems lange geschadet, auch wenn die Praxis inzwischen abgestellt wurde. Dank besserer Technik sanken die Kosten, die Effektivität stieg.

Dann kippte das Bundeskartellamt das Monopol des dualen Systems. Zeitweise versuchte fast ein Dutzend Systembetreiber Kunden zu gewinnen. Nicht alle Verpackungen wurden mehr lizenziert, es kam zu Unterfinanzierung und sinkenden Recyclingmengen. Verpackungen wurden vermehrt verbrannt. Erst nach einer Anpassung der Verpackungsverordnung steigen die lizenzierten Mengen seit 2015 wieder an.

Rohstoffe im Kreislauf
Das novellierte Kreislaufwirtschaftsgesetz schreibt seit 2012 eine fünfstufige Hierarchie fest: von der Abfallvermeidung über die Wiederverwendung zur stofflichen Verwertung (Recycling) und sonstigen Verwertung bis zur Beseitigung als letzter Option.

In diesem Sinne muss seit Anfang 2015 auch der Bioabfall flächendeckend getrennt gesammelt werden - nicht alle Kommunen haben dies bislang umgesetzt.

Leider wird das Gesetz den Erfordernissen nicht gerecht. So sind die Recyclingquoten zu gering, bei geplanten Verbrennungsanlagen fehlt die Bedarfsprüfung, der Ausstoß von Treibhausgasen bleibt unbeachtet, auch gibt es keine konkrete Vorgaben zur Abfallvermeidung.

Hier ist also weiter Handlungsbedarf. Nach wie vor landen zu viele verwertbare Rohstoffe in der Müllverbrennung. Das seit Jahren geplante Wertstoffgesetz scheiterte am Streit, wer für die Erfassung von Wertstoffen zuständig ist. Dabei hätte es die Recyclingquoten deutlich erhöht und ermöglicht, zusätzliche Kunststoffe und Metalle (nicht aus Verpackungen) in einer Wertstofftonne zu sammeln. Wir dürfen uns in Deutschland nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen - beim Ressourcenschutz gibt es noch viel zu tun!


Rolf Buschmann betreut die Abfallpolitik des BUND
Hartmut Hoffmann ist Sprecher des AK »Abfall & Rohstoffe«


Zum Nachlesen

Abfälle vermeiden
Mehr als die Hälfte der Abfälle in Europa wird deponiert oder verbrannt. Dabei entstehen giftige und klimaschädliche Emissionen, die Luft, Böden und Gewässer belasten. Wir Europäer vernichten so nicht nur wertvolle Ressourcen, sondern auch die Chance, Hunderttausende von Arbeitsplätzen zu schaffen - im Bereich Reparatur und Wiederverwendung. Nur eine echte Kreislaufwirtschaft wird diese Situation verändern. Recycling allein reicht nicht aus.


Ressourcen schützen und respektvoll nutzen
Auf den ersten Blick kaum zu erkennen: In den meisten Produkten steckt eine Fülle natürlicher Ressourcen. Ihre Produktion ist weitaus klimaschädlicher als oft vermutet. Unser verschwenderischer Konsum verknappt Mineralien und Metalle, Wasser und Böden. Zudem ist er die Hauptursache dafür, dass die Temperaturen steigen und die Artenvielfalt schwindet. Die Broschüre zeigt anhand von Handy und Rindfleisch, T-Shirts und Individualverkehr: Wie viele natürliche Ressourcen verbrauchen wir? Und wie können wir unsere kostbaren Lebensgrundlagen besser schonen?


Besser (und) weniger

Um die globalen Ressourcen nicht überzustrapazieren, müssen wir Deutschen unseren heutigen Verbrauch auf etwa ein Drittel senken. Darin steckt eine Chance: Wir können uns vom Konsumzwang und von Statussymbolen lösen. Und wir können lernen, die verfügbaren Ressourcen gerechter und nachhaltiger zu nutzen. Der Aspekt »Abfall/Abfallvermeidung« ist hierbei von großer Bedeutung.

Bezug der Druckversionen (»Abfälle vermeiden« gibt's nur digital): bundladen@bund.net, Tel. (030) 275 86-317
Online unter: .bund.net/ressourcen



ZERSETZUNGSDAUER
- Getränkedosen ca. 500 Jahre*
- Glasflaschen ca. 4000 Jahre
- Metallschrott Jahrzehnte bis Jahrhunderte

* Alle Zeitangaben sind naturgemäß vage - bei Trockenheit und Kälte kann die Zersetzung sehr viel länger dauern. Viele Materialien verrotten im Grunde gar nicht, sie zerfallen nur in immer kleinere Einzelteile.

*

Quelle:
BUNDmagazin 4/2016, Seite 12 - 15
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Redaktion: Severin Zillich
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
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des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2017

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