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FISCHE/059: Fisch & Fischfresser - Anmerkungen zur Äsche als "Fisch des Jahres 2011" (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 1/11
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Fisch und Fischfresser
Anmerkungen zur Äsche als "Fisch des Jahres 2011"

Von Dr. Markus Nipkow


Es wäre ein Leichtes gewesen, auf den "Fisch des Jahres" 2011 Wetten abzuschließen. Hatten doch NABU und LBV ein Jahr zuvor den Kormoran zum "Vogel des Jahres" gekürt, was unter den Fischerei- und Anglerverbänden eine Welle der Empörung auslöste. "Den Kormoran zum Vogel des Jahres zu machen ist das schlimmste, was man der Natur antun kann", schrieb damals zum Beispiel Dr. Martin Oberle vom Institut für Fischerei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft.

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen, die seitdem geführt wurden, stand immer auch die Äsche. Als NABU und LBV im März 2010 zum Dialog aufriefen und auf ihrer Fachtagung in Ulm auch Vertreter der Fischerei- und Anglerverbände einluden, da protestierten draußen deren Funktionäre und Mitglieder lautstark. Und in Radolfzell trugen sie symbolträchtig die Äsche "zu Grabe". Der Kormoran rotte deren Bestände aus.

Der Schutz seltener und gefährdeter Fische ist genauso wichtig wie der anderer Tierarten. Doch Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Fischarten müssen auch artenschutzkonform sein. Der NABU fordert daher an erster Stelle die ökologische Verbesserung der Fischlebensräume, besonders von Laichplätzen für selten gewordene Kieslaicher. Laut Umweltbundesamt sind in Deutschland nur noch 20 Prozent aller Fließgewässerstrecken naturnah. Mit dem Ergebnis, das strömungsliebende Kaltwasserfische wie die Äsche an Gewässern mit zunehmender Temperatur und Verschlammung, mit Anstauungen, verbauten Ufern und fehlender Deckung auf Dauer kaum überlebensfähig sind. Dementsprechend gingen die Äschenbestände an vielen Fließgewässern zurück lange bevor das Comeback des Kormorans begann.

Szenenwechsel: Im Hitzesommer 2003 verenden am Bodensee-Untersee Äschen im Gesamtgewicht von mehreren Tonnen. Die Population am Hochrhein bricht um 95 Prozent zusammen. Nur mühsam erholen sich dort seitdem die Bestände. Doch die Jagd- und Fischereiverwaltung des Schweizer Kantons Thurgau sieht bereits im Sommer 2009 die Gelegenheit gekommen, die notwendig gewordenen Schonmaßnahmen schrittweise zu lockern. Eine Arbeitsgruppe zur Rettung der Rheinäsche hatte "eine weitere Lockerung der Beschränkungen für den Winter 2009/10" empfohlen. Seit dem 1. Oktober 2009 dürfen pro Patentinhaber oder Pächter wieder "fünf Äschen pro Tag ab einer Länge von 30 Zentimeter gefangen werden".

Geht es manchen, die eine Regulierung der Kormorane mit Schusswaffen oder anderen Mitteln fordern, vielleicht doch mehr um die eigenen Nutzungsrechte? Werfen wir einen Blick in unser Diskussionsforum www.kormoranfreunde.de. Dort mahnt beispielsweise "Detlev Paulson": Erlaubt sei doch "die nachhaltige Nutzung durch den Menschen. Genau diese Nutzung verhindert der Vogel." Selten wird heute von Naturnutzern so freimütig eingestanden, dass man die eigenen Interessen höher bewertet als die natürlichen Rechte eines Wildtieres an seiner Nahrung.

Äschenschutz ist notwendig und die Wahl zum "Fisch des Jahres" wird diese Bemühungen hoffentlich auch vorantreiben. Die Wahl zu benutzen, um Rückenwind zur Verfolgung von Kormoranen zu bekommen, wäre jedoch verkehrt. Gerade in den Binnenländern wie Hessen oder Nordrhein-Westfalen stellen wir fest, dass keine "ungebremste" Zunahme der Kormoran-Populationen eingetreten ist. Sowohl zur Brutzeit als auch im Herbst und Winter pendeln die Bestände inzwischen um Höchstwerte, die auf Kapazitätsgrenzen der Lebensräume hinweisen. Der Vergrämungseffekt von Abschüssen ist vor allem im Herbst, wenn die größten Zahlen auftreten, nachweislich sehr begrenzt und für den Schutz der Äsche sogar kontraproduktiv: Die Verfolgung verstärkt vielmehr eine Ausbreitung des Kormorans in Mittelgebirgsregionen, wo die Äsche ihre Kernvorkommen besitzt.

Die Koexistenz von Äsche und Kormoran ist möglich. Dies setzt allerdings voraus, den unsinnigen Verfolgungsdruck zu verringern und den Vögeln an fischreichen Seen und größeren Flüssen die nötigen Ruhezonen zu gewähren. Warum sollten wir nicht zulassen, dass sowohl die Äsche als auch der Kormoran in den Zahlen leben, die ihnen unsere Lebensräume ermöglichen?


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/11, S. 15
(Text in der Internet-Fassung)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2011