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PFLANZEN/166: Den kenn ich doch! - Blume des Jahres ist der Klatschmohn (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 197 - April/Mai 2017
Die Berliner Umweltzeitung

Den kenn ich doch!
Blume des Jahres 2017 ist der Klatschmohn

von Marina Körner


Leuchtend rot strahlt er uns jeden Frühsommer von den Feldern und Brachen entgegen - der Klatschmohn (Papaver rhoeas). Nun ernannte die Loki-Schmidt-Stiftung ihn zur diesjährigen Blume des Jahres. Der Klatschmohn ist eine der bekanntesten Blumen Deutschlands und darüber hinaus. Tatsächlich ist er heute weltweit verbreitet und im Gegensatz zu manchen früheren stetigen Begleitern nicht als gefährdet eingestuft. Warum aber ist dann gerade der Klatschmohn ausgewählt worden?

Am Wegrand

Heutzutage findet man den Klatschmohn oft am Wegrand oder in Brachen. Auf Feldern, seiner eigentlichen Heimat, kommt er auch noch vor, allerdings ist das immer weniger der Fall. Das ist die Folge der starken Bekämpfung von Ackerkräutern durch Pestizide und immer "besser" gereinigter Saaten, bei denen die feinen Mohnsamen schon vorher aussortiert wurden.

Die Loki-Schmidt-Stiftung will mit der Ernennung des Klatschmohns auf den Verlust dieser Kräuter aufmerksam machen. Denn nicht alle sind so flexibel wie unsere Blume des Jahres und können einfach an den Wegrand oder auf Brachen ausweichen, wenn sie von den Äckern vertrieben werden. So ist beispielsweise die Kornrade, die Blume des Jahres 2003, heute in Deutschland sehr selten geworden und steht als schwer gefährdet auf der Roten Liste.

Der allmähliche Verlust der Ackerwildpflanzen in einem der wichtigsten Ökosysteme Deutschlands hat verheerende Folgen: Nicht nur biologische Vielfalt von Pflanzen geht verloren, auch wichtige Bestäuber wie Bienen und Schmetterlinge werden stark gefährdet. Aber auch Insekten und Spinnen, die diese Pflanzen als Nahrungsquelle und Refugium brauchen, verschwinden - und damit auch die natürlichen Fressfeinde von Schädlingen wie Blattläusen. Somit hat die Verarmung der Ackerlebensgemeinschaft auch Nachteile für die Landwirtschaft zur Folge.

Dabei haben die Ackerkräuter viel mitgemacht. Im Laufe der Geschichte passten sie sich oft an neue Praktiken in der Landwirtschaft an. Viele können als biologisches Erbe unserer Kulturgeschichte bezeichnet werden. "Eine ganze Lebensgemeinschaft, die uns seit Tausenden Jahren begleitet, droht zu verschwinden", meint Axel Jahn, Geschäftsführer der Loki-Schmidt-Stiftung. Stellvertretend für diese Vielfalt wurde also der Klatschmohn ausgewählt.

Klatschmohn fällt sofort ins Auge. Das liegt vor allem an den knittrigen, leuchtend roten Blütenblättern, die ihm auch seinen Namen gaben. Im Wind klatschen die Blätter aneinander. Auch wenn man die Blütenblätter zusammenlegt und auf die Stirn haut, gibt es ein lautes Klatschgeräusch. Weitere Namen sind beispielsweise Feuermohn oder Blutblume.

Der Klatschmohn besitzt vier bis fünf faltige Blütenblätter, die einen Durchmesser zwischen fünf und zehn Zentimetern haben. Sie bilden in der Mitte einen schwarzen Fleck, der weiß umrandet sein kann. Innen liegt die hellgrüne Mohnkapsel, in der die bis zu 12 Millimeter großen Samen heranreifen. Die Pflanze wird zwischen 20 und 90 Zentimetern groß, ihre Wurzel greift mit einem Meter noch tiefer in den Boden. Der lange Stängel ist behaart. Blütezeit ist im Frühsommer zwischen Mai und Juni, wobei der Klatschmohn zweijährig ist. Eine Pflanze blüht nur wenige Tage.

Klatschmohn gehört nicht in den Mohnkuchen

Als Ackerkraut ist der Klatschmohn ein typischer Getreidebegleiter und somit gut an den Lebensrhythmus des Getreides angepasst. Offene Flächen wie Felder und Wiesen sind für ihn ideal, da er ein Lichtkeimer ist und somit viel Sonne braucht. Wohl fühlt er sich an hellen, frischen und eher stickstoffreichen Standorten, ansonsten hat er keine Ansprüche an seine Umwelt.

Wer bei dem Wort Mohn zuallererst an Opiumhöhlen und Mohnkuchen denkt, sollte wissen, dass es mehrere Mohn-Arten gibt und die meisten Drogen- und Kuchenphänomene, die mit dem Mohn zusammenhängen, dem Schlafmohn (Papaver somniferum) zuzurechnen sind. Zwar enthält der Klatschmohn ebenso wie der Schlafmohn Alkaloide, also Stoffe, die für Pflanzen und Menschen giftig sein können, doch sind sie bei ihm in geringerer Menge vorhanden und auch anders zusammengesetzt. Morphin, das Opium überhaupt erst zu einer Droge macht, ist hier nicht enthalten.

Trotzdem kann der Klatschmohn auch gefährlich sein. Für Tiere wie Pferd, Rind und Schwein kann der Verzehr ernsthafte Folgen haben: nervöse Erregungszustände, Magen- und Darmbeschwerden. Auch können die Tiere unruhig und schreckhaft werden; Raserei, epileptische Krämpfe und Bewusstlosigkeit sind weitere zu beobachtende Zustände. Auch bei Kindern kann das Essen von Klatschmohn zu Magenschmerzen, Übelkeit, Verkrampfungen und Fieber führen.

Früher wurde er allerdings auch als Heilpflanze angesehen. Die roten Blütenblätter wurden als Sirup gegen Husten und Heiserkeit verwendet und als Beruhigungsmittel für Kleinkinder, bei Schmerzen, Schlafstörungen und Unruhe eingesetzt. Dies wurde aber eingestellt, da kein Beleg für die Wirksamkeit festgestellt werden konnte. Inzwischen werden die Blütenblätter nur noch als Schmuckdroge in Tees oder als essbare Dekoration zu Salaten verwendet. Auch die jungen Blätter vor der Blüte und die unreifen Früchte können allerdings verzehrt werden.

Blume der Liebe

Als eine Blume, die schon seit Jahrtausenden mit den Menschen gezogen ist, hat der Klatschmohn einiges an symbolischer Bedeutung gewonnen. In England dient er als Gedenkblume an gefallene Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, da der Mohn die erste Pflanze war, die nach dem Aufschütten der Gräber blühte. Dort spricht man auch von der Remembrance Poppy, der "Erinnerungs-Mohnblume". In der persischen Kultur gilt der Mohn sogar als die Blume der Liebe. "Solange es den Klatschmohn gibt, muss gelebt werden!", schrieb der persische Dichter Sohrab Sepehri (1928-1980). Die rote Blume wird hier zum Synonym für das schönste Gefühl der Welt. Dagegen steht in der christlichen Mythologie der Klatschmohn zusammen mit reifen Getreideähren für das Blut und den Leib Christi.

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Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 197 - April/Mai 2017, Seite 15
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2017

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