Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → ARTENSCHUTZ


PFLANZEN/169: Keuschheitssymbol und tödliche Falle - Die Weiße Seerose (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 201 - Dezember 2017 / Januar 2018
Die Berliner Umweltzeitung

Keuschheitssymbol und tödliche Falle
Die Weiße Seerose ist Wasserpflanze des Jahres 2017

von Leonhard Lenz


Nun blühen sie nicht mehr, die Rosen des Wassers, die gar nichts mit den Rosen an Land zu tun haben, auch die Früchte sind längst von Vögeln verspeist oder davongetrieben worden und die Samen haben sich irgendwo im schlammigen Uferbereich abgelagert. So, dass dort im nächsten Jahr vielleicht schon eine neue Seerose heranwächst. Aber auch ihre Eltern werden, solange ihr See, Fluss oder Teich nicht komplett durchfriert, ab Juni wieder neue große, weiße Blüten zwischen ihren bis zu drei Meter über dem Grund schwimmenden Blättern tragen.

Der Verband Deutscher Sporttaucher hat zusammen mit seinen österreichischen und schweizerischen Äquivalenten die - bis auf den Norden Skandinaviens - in ganz Europa verbreitete Weiße Seerose zur Wasserpflanze des Jahres gekürt. Die Wahl soll auf die Gefährdung des Flachwasserbereichs als wichtigen Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen aufmerksam machen.

Durch ein großes Wurzelgeflecht, über das sie sich auch verbreitet, steht die Seerose auch noch bei leichter Strömung fest im schlammigen Uferbereich von Flüssen, Seen oder Teichen. Die starken Wurzeln sind nötig, um die Stiele zu halten. Mit ihren luftgefüllten, bis zu drei Meter langen Stielen hält die Seerose in Europa den Rekord des längsten Blattstiels. Die bis zu 12 Zentimeter durchmessenden Blüten befinden sich ebenfalls an den elastischen Stielen, denen schon so mancher Schwimmer oder Taucher zum Opfer fiel.

Daher rankt sich ein Mythos um die Pflanze, der ihr auch ihren wissenschaftlichen Namen gab: Eine verliebte Nymphe, deren Liebe zum Helden Herakles unerwidert blieb, starb an einem gebrochenen Herzen. Doch die Götter hatten Mitleid mit ihr und ließen sie als weiße Seerose wiederauferstehen: Nymphaea alba. Wer sie pflücken will, wird von ihr in die Tiefe gerissen und ertrinkt.

Giftig und schön

Trotz oder gerade wegen dieser Sage galt die Seerose im Mittelalter als Symbol der Keuschheit und ihr Saft wurde in Klöstern zur Aufrechterhaltung ebendieser verwendet. Aber auch, falls die gewünschte Wirkung nicht eintrat, wurden die getrockneten Blüten verwendet, um sexuell übertragene Infektionen der Geschlechtsorgane zu heilen. Über den Nutzen ist nichts bekannt.

Ob der Verzehr überhaupt einen Einfluss auf den Sexualtrieb erzielen kann, ist ebenfalls fraglich. Die Seerose enthält zwar verschiedene Gifte, die in größeren Mengen zu Atemlähmung führen können, weshalb von ihrem Verzehr dringend abzuraten ist, die Wirkung ist aber gerade bei regelmäßiger Einnahme in geringen Mengen nicht erforscht. Im Interesse stehen jedoch die Rhizome, der Wurzelstock, worin Ellagsäure enthalten ist, die aufgrund ihrer Krebs vorbeugenden Wirkung vermehrt in Lebensmittelzusätzen Verwendung findet - aber heute nicht aus wild wachsenden Seerosen oder durch Zucht in Teichen gewonnen wird, sondern über chemische Verfahren aus Granatäpfeln.

Sehr gern hingegen werden die Seerosen in Zierteichen verwendet, wo sie in verschiedenen, auch roten oder blauen und vor allem kleineren Zuchtformen zu finden sind, da die bis zu 25 Zentimeter durchmessenden Blätter jeden Gartenteich überfüllen würden. Und auch hier werden sie im kommenden Sommer wieder blühen, wenn auch nicht an drei Meter langen Stielen.

Weitere Informationen:
www.wasserpflanze-des-jahres.org

*

Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 201, Seite 5
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang