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SÄUGETIERE/270: Wale weiterhin bedroht - 61. Tagung der Internationalen Walfang-Kommission (GSM)


Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere e.V. (GSM) - Dienstag, 23. Juni 2009

Wale weiterhin bedroht

Die 61. Tagung der Internationalen Walfang-Kommission tagt auf Madeira


Der Tagungsort ist gut gewählt. Auf der Blumeninsel Madeira im Atlantik haben Kommandant Eleuterio Reis und seine Männer von 1942-1982 5885 Pottwale getötet. Doch das ist Geschichte. Der gebürtige Azoreaner hatte es im Gespür, dass rund um das portugiesisch-autonomen Archipel Moby Dick zu Hause ist. Nach vierzig Jahren Walfangs mit der Handharpune und -Lanze, fast wie zu Melvilles Zeiten, hat er das blutige Geschäft beinahe freiwillig aufgegeben. Einen finalen Stoß gaben ihm Deutschland und die Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM) mit dem Antrag, die Produkte von Pottwalen aber auch Finn- und Seiwalen aus dem internationalen Handel zu verbannen.

Der Antrag im Rahmen von CITES in 1981 war ein voller Erfolg. Und Reis wandelte sich vom Saulus zum Paulus und wurde Direktor im ersten Walmuseum auf Madeira - mit Unterstützung der GSM. Seit ein paar Jahren unterhalten die Söhne und der Enkel von Ex-Walfänger Reis ein vorbildliches Whale Watching-Unternehmen. So weit die gute Nachrichtà.

Wale sind weiterhin weltweit bedroht. Daran wird sich auch bei der 61. Jahrestagung der Internationalen Walfang-Kommission (IWC) vom 22.-26. Juni auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira nichts ändern. Obwohl seit 1985/86 ein Moratorium in Kraft ist, ein Fangverbot zu kommerziellen Zwecken, werden die Harpunen Japans, Norwegens, und Islands, nicht ruhen. Wie die vergangenen 23 Jahre gezeigt haben, können die Hardliner unter den Walfang-Nationen damit gut leben. Um den "Waffenstillstand" gegen die geplagte Kreatur zu umgehen, helfen sie sich geschickt aus der Klemme:

Japan operiert im Namen von Wissenschaft und Forschung, Norwegen, weil das Land einen "Vorbehalt" eingelegt hat und sich an die Bestimmungen nicht gebunden fühlt. Island jagt zwischen den beiden Möglichkeiten. Grönland,

Alaska, Russland und die Karibikinsel St. Vincent betreiben indigenen Walfang, unbehelligt von der Tatsache, dass so manch ein Walfang kommerziellen Beigeschmack hat. Last but not least gibt es in Korea bedenklich hohe Beifänge von etwa 100 Zwergwalen pro Jahr, die geeignet sind, einen kommerziellen Walfang zu ersetzen. Dazu kommen Hunderte von Kleinwalen.

So denkt man in Korea auch schon öffentlich darüber nach, ob und wie man sich wieder offiziell in Japans Kielwasser begeben kann. Mit anderen Worten: Wenn Japan mit einer akzeptierten Quote für den Küstenwalfang im nördlichen Pazifik durchkommt, will auch Korea wieder offizielle zu den Harpunen greifen.

Obwohl sich alle inzwischen 84 Länder in der IWC einig sind, dass es so nicht weitergehen kann, obwohl es immer wieder Bestrebungen gibt, den Walfang wieder unter die Kontrolle der IWC zu bekommen, wird sich für die Wale auch bei der 61. Tagung kaum etwas ändern. Man kann allenfalls auf die Zukunft hoffen. Die Bestrebungen sind da, und Verhandlungen für "die Zukunft der IWC" haben begonnen. Noch weiß niemand, wie sich die Parteien zwischen Walfang und -Schutz einigen können. Nur so viel scheint klar, ganz ohne Opfer bei den Walen würde es nicht gehen. Das aber wollen - und dürfen - die Länder, die sich den Schutz der bedrohten Meeressäuger auf die Fahnen geschrieben haben, weder akzeptieren, noch riskieren.

Man sollte denken, dass weniger getötete Wale schon ein kleiner Fortschritt wäre? Falsch gedacht. Die Walfang-Länder wollen ja nicht einmal akzeptieren, dass Wale, die im Beifang der Fischerei umkommen oder durch Unfälle mit der Schifffahrt von einer eventuellen Fangquote abgezogen werden müssten, geschweige denn, Fänge im Namen von Wissenschaft und Forschung. Tot ist tot, sollte man meinen.

Um einen Weg aus der Klemme zu suchen, hat sich die IWC vorgenommen, ein Paket mit Bedingungen zu schnüren. Was in dem Paket drin sein wird, wie Wal-Schutzgebiete, indigener und Küsten-Walfang (statt kommerziellem Walfang?), Umweltfaktoren, wie durch den Klimawandel und/oder Verschmutzung und Verlärmung, Schifffahrt, Tourismus und Forschung, Beifang etc. wird sich hoffentlich bald zeigen.

Und noch ein Thema brennt unter den Nägeln: Die bislang von der IWC kaum beachteten Kleinwale, Delfine und Tümmler. Sie sterben zu Tausenden durch menschliche Aktivitäten - und ohne dass davon wirklich Notiz genommen wird. Auch da muss sich etwas ändern.

In der Fangsaison 2008/09 wurden nach offiziellen Angaben 1923 Großwale harpuniert. Damit erreicht die Fangquote für Zwerg-, Bryde-, Pott-, Finn-, Sei- Grau- und Grönlandwale die drittthöchste Zahl seit der kommerzielle Walfang offiziell beendet ist (1986). Wäre Japan bei seinen Operationen in der Antarktis (im Schutzgebiet!) nicht von der Umweltschutzorganisation Seashepherd gestört worden, wären nicht "nur" 680 sondern 935 antarktische Zwergwale abgeschossen worden - und der Walfang hätte einen neuen Höhepunkt erreicht.

Zu den Fangquoten kommen offiziell noch einmal 278 tote Wale, die im Beifang der Fischerei und durch Unfälle mit der Schifffahrt umgekommen sind. Die Dunkelziffer muss jedoch wesentlich höher sein. Allein für den Beifang hat der IWC-Wissenschaftsausschuss schon vor fünf Jahren eine Todesrate von über 300 000 Waltieren (Wale, Delfine und Tümmler) pro Jahr hochgerechnet. Dazu kommen noch einmal so viele Robben, ungezählte Seevögel, wie Albatrosse, Meeresschildkröten und Fische, die gar nicht gefangen werden sollten, so genannte Nicht-Zielarten.

Solche fischereilichen Todesraten können etliche gefährdete Bestände, wie Schweinswale in der Ostsee, Zwergwale im Japanischen Meer und der westpazifische Grauwal auf keinen Fall verkraften. Der Baiji oder Chinesische Flußdelfin, musste 2007 nach wochenlanger Suche in seinem Heimatgewässer, dem Yangtse, als "ausgestorben" klassifiziert werden. Der Amazonas Delfin oder Boto, der Chinesische Delfin, auch Schwarzer Delfin genannt, sowie Hectors Delfin bei Neuseeland, oder der Vaquita von Mexiko aber auch der Schweinswal in der Ostsee können sehr bald die nächsten sein.

Durch Unfälle mit Schiffen kommen geschätzt ein paar Tausend Wale pro Jahr um. Bekannte Seegebiete sind die Kanaren, Hawaii und z.B. das Mittelmeer. Aber auch im Hamburger Hafen tauchte 2004 ein toter Finnwal auf, der nur von einem Schiff gerammt und auf dem Bulb durch die Elbe transportiert worden sein kann.

Der stets vier Wochen vor dem IWC-Plenum tagende Wissenschaftsausschuss der IWC macht immer wieder deutlich, dass Wale immer größeren anthropogenen Problemen ausgesetzt sind. Neu im Programm ist eine Arbeitsgruppe, die sich mit Hautkrankheiten der Meeressäugetiere befasst. Von Pilz- und Virusbefall ist die Rede. Und obwohl der Lebensraum Meer natürlich Bakterien und Pilze beherbergt, wird davon ausgegangen, dass chemische Schadstoffe die natürlichen Schutzschichten der Haut schädigen und das Immunsystem schwächen. Krankheiten wie Pocken und Herpes finden leichten Zugang besonders in offenen Wunden.

Seit 2006 befassen sich die Wissenschaftler aus aller Welt auch mit den sich häufenden Strandungen bei Walen, die nur selten ohne Fremdeinwirkung passiere dürften. Neben Beifängen und seismischen Untersuchungen der Ölindustrie so wie militärischen Aktivitäten mit Sonaren, stehen die Anreicherung von Schadstoffen mehr als im Verdacht, tödliche Folgen zu haben. Umweltgifte, wie Quecksilber, Blei, Cadmium, DDT und PCB, beeinträchtigt das Immunsystem der Tiere. Sie erkranken zunehmend an (Morbilli-) Virus-Infektionen, die offensichtlich zu Entzündungen im Innenohr und Beeinträchtigung der Orientierung führen. Andere Wale müssen sterben, weil sich Fanggeschirre in ihrem Maul verfangen haben, oder weil versehentlich verschluckter Plastikmüll ihren Verdauungsapparat verstopft.

Mit anthropogenen Einflüssen befasst sich auch das im Vorfeld zur Jahrestagung zusammenkommende Conservation Committee, das 2003 in Berlin gegründet wurde. Bereits seit 2002 versucht der Wissenschaftsausschuss das Problem Beifang zu analysieren, und seit mehr als fünfzehn Jahren weist er darauf hin, dass die Beifangquoten an Walen und Delfinen keineswegs "nachhaltig" sein können. Mehr als eine halbe Million Meeressäugetiere, etwa zur Hälfte Wale und Delfine, sowie Robben, werden Jahr für Jahr in nicht für sie ausgebrachten Fischfanggeschirren, im Beifang, umgebracht

Die GSM ist der Meinung, die IWC müsse sehr wohl die Kommission für Wale, aber auch für die bislang weitgehend ignorierten Kleinwale (Delfine und Tümmler) sein. Sie müsse sehr wohl umstrukturiert werden. Dies darf natürlich nicht nur im Sinne der Walfangnationen sein. Bei einem Vorgespräch im Jahr 2006 zur "Normalisierung der IWC" wurden grundsätzlich "alle Interessierten" für eine entsprechende Sitzung nach Tokio eingeladen. Nur am Rande erfuhr man, dass alle Teilnehmer unterschreiben müssten, nicht gegen den kommerziellen Walfang zu sein.....Mal sehen, was ein neuer Anlauf in 2008 bringt. Wale und Meere haben ein Umdenken bitter nötig.

Und wie dramatisch-nachhaltig die Auswirkungen kommerziellen Walfangs sind, zeigen die Bestandsentwicklungen der Blauwale in der südlichen Hemisphäre

Zwischen 1870 und 1978 wurden weltweit über 382.000 Blauwale abgeschossen; 90% in antarktischen Gewässern. Der Bestand des antarktischen Blauwals vor Beginn des Walfangs wird auf 256.000 Tiere hochgerechnet. Das bittere Ende der etwa 100 Jahre dauernden "Blütezeit" haben hochgerechnet keine 400 Blauwale überlebt oder 0,15% des ursprünglichen Bestands. 1997, 20 Jahre später, leben in den Gewässern der südlichen Hemisphäre hochgerechnet noch immer nur 2280 der gigantischen Bartenwale. Anderen Großwalen, wie Finn- und Buckelwalen, geht es nicht viel besser.


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Quelle:
Pressemitteilung, 23.06.2009
Herausgeber:
Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere e.V. (GSM)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2009