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VÖGEL/1002: Bewußtsein verändern - Ein Gespräch zur illegalen Greifvogelverfolgung (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 1/15
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Bewusstsein verändern

Ein Gespräch mit Alexander Heyd


Es ist nicht ganz einfach, Alexander Heyd für ein Gespräch zu erwischen. Der 44-Jährige hat als Geschäftsführer des Komitees gegen den Vogelmord und Vorsitzender der NABU-Kreisgruppe Bonn alle Hände voll zu tun. Schon mit acht Jahren ist Heyd beim NABU Rhein-Sieg seiner Begeisterung für die Natur gefolgt. Zunächst interessierte er sich vor allem für die Pflanzenwelt. Doch nachdem er beim Erfassen von Blumen in der Siegniederung einen Steinkauz entdeckt und davon beim nächsten Kartierertreffen erzählt hatte, wurde er sofort von einem Bonner NABU-Mitglied "für den Steinkauzschutz verhaftet" - der Beginn einer bis heute andauernden Leidenschaft für Eulen und Greifvögel. Bernd Pieper sprach mit ihm in Bonn über Greifvogelverfolgung in Deutschland:

Wie sehen Sie die aktuelle Situation in Deutschland beim Thema Greifvogelverfolgung?

Es werden immer mehr Fälle bekannt - das spricht auf den ersten Blick für eine Verschlechterung. Schaut man genauer hin, ist die Sensibilität für das Thema gewachsen. Es werden mehr Delikte gemeldet und der Druck auf potenzielle Täter steigt vielerorts an. Insofern gehen wir aktuell davon aus, dass die Zahl der Fälle leicht rückläufig ist.

Worauf führen Sie das zurück?

In Nordrhein-Westfalen machen wir seit rund 25 Jahren eine Kampagne gegen Greifvogelverfolgung. Mittlerweile ist das Thema in den Medien, die Öffentlichkeit interessiert sich dafür. Viele Menschen können sich zunächst überhaupt nicht vorstellen, dass Greifvögel illegal gejagt werden. Wenn es konkrete Fälle oder auch Verurteilungen gibt, berichten die Medien häufiger, die Bevölkerung wird aufmerksamer, und irgendwann haben die Täter keine Lust mehr.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Düren in NRW war lange Zeit einer der schlimmsten Landkreise, eine Agrarsteppe mit mehreren Hundert vergifteten und erschossenen Greifvögeln jährlich. Wir haben intensiv für eine Bewusstseinsänderung gearbeitet, und heute sind es "nur noch" rund zehn Fälle pro Jahr. Das liegt auch an der mittlerweile sehr guten Zusammenarbeit mit der Polizei. Nach anfänglicher Skepsis haben die Polizisten angesichts der Brachialgewalt vieler Täter sehr schnell jedes Verständnis verloren und ziehen mittlerweile sogar auf eigene Faust los.

Das Strafmaß ist mit maximal fünf Jahren Freiheitsentzug doch ziemlich abschreckend...

­... das wird aber nie ausgeschöpft. Es gibt in der Regel keine Haftstrafen, höchstens auf Bewährung, und auch die theoretisch möglichen 100.000 Euro Geldstrafe werden nicht verhängt. Trotzdem gibt es eine abschreckende Wirkung: Ab 60 Tagessätzen Geldstrafe ist der Jagdschein weg, und das passiert sehr oft, wenn die Beweislage gut ist.

Viele Täter sind Taubenzüchter oder Jäger. Gibt es mit denen Gespräche?

Kaum. Mit den meisten Jägern, mit denen wir zu tun haben, reden wir nur vor Gericht. Auch wenn manch ein Jäger persönlich anders denken mag, vertreten die Verbandsfunktionäre das, was ihre Mitglieder hören wollen: Der Habicht klaut uns die Tauben und Fasane, den brauchen wir nicht. Nur ganz wenige bringen den Mut zur Debatte auf. Die Kreisjägerschaft in Düren hat uns mal eingeladen, auf ihrer Tagung einen Vortrag zu halten. Das war zwar ein echter Spießrutenlauf, aber immerhin.

Gibt es auch Konvertiten unter den Jägern?

Das nicht, aber durchaus einige anonyme Hinweisgeber. Nicht alle finden gut, was manche ihrer Kollegen machen. Natürlich wären Ansätze zu einer Kooperation mit der organisierten Jägerschaft schön, aber da habe ich nach 25 Jahren meine Zweifel. Denen würden die Mitglieder weglaufen, wenn sie sich für den Habicht einsetzten. Und wenn es um kriminelle Machenschaften geht, müssten die Verbände ihren Korpsgeist überwinden und auch mal Leute ausschließen. Das kommt aber nur sehr selten vor."

Haben sich die Methoden der Verfolgung geändert?

Das wissen wir nicht genau, da die Datengrundlage aus früheren Jahrzehnten sehr dünn ist. Es scheint aber, als habe die Zahl der Vergiftungen zugenommen. Ein großes Problem, denn diese Täter sind schwer zu erwischen. Bei einer Falle muss der Täter immer wieder an den gleichen Ort zurückkommen, und Schüsse machen Krach. Einen Giftköder versteckst Du in der Dunkelheit oder lässt ihn einfach fallen.

Ist die Angst der Jäger und Taubenzüchter vor Konkurrenz irrational?

Beim Habicht nicht unbedingt - wenn man ein Revier mit vielen Habichten hat, hat man Probleme mit Fasanen. Die sind nicht angepasst an unsere Landschaft, stellen sich reichlich dämlich an, und die holt sich der Habicht natürlich. Und auch Taubenzüchter, die in Waldnähe wohnen, werden über Verluste klagen. Aber damit muss man leben, wenn man ein Hobby in der freien Natur ausübt.

Wie geht es dem Habicht?

Fast überall in bergigen Waldgebieten geht es dem Habicht gut. Im norddeutschen Flachland, wo viele Fallen stehen und sich bei Tauben- und Hühnerzüchtern ein regelrechter Hass aufgebaut hat, brechen die Bestände in manchen Regionen zusammen. Dort hält sich aber auch der polizeiliche und juristische Elan gegen derartige kriminelle Handlungen in Grenzen.

NRW gilt hier mit der Stabsstelle Umweltkriminalität als Vorreiter...

Das war eine der besten Innovationen, die das Land NRW in den letzten Jahrzehnten gemacht hat. Die Stabsstelle im Landesumweltministerium ist mit einem ehemaligen Staatsanwalt besetzt, der genau weiß, wie er mit seinen Ex-Kollegen und der Polizei umzugehen hat. Und auch die zuständigen Kreisbehörden greifen gerne auf seine Expertise zurück.

Warum gibt es so etwas nur in NRW?

Das verstehe ich auch nicht - knappe Kassen? Diese Einrichtung ist ein Erfolgsmodell und würde gerade in Bundesländern wie Niedersachsen oder Schleswig-Holstein, wo es große Probleme mit Greifvogelverfolgung gibt, viel Positives bewirken.

Was kann die Politik für den Habicht tun?

Ein großes Thema sind Habichtfallen. Das Bundesumweltministerium könnte diese Fangkörbe, die bei uns massenhaft hergestellt und angeboten werden, verbieten. Offiziell sind die natürlich nur zum Einfangen von entflogenen Habichten gedacht, und immer liegt ein kleiner Zettel bei, "Achtung, diese Falle darf nicht verwendet werden". Doch die vielen Fallen, die bei uns gekauft werden, hängen sicher nicht nur dekorativ über dem Kamin.

"Taubenzüchter, die in Waldnähe wohnen, mögen über Verluste klagen. Aber damit muss man leben, wenn man ein Hobby in der freien Natur ausübt."


Illegale Verfolgung melden

Neben dem Mäusebussard ist der Habicht der in Deutschland am meisten verfolgte Greifvogel. Vor allem in der Brutzeit zwischen März und Juni leben Habichte gefährlich. Es gibt noch immer einzelne Jäger, die sie als Konkurrenten bei der Jagd auf Niederwild sehen. Nach wie vor geht auch der Mythos um, Habichte seien für den starken Rückgang bestimmter Arten wie Feldhase und Rebhuhn verantwortlich.

Auch unter Geflügelhaltern gilt der Habicht als Gefahr. Besonders unbeliebt ist der Habicht bei manchen Brieftaubenzüchtern. Jahr für Jahr stellen Polizisten und Tierschützer in Deutschland Habichtfangkörbe sicher - viele davon in der Nähe von Taubenhaltungen. Mit lebenden Lockvögeln oder Fleischködern werden die Greife in die Falle gelockt und anschließend meistens erschlagen. Dabei wiegen die Verluste durch verirrte oder erschöpfte Tauben bei Brieftaubenrennen ungleich schwerer als die durch den Habicht verursachten.

Ganzjährige NABU-Hotline

Wer überzeugt ist, einem aktuellen Fall von illegaler Greifvogelverfolgung auf der Spur zu sein, kann direkt den NABU anrufen. Hierzu ist ganzjährig werktags von 9 bis 18 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen von 15 bis 18 Uhr die Aktionsrufnummer 030-284984-1555 besetzt. Am Telefon werden wir nach Ihrer Schilderung der genauen Umstände versuchen, den Vorfall einzuordnen. Wenn es sich aus unserer Sicht um einen Fall von illegaler Greifvogelverfolgung handelt, besprechen wir das weitere Vorgehen.

Wie man Greifvogelverfolgung erkennt, zeigt ein Video unter www.NABU.de/greifvogelverfolgung. Dort gibt es auch weitere Infos und ein Online-Meldeformular, falls kein aktueller, sondern ein älterer Fall von illegaler Greifvogelverfolgung gemeldet werden soll.

Immer die Polizei rufen

Greifvogelverfolgung ist eine Straftat. In aktuellen Fällen sollte daher immer umgehend die örtliche Polizei über die Notrufnummer 110 angerufen und ein Streifenwagen angefordert werden. Die Polizei ist laut Strafprozessordnung zu unverzüglichem Handeln verpflichtet. Schildern Sie kurz und sachlich die Geschehnisse. Vereinbaren Sie mit den Polizeibeamten einen Treffpunkt und zeigen Sie ihnen den Tatort. Wenn Sie einen Verdacht haben, wer der Täter sein könnte, halten Sie sich bitte dennoch unbedingt mit Anschuldigungen zurück.

Diese Fakten sollten Sie für das Melden von illegaler Greifvogelverfolgung notiert werden: Welche Polizeiwache hat den Einsatzwagen geschickt? Wohin werden die Tiere oder Köder zur Analyse gebracht? Wie lauten der Name und die Telefonnummer eines beteiligten Beamten? Wie werden die genauen Umstände des Fundes beschrieben? (Datum, Uhrzeit, Ort, Reihenfolge der Funde und der eingeleiteten Schritte)

"Die Sensibilität für das Thema ist gewachsen. Es werden mehr Delikte gemeldet und der Druck auf potenzielle Täter steigt."


Komitee gegen den Vogelmord

Das 1975 gegründete Komitee gegen den Vogelmord mit Sitz in Bonn ist eine Aktionsgemeinschaft, die sehr schnell dort eingreift, wo Vogelfänger, Jäger oder Händler gegen geltendes Naturschutzrecht verstoßen. Mitarbeiter des Komitees decken nach intensiver Recherche Straftaten auf und melden diese den zuständigen Polizei- und Zollbehörden. Mit Partnerverbänden in Italien, Frankreich, Malta und Zypern werden jährlich mehr als 20.000 Fangnetze und Fallen eingesammelt. In Italien unterstützen Komiteemitarbeiter die örtlichen Jagdaufseher, und vor italienischen Verwaltungsgerichten bringt das Komiteejedes Jahr mehrere Abschuss- und Fanggenehmigungen für geschützte Vogelarten zu Fall.


Infomaterial

Wer mehr über den Habicht erfahren möchte, kann beim NABU eine 32-seitige Broschüre (Bestellnummer 1975, ein Euro), eine Aufkleber-Postkarte (Nr. 1978, 50 Cent), ein A2-Poster (Nr. 1977, kostenlos) und einen Lesezeichen-Kalender (Nr. 1979, 50 Stück gebunden, zwei Euro) bestellen. Wieder lieferbar ist außerdem die zwischenzeitlich vergriffene Broschüre "Illegale Greifvogelverfolgung. Ein Leitfaden für Naturfreunde und Behörden" (Nr. 1980, kostenlos).

Bezug von Einzelexemplaren beim NABU-Infoservice, Tel. 030-284984-6000, info@nabu.de (je Bestellung 1,45 Euro Porto), größere Stückzahlen beim NABU-Natur-Shop, Tel. 0511-898138-0,
info@nabu-natur-shop.de.

Weitere Informationen unter www.komitee.de

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Junge Habichte erkennt man am rotbraun schimmernden Gefieder und den tropfenförmigen Flecken. Bei den Altvögeln wird aus den Tropfen eine Querbänderung.

- Sämtliche Greife genießen in Deutschland ganzjährigen Schutz. Das hindert einzelne Jäger oder Taubenzüchter leider nicht daran, die Flinte anzulegen oder wie im Bild rechts oben (ein Mäusebussard) die Vögel mit Giftködern zu töten.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/15, Seite 12 - 15
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1530, Fax: 030/284984-2500
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
Internet: www.nabu.de/nabu/nh
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: nabu@nabu.de
Internet: www.NABU.de
 
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2015

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