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VÖGEL/899: Der Uhu. Schwere Zeiten für den König der Nacht - Teil 2 (Vogelschutz)


Vogelschutz - 1/2013
Magazin für Arten- und Biotopschutz

Schwere Zeiten für den König der Nacht...

Von Ulrich Lanz und Christiane Geidel



Im letzten Heft Vogelschutz haben wir die Gefährdung unserer heimischen Uhu-Population durch die Intensivlandwirtschaft dargestellt. Dies ist jedoch nicht die einzige Bedrohung für Bayerns Uhus. Es ist wichtig, Zeit für unsere Uhus zu gewinnen sowie Schutzmaßnahmen fortzuführen und auszubauen, mit denen wir in den letzten Jahren schon begonnen haben. Die Verluste müssen reduziert und Bruten und deren Erfolg gesichert werden. Denn neben dem Problem der Nahrungsversorgung sind auch andere Gefahren für unsere Uhus in den letzten Jahren nicht weniger geworden, sondern eher mehr:

• Trotz der Verpflichtung durch das Bundesnaturschutzgesetz, bis 2012 alle gefährlichen Mittelspannungsmasten zu entschärfen, kommen immer noch jedes Jahr zahlreiche Uhus durch Stromschlag um - die Sicherungsmaßnahmen der Energieversorger hinken weit hinter dem gesetzlichen Anspruch her, und viele schon realisierte "Sicherungen" werden dieser Bezeichnung nicht gerecht (siehe auch S.22). Der LBV und unsere Partner in den Naturschutzbehörden müssen hier den Druck auf die Energieversorger aufrechterhalten, ihren Verpflichtungen schnellstmöglich nachzukommen.

• Die klassischen Lebensräume des Uhus unterliegen in unserer modernen Freizeitgesellschaft einem immer stärker wachsenden Störungsdruck: Erholung in der Natur ist "in", und von Jahr zu Jahr drängen immer mehr Kletterer, Wanderer oder Geocacher in Mittelgebirge und Alpen und damit auch in die Brutgebiete des Uhus - Konflikte sind da unausweichlich. Auf manchen Konfliktfeldern haben wir schon viel erreicht - zum Beispiel in der weit fortgeschrittenen und gut akzeptierten Besucherlenkung in den außeralpinen Klettergebieten. Auf anderen Gebieten gibt es großen Nachholbedarf: So ist es etwa überfällig, die in den Mittelgebirgen erprobten Lenkungsmaßnahmen auch auf den Alpenraum zu übertragen, wo Störungen eine weit größere Gefahr für Bruten darzustellen scheinen als andere Risiken. Und auch das Geocaching als ganz junge Natursportart steht noch viel zu wenig im Fokus des Naturschutzes insgesamt und des Uhuschutzes im Speziellen: Erst langsam wird offensichtlich, dass viele der Verstecke, denen hier moderne Schatzsucher nachspüren, in Uhulebensräumen liegen und dass die Suche nach den "Caches" dort für viel Unruhe sorgen und Bruten gefährden kann.

• Und schließlich: Fast die Hälfte der bayerischen Uhus brütet in Steinbrüchen. Aber: Was wertvollster Lebensraum aus zweiter Hand sein könnte - nicht nur für den Uhu, auch für viele andere Arten -, ist oft durch die nach Abbau-Ende anstehende Verfüllung bedroht, die in vielen alten und meist nicht oder nur schwer revidierbaren Abbaugenehmigungen festgelegt ist. Und auch der Abbaubetrieb selber kann zu Störungen des Brutgeschehens führen. LBV und LfU bemühen sich schon seit einigen Jahren um eine engere Zusammenarbeit mit den Betreibern der Abbaustätten und ihren Industrieverbänden - und diese Zusammenarbeit trägt langsam Früchte: Immer mehr Betriebe kooperieren mit uns im Uhuschutz - vor allem in Unterfranken, wo dieser "Steinbruchpakt" mit dem Industrieverband Steine und Erden gestartet wurde, aber auch schon in einigen anderen Regionen. Diese fruchtbare Zusammenarbeit fortzuführen und auszubauen, muss ein weiterer Schwerpunkt unserer künftigen Schutzmaßnahmen für den Uhu sein.

Windkraft: Ein Damoklesschwert über Bayerns Uhus?
Und dann gibt es da ja noch ein weiteres, junges, aber rasant an Bedeutung gewinnendes Risiko für unsere Uhus - die Energiewende in Deutschland und der Windkraftboom, den sie ausgelöst hat: Die Verbreitungsschwerpunkte des Uhus in Bayern liegen in den Mittelgebirgen - und ebenso die windhöffigsten Standorte für die rund 1.500 neuen Windkraftanlagen, deren Errichtung sich die bayerische Staatsregierung bis 2021 erhofft. Konflikte sind da unvermeidbar: Zum einen taucht der Uhu in der bundesweiten Funddatenbank an der Vogelschutzwarte Brandenburg bereits jetzt mit einem Dutzend Schlagopfer auf, und wenn es nicht gelingt, Uhureviere und Windkraftstandorte zu entflechten, ist eine deutliche Zunahme solcher Verluste in Bayern zu erwarten. Zum anderen sind von den Windkraftanlagen ausgehende Vergrämungseffekte bei anderen Arten belegt. Es ist zumindest zu befürchten, dass solche Vergrämungseffekte auch in Uhurevieren wirksam werden und der Uhu zum Beispiel nach der Errichtung von Windkraftanlagen wichtige Jagdgebiete nicht mehr nutzen kann, was sekundär wieder negative Auswirkungen auf den Bruterfolg haben würde.

Leider gilt aber in den Genehmigungsverfahren der gute alte Grundsatz der Juristen, "in dubio pro reo" allenfalls bedingt für den Uhu: Der Naturschutz ist in der Pflicht, gerichtsfest zu belegen, dass der Uhu tatsächlich durch Windkraftanlagen bedroht ist und in welchem Umfang. Das scheitert aber oft daran, dass es noch zu wenig Daten gibt, anhand derer sich sowohl das Risiko direkter Verluste durch Vogelschlag an den rasant drehenden Rotoren als auch die möglichen Vergrämungseffekte genau bewerten und abschätzen ließen. Aber genau diese exakte Abschätzung wird von den Gerichten gefordert: Zum Beispiel urteilt das Bundesverwaltungsgericht, dass das Tötungsverbot des Bundesnaturschutzgesetzes, das auch für Windkraftanlagen gilt, dann nicht überschritten ist, wenn die zu erwartenden Verluste unter den Dimensionen natürlicher Verluste bleiben. Und die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten geht wiederum davon aus, dass dies dann der Fall ist, wenn mindestens zwei Drittel der Flugaktivitäten eines Uhupaares außerhalb des Einzugsbereichs der Rotoren stattfinden. Mit anderen Worten: Um die Genehmigung für kritische Windkraftanlagen in Uhurevieren abzuwenden, brauchen Naturschutzbehörden und -verbände fundierte, gerichtsfeste Daten zu Raumnutzung und Reviergrößen des Uhus in unterschiedlichen Naturräumen und zu den Höhen, in den sich fliegende Uhus üblicherweise bewegen.

Studie soll Klarheit schaffen
Genau solche Daten erhoffen wir uns von der neuen Studie, die LBV und LfU gemeinsam in Angriff nehmen: Aufbauend auf den methodischen Erfahrungen, die wir in der vorangegangenen, 2012 abgeschlossenen Untersuchung sammeln konnten, sollen bis Herbst 2013 nochmals am Lech und im Landkreis Neumarkt mit modernster Technik alle Bewegungen von mindestens acht Uhus dokumentiert werden. Damit wollen wir in zwei sehr unterschiedlich strukturierten Naturräumen und bei ganz unterschiedlichen Bestandsdichten die Raum- und Habitatnutzung der jeweiligen Uhus, die Größe ihrer Reviere und ihr Flugverhalten erfassen. Gelingt das, werden den Naturschutzbehörden und -verbänden, aber auch Investoren und Planern künftig bessere Daten zur Verfügung stehen, um die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf regionale Uhuvorkommen zu bewerten - ein wichtiger Baustein, um die zu befürchtenden Konflikte zwischen Uhuschutz und Windkraftnutzung bereits im Vorfeld zu entschärfen und die sinnvolle und erwünschte Nutzung der Windkraft als regenerative Energie in konfliktfreie Bahnen zu lenken!


DIE AUTOREN

Ulrich Lanz - Tierarzt
LBV-Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein Referat Artenschutz
Mail: u-lanz@lbv.de

Christiane Geidel
Diplom-Ingenieurin (FH) für Naturschutz & Landschaftsplanung
LBV-Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein | Referat Artenschutz
Mail: c-geidel@lbv.de

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Quelle:
Vogelschutz - 1/2013, Seite 26 - 27
Magazin für Arten- und Biotopschutz
Herausgeber:
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V.
Verband für Arten- und Biotopschutz
LBV-Landesgeschäftsstelle
Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein
Tel.: 09174 / 47 75-0, Fax: 09174 / 47 75-75
E-Mail: info@lbv.de
Internet: www.lbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2013