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KOHLEALARM/486: Klimakampf und Kohlefront - Schulterschluß von unten ... (Hambacher Forst)


Hambacher Forst - 16. Oktober 2018

Aktion Marximale Verwirrung


Gestern, am 15.10. wurden die Tagebaue und Kraftwerke von RWE bestreikt. Es ist unklar, ob der halbwilde Streik so geplant war oder ob die Blockade der Werkseinfahrten und Zufahrtsstraßen spontan passierte (so stellt es die Gewerkschaft offiziell dar, um nicht für die Leitung einer unangemeldeten Versammlung belangt werden zu können).

Leider hatten die Streikposten kein Durchhaltevermögen, so dass sie ab 11:00 Uhr der Aktionsgruppe Marximale Verwirrung das Feld allein überließen, obwohl ihre Mahnwache bis 14:00 Uhr angekündigt war.

Die Aktionsgruppe Marximale Verwirrung war mit einem Banner mit der Aufschrift "RWE-Bonzen enteignen - 300.000 EUR Abfindung für jeden Kumpel" und Flyern mit dem kurz vor der Räumung erschienenen Offenen Brief (siehe unten) an die Angestellten von RWE und die IGBCE vor Ort, um die Angestellten des Tagebaus an die großen Bergarbeiter*innenstreiks von 1997 zu erinnern und ihnen Unterstützung bei (gern auch wilden) Streiks anzubieten, wenn sie die übertriebene Loyalität zu ihrem Arbeitgeber überwinden und anfangen, für gute Abfindungen und einen Sozialplan zu streiken. Der Sozialplan muss jetzt erkämpft werden, wenn die RWE-Angestellten nicht plötzlich auf der Straße stehen wollen - sei es in zwei, fünf oder 20 Jahren. Denn die Manager werden Abfindungen erhalten und sich ohne den Druck von der Straße einen Scheißdreck um ihre Arbeiter*innen kümmern.

Da es auf einem toten Planeten keine Jobs gibt, muss der Kohleausstieg jetzt kommen - ob er sozialverträglich gestaltet wird, hängt von der Streikkraft der Kumpel ab.

Sowohl gestern am Tagebau als auch heute in Niederzier gab es Arbeiter, die uns angepöbelt haben. Aber auch sehr konstruktive Gespräche - und eine offizielle Einladung, auch morgen ab 7:00 Uhr am Bahnhof Buir das Gespräch zu suchen. Wir haben versprochen, da zu sein und bringen Kaffee und einen Ankettworkshop mit.

Update: Wir waren zu spät. Zwar waren noch viele Interessierte an der Mahnwache, als wir wie versprochen um kurz nach neun mit Ankettworkshop, Bannermalutensilien und Frühstück auftauchten. Jedoch fürchtete der Anmelder der Mahnwache um unsere Sicherheit, da noch eine Demonstration mit ca. 200 Kumpel durch den Ort Richtung Mahnwache zog. Aus diesem Grund luden wir ihn und alle an Streikunterstützung interessierten auf das Camp in Manheim ein.

Und auch wenn zu befürchten ist, dass einige Demoteilnehmer*innen nicht schnell genug verstanden hätten, dass wir auf ihrer Seite stehen, finden wir es prinzipiell sehr lobenswert, dass sie mittlerweile so auftreten, dass die Polizei mit zehn Wannen und Kamerawagen vor Ort war. Falls hier noch weitere Repression (in Form von böser Post etc.) auftritt, vermitteln wir gerne Fachanwält*innen mit Erfahrung u.a. von G20. Auch das Legalteam ist unter 030 340 60 313 auch für die Kumpel da.

Folgender Flyer hing leider nur kurz an der Mahnwache:

Streikunterstützung
Für wilde Streiks!
Für einen sofortigen Sozialplan!
Für 300.000EUR Abfindung für jeden Kumpel!

• Blockadetraining
• Klettertraining
• Workshop Pressearbeit
• Rechtshilfe
   • Workshop Versammlungsrecht
   • Polizeikontakttraining
   • Ermittlungsausschuss
• Demosanitätsdienst
• psychosoziale Notfallunterstützung
• weitere Workshops möglich

Meldet euch bei
streik@riseup.net


Offener Brief an die Angestellten von RWE und die IGBCE

vom 6. September 2018

Dieser Brief wurde unter Anderem an Gewerkschaftler verteilt.


Liebe Gewerkschafter*innen, liebe Angestellten von RWE,

ich schreibe euch als eine Aktivistin aus dem Hambacher Forst. Ich weiß, zwischen uns gab es in der Vergangenheit beinahe ausschließlich böse Worte. Aber wir fragen uns, ob das so sein muss.

Im Grunde habt ihr doch nur Angst, euch und eure Familien nicht mehr versorgen zu können, wenn ihr euren Job verliert. Das ist mehr als verständlich. Und wir wollen, dass unsere Kinder und Enkelkinder auch noch einen lebenswerten Planeten haben. Das ist für euch vielleicht auch ein Stück weit verständlich.

Eigentlich haben doch ihr wie wir Angst vor RWE. Wir, dass sie unser Zuhause und unsere Zukunft zerstören. Ihr, dass sie euch nicht mehr das geben, was ihr zum Leben braucht. Wir könnten einen gemeinsamen Gegner haben. Eigentlich war es doch immer die Rolle einer Gewerkschaft, die Interessen von Arbeitnehmer*innen auch gegenüber ihrer Firma zu vertreten? Und sind wir mal ehrlich, wir wissen alle, was die nächsten Jahre passieren wird. Früher oder später wird RWE die Kohle fallen lassen und Millionen an Abfindungen kassieren. Ihr als einfache Angestellte werdet davon nichts sehen. Und ihr könnt euch sicher sein, dass niemand aus der Führungsetage in existenzielle Nöte geraten wird.

Also fangt an zu tun, was eine Gewerkschaft tun sollte. Fordert, an den Abfindungen beteiligt zu werden, nach dem Kohleausstieg weiter bezahlt zu werden, auch wenn eure Arbeitskraft nicht mehr notwendig ist (denn mal ehrlich, wer arbeitet denn schon gerne). Verschafft euren Forderungen mit Streiks oder Sabotage Gewicht. Die 40-Stunden-Woche und das Wochenende wurden schließlich auch nicht dadurch erkämpft, dass die Gewerkschaften sich bei den Konzernen eingeschleimt haben.

Vielleicht könnt ihr einfach mal zu Besuch kommen und wir reden bei einem Tee, Bier oder Saft darüber, wie wir uns gegenseitig helfen können, eure und unsere Existenzgrundlagen zu erhalten? Vielleicht können wir uns gegen den Konzern verbünden, der uns angreift und euch unterjocht? Und wenn nicht, können wir zumindest versuchen, unsere gegenseitigen Ängste zu verstehen und persönliche Feindschaft abzubauen, selbst wenn wir danach wieder auf unterschiedlichen Seiten stehen?

Und vielleicht merken wir ja, dass wir beide die selbe Welt wollen? Eine Welt, auf der ihr auch ein Recht auf ein gutes Leben habt, wenn ihr eure Arbeitskraft gerade nicht verkaufen wollt oder könnt?

Ich will nicht, dass ihr unser Feind seid. Unsere Feinde tragen die Namen RWE und Kapitalismus. Und ihr leidet genauso wie wir unter diesen.

Aber wenn ihr kommt, um unser Zuhause zu zerstören, werden wir uns wehren. Nicht aus Hass auf euch. Sondern aus Notwendigkeit. Ich bin sicher, ihr versteht das. Ich bin sicher, wenn jemand zu euch nach Hause kommen, euer Haus abreißen und eure Familie bedrohen würde, dann würdet ihr euch auch mit allen Mitteln, die euch zur Verfügung stehen, wehren. Und wenn jemand versucht, mein Zuhause zu zerstören und meine (Wahl-)Familie bedroht, werde ich ebenfalls zu jedem Mittel greifen, mich dagegen zu stellen. Ich hoffe, dass es dadurch nicht zu Auseinandersetzungen zwischen uns kommen muss.

Optimistische Grüße, eine Aktivistin

*

Quelle:
Hambacher Forst
E-Mail: hambacherforst@riseup.net
Internet: http://hambacherforst.blogsport.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2018

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