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ATOM/243: Gorleben Rundschau - Januar 2009 - Ausgabe 1 ((BI Lüchow-Dannenberg)


Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.

GORLEBEN RUNDSCHAU

Januar 2009 - Ausgabe 1 - 04.03.2009


Inhalt:

Auch im Jahr 2008 kein Aufstieg der Atomkraft
Fast jede zehnte Kilowattstunde kam aus Erneuerbarer Energie
Die Entwicklung der Branche im Jahr 2008 im Einzelnen
Warum rollt sie denn die Tonne durch die Gegend?
Endlagersuche-Neue Töne aus der Wirtschaft
Veranstaltungshinweis: Bleibt an Gorleben alles kleben?
Bleibt an Gorleben alles kleben?
Zurück auf los?
Zum neuen Jahr: VERBOHRT
Achtung: Wahlen! - Ein Angebot
RWE Aktionswoche 2.-8.3.2009


Impressum


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Auch im Jahr 2008 kein Aufstieg der Atomkraft

Erstmals seit 42 Jahren wurde im Jahr 2008 weltweit kein einziges neues AKW in Betrieb genommen. Anteil der Atomenergie an der weltweiten Energieversorgung auf unter 2,5 Prozent gesunken. Seit Jahren wird von interessierter Seite eine Renaissance der Atomenergie behauptet, um so die Atomakzeptanz zu erhöhen. Die heute veröffentlichte internationalen Atomkraftstatistik der IAEA zeigt, dass dies nur Propaganda ist.

Im Jahr 2008 wurde sogar erstmals seit den 1960er Jahren weltweit kein einziges AKW neu mit dem Stromnetz verbunden, ein AKW (Slowakei) wurde endgültig abgeschaltet. Damit sank im abgelaufenen Jahr die Zahl der offiziell in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke auf 438. Zum Vergleich: 1999 waren weltweit 440 AKW am Netz.

Im Jahr 2008 wurde mit dem Bau von 14 [Ergänzung 11.1.09: Die internationale Atomenergieorganisation IAEA hat die Zahl wieder auf 10 reduziert] neuen AKW begonnen. Insgesamt waren 48 [Stand 11.1.09: 44] in Bau. Zum Vergleich: 1993 waren 70 in Bau und 1999 waren es 36. Auch im abgelaufenen Jahr wurde der Bau neuer AKW fast nur in Planwirtschaftsländern oder aber mit staatlichen Subventionen begonnen: zwei in Russland, zwei in Südkorea und zehn in China.

Unter der Annahme, dass Kernkraftwerke im Schnitt ein Alter von 32 Jahren erreichen (bisher gibt es sowohl AKW, die nach wenigen Jahren wieder endgültig abgeschaltet werden mussten wie auch einzelne AKW, die ein Alter von 40 Jahren erreichten), kann mit dem Baubeginn von 14 [Stand 11.1.09:10] Kernkraftwerken mittelfristig höchstens der weltweite AKW-Bestand gehalten werden.

Bemerkenswert auch, dass in den USA zwar die Präsidenten Reagan, Bush sen. und Bush jun. den Bau neuer Atomanlagen angekündigt haben, aber in ihren zusammen zwanzig Regierungsjahren kein einziges neues AKW in den USA in Auftrag gegeben wurde.


Beitrag der Atomenergie zur weltweiten Energieversorgung

Im Jahr 2007 hatte laut BP Statistical Review of World Energy die Atomenergie einen Anteil von 5,6 Prozent am weltweiten Primärenergieverbrauch. Da die Kernkraftwerke aber nur etwa ein Drittel der Primärenergie in Strom umwandeln, deckte die Atomkraft nur knapp 2,5 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs.


Deutschland

In Deutschland sind offiziell 17 Atomreaktoren in Betrieb: sechs als veraltete Siedewasserreaktoren (nur ein Hauptkreislauf) und elf Druckwasserreaktoren (zwei Hauptkreisläufe). Die zwei Atomkraftwerke in Brunsbüttel und in Krümmel standen allerdings das ganze Jahr still. Nachdem sie im Sommer 2007 fast gleichzeitig wegen externer Störungen vom Netz mussten, fand man in den abgeschalteten Anlagen Schäden an wichtigen Armaturen (Absperrschieber und -klappen). Die Reparatur dieser unerwarteten Schäden gestaltet sich sehr schwierig. Bezeichnend, dass sowohl die Anlage in Brunsbüttel wie auch die in Krümmel vom veralteten Typ Siedewasserreaktor sind und dass wenige Jahre vor diesen schwerwiegenden Störfällen die Leistung beider Anlagen durch Umbauten im Turbinenbereich erhöht worden war. Infolge des weiteren Ausbaus der Windenergie hat allerdings Deutschland im Jahr 2008 trotz des Stillstandes der zwei AKW einen großen Stromexportüberschuss erzielt. Voraussichtlich etwa 20 Milliarden Kilowattstunden; so viel wie zwei Atomreaktoren produzieren.

Raimund Kamm, Vorstand, FORUM e.V.
www.atommuell-lager.de


Kalte Wohnungen in Serbien und Bulgarien, heiße Debatten in Deutschland. Angesichts des Erdgasstreits zwischen Russland und der Ukraine verlangen Berliner Politiker eine Renaissance der Atomenergie in Deutschland. Die Bundesrepublik dürfe nicht "energiepolitisch einseitig abhängig" werden, fordert der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle. Die Bundesregierung müsse daher den Atomkraft- Ausstiegsbeschluss rückgängig machen. Die CSU/CDU plädiert ohnehin für eine Verlängerung der Laufzeiten, hofiert von deutschen Energiekonzernen. Der neuerliche Gasstreit mit Versorgungsengpässen in Südosteuropa kommt der Lobby gerade recht, denn sie wird sich am 4./5. Februar zu ihrer Wintertagung in Berlin versammeln, um ihre Rendite zu sichern. Die Lobby schielt längst auf den Wahltermin im September und rettet die AKWs über die Runden. Atomkraft ist ein Auslaufmodell. Wir engagieren uns auch im Jahr 2009 gegen die Atomkraft.



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Fast jede zehnte Kilowattstunde kam aus Erneuerbarer Energie

Machen Sie mit: für ein atomstromfreies Wendland!

Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) hat die ersten umfassenden Zahlen über die Energiebereitstellung aus Erneuerbaren Quellen im Jahr 2008 veröffentlicht. Danach wurde 2008 fast jede zehnte in Deutschland verbrauchte Kilowattstunde aus Erneuerbarer Energie erzeugt (Anteil am Endenergieverbrauch 9,6 Prozent). Die positiven Effekte Erneuerbarer Energie zeigen sich insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht: Allein 2008 konnten Ausgaben für Brennstoffimporte in Höhe von 7,8 Mrd. Euro vermieden werden. Zudem reduzierte der Einsatz Erneuerbarer Energie die externen Kosten der Energieerzeugung für Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschäden um 9,2 Mrd. Euro. "Damit haben die Erneuerbaren Energien Volkswirtschaft und Verbrauchern im vergangenen Jahr Belastungen von 17 Milliarden Euro erspart", rechnet BEE-Präsident Dietmar Schütz vor. Das sei eine Größenordnung, die immerhin dem von der Bundesregierung im Dezember beschlossenen ersten Konjunkturpaket entspreche.

Die Stromerzeugung aus Wind-, Sonnen-, Wasser-, Bioenergie und Geothermie stieg um 5,5 Mrd. Kilowattstunden (kWh) an und erreichte damit einen Anteil von 15,3 Prozent am gesamten Stromverbrauch in Deutschland. Die Wärmeerzeugung aus Erneuerbarer Energie legte um 7,6 Mrd. kWh zu und kam so auf einen Anteil am Wärmemarkt von 7,3 Prozent. Der positiven Entwicklung im Strom- und Wärmebereich stand ein massiver Einbruch bei den Biokraftstoffen gegenüber: Deren Produktion sank gegenüber dem Vorjahr um 22 Prozent. Ihr Anteil am gesamten Kraftstoffverbrauch verringerte sich dadurch von 7,6 Prozent im Jahr 2007 auf 5,9 Prozent. Insgesamt erhöhte sich die Energiebereitstellung aus Erneuerbarer Energie gegenüber 2007 dennoch um drei auf rund 230 Mrd. kWh.

"Strom- und Wärmeproduktion aus Erneuerbarer Energie bleiben klar auf Wachstumskurs. Damit setzt sich der notwendige Umbau unserer Energieversorgung beständig fort", kommentiert Schütz die Bilanz des Jahres 2008. Der starke Rückgang in der Produktion von Biokraftstoffen zeige allerdings mehr als deutlich, wie dramatisch sich falsche politische Entscheidungen auswirken. "Zuerst wurde die Befreiung der Biokraftstoffe von der Mineralölsteuer vorzeitig zurückgefahren. Jetzt droht der zweite Schlag gegen diese innovative Branche, denn das Kabinett hat bereits die Absenkung der Beimischungsquote beschlossen. Dem muss der Bundestag unbedingt einen Riegel vorschieben", fordert Schütz.

Nach BEE-Analyse der Jahreszahlen für 2008 bestehen die positiven gesamtwirtschaftlichen Wirkungen der Erneuerbaren Energie vor allem in der Vermeidung von Treibhausgasen, der Verringerung externer Kosten sowie der Reduzierung der Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten. "Der aktuelle Gas-Streit zwischen Russland und der Ukraine zeigt, wie wichtig der Umstieg auf zumeist heimische Erneuerbare Energie ist. Er verringert den Einfluss gas- und ölexportierender Länder und erhöht die Versorgungssicherheit in Deutschland", unterstreicht Schütz. Besonders stark habe sich im vergangenen Jahr die Verringerung der Importkosten für fossile Brennstoffe in Höhe von 7,8 Mrd. Euro bemerkbar gemacht. Schütz: "Das ist eine erhebliche finanzielle Entlastung, die man angesichts der angespannten ökonomischen Lage gar nicht hoch genug bewerten kann." Hinzu komme die Vermeidung von Treibhausgasen und weiteren Schadstoffen, die einer unmittelbaren Reduzierung der externen Kosten für Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschäden um 9,2 Mrd. Euro entspreche. Nach Berechnungen des BEE wurden durch den Einsatz Erneuerbarer Energie im Jahr 2008 rund 120 Mio. Tonnen CO2 vermieden. Das sind etwa 20 Mio. Tonnen mehr, als der CO2-Ausstoß der gesamten deutschen Pkw-Flotte im gleichen Zeitraum betrug.

Stellt man die Förderung Erneuerbarer Energie den eingesparten Beträgen gegenüber, zeigt sich die Effizienz der Fördermaßnahmen. Das wichtigste Instrument ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz für den Strombereich. Seine Umlagefinanzierung hatte 2008 ein Volumen von rund 3,2 Mrd. Euro. Schütz: "Die Entlastung in Form von geringeren Importkosten und vermiedenen externen Kosten beträgt ein Vielfaches der Fördersumme für Erneuerbare Energie. Damit steht fest: Die Förderung ist hochgradig effizient und Erneuerbare Energie ein Gewinn für alle."


Die Entwicklung der Branche im Jahr 2008 im Einzelnen

Stromerzeugung

Die Stromerzeugung aus Erneuerbarer Energie übernahm im vergangenen Jahr 15,3 Prozent der gesamten deutschen Stromversorgung (2007: 14,5 %). Gegenüber 2007 stieg die produzierte Strommenge von 89,6 auf 95,1 Mrd. kWh (plus 6,1 %). Davon stellte die Windkraft mit 40,3 Mrd. kWh erneut den größten Anteil (2007: 39,7). An zweiter Stelle folgte die Bioenergie mit rund 28,7 Mrd. kWh (2007: 25,7). Die Wasserkraft lieferte 21,8 Mrd. kWh (2007: 21,2). Die Photovoltaik trug 4,3 Mrd. kWh zur deutschen Stromerzeugung bei und weist damit gegenüber 2007 mit Abstand das stärkste Wachstum auf: plus 40 Prozent. Die Geothermie leistete wie im Vorjahr einen Beitrag von 4 Mio. kWh.

Wärmeerzeugung

Der Anteil Erneuerbarer Energie an der Wärmeversorgung in Deutschland stieg auf 7,3 Prozent (2007: 6,8 %). Die Wärmeerzeugung aus Bioenergie, Solar- und Geothermie wuchs dabei von 90,9 Mrd. kWh im Jahr 2007 auf 98,5 Mrd. kWh an (plus 8,4 %). Der Löwenanteil entfällt auf die Bioenergie mit 90,2 Mrd. kWh (2007: 84,2). Solarthermie und Geothermie legten gegenüber 2007 um 20 bzw. 30 Prozent zu und lieferten 2008 5,3 bzw. 3,0 Mrd. kWh Wärme.

Daniel Kluge


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Warum rollt sie denn die Tonne durch die Gegend?

Diese Frage stellte eine Passantin bei einer Aktion der Gorleben-Frauen am 4. Februar 09 in Berlin. Mit Gedonner und Getöse rollt eine ältere Frau in weißem Schutzanzug ein großes gelbes Metallfass über berliner Fußwege, wartet an der Ampel, wechselt die Straßenseite, rumpelt an der Vattenfall-Zentrale und anderen Frauen in weißen Overalls vorbei zur Kreuzung und wiederholt ihren Weg - immer von kräftigen Schlägen auf die rollende Tonne begleitet.

"Lesen Sie unsere Informationen, dann können Sie es verstehen", erklärt eine der Gorleben-Frauen, erkennbar an dem Zeichen auf ihrem Anzug. "Ach, und dann nehmen Sie doch noch eine Dose mit," fügt eine andere hinzu, "wissen Sie, es gibt nämlich kein Endlager. Und wo soll der ganze strahlende Müll hin? Wenn alle eine kleine Dose mit nach hause nehmen, ist das Problem schon fast gelöst. Schließlich verbrauchen wir das ja auch alle." Auch wenn nicht jede und nicht jeder diese Logik einsahen, gab es doch einige, die bereit waren, eine Dose mitzunehmen und über eine sichere Lagerung in ihrer Wohnung nachzudenken. Die Reaktionen der Vorübergehenden waren schon recht unterschiedlich, aber eins war klar, sie hatten uns bemerkt: diese Gruppe älterer Damen, zum Teil schon mächtig ergraut, in weißen Overalls mit Radioaktivkennung und dem Frauenzeichen, die meisten untersetzt, fast unförmig durch die dicke Unterbekleidung, aus unseren Wendland-Büdeln Dosen und Infomaterial verteilend beziehungsweise die Tonne schlagend.

Bald sollte die Demonstration zum Atomforum beginnen. Gestärkt durch diese kleine gemeinsame Aktion, das vielfältige Interesse der Bevölkerung und das Käffchen gesellten wir uns zu den immer mehr werdenden DemonstrantInnen. Wir freuten uns über den kleinen Castor-Transport von Gleichgesinnten, der die "Endlagerung jetzt in Ihrem Haushalt" vorschlug, und fühlten uns verbunden mit den "Großmüttern gegen Desinformation", wobei es auch Protest in den eigenen Reihen gab: "Zu den Großmüttern gehör ich aber nicht!" Wir stöhnten über Grüne, die sich so aufdringlich mit Fahnen und Transparenten präsentierten, als wären sie die Krone des Widerstands, freuten uns über desolate Clowns und begrüßten begeistert unerwartete Bekannte und die Wendland-abtrünnige Jugend. Wir umzingelten mit über tausend Anderen das Maritim-Hotel, den Tagungsort des Atomforums, und skandierten vor dem Hotel "Müll, Müll, Müll ins Maritim", wurden aber daran gehindert, die Tonne abzuliefern. Fast wären wir noch in eine Samba-Gruppe integriert worden, konnten uns aber mit "gerade nicht geübt" herausreden und mussten schließlich dem Kommando Heimfahrt folgen.

Beim Bus halfen wir älteren Damen uns gegenseitig aus unseren Overalls. "Erinnert mich an früher mit den Kindern im Schwimmbad: hinhocken und die Wollstrumpfhosen über die Beine krumpeln!" Noch ein bisschen gelebte Seniorinnen-Solidarität zum Abschluss eines rebellischen Tages.

Gorleben-Frauen


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Endlagersuche-Neue Töne aus der Wirtschaft

Dass sich in Sachen Endlagersuche bis zu den Bundestagswahlen weder Parteien noch die Wirtschaft bewegen werden, war schon im Oktober letzten Jahres deutlich geworden: da hatte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel zum internationalen Endlagersymposium nach Berlin eingeladen. Unionsparteien und Wirtschaft wollen den Salzstock Gorleben "zu Ende erkunden", die SPD, Grüne und Linke fordern die Benennung und Exploration alternativer Standorte bzw. den Vergleich verschiedener Lagergesteine wie Salz, Ton und Granit, die Umweltverbände und die Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) Lüchow-Dannenberg wollen einem Standortvergleich nur zustimmen, wenn der Atomausstieg festgezurrt und das geologisch-politisch "verbrannte Gorleben" nicht weiter im Pool bleibt.

Doch nun rückte Holger Bröskamp, Chef der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) mit einem Vorschlag von der einseitigen Fixierung auf Gorleben ab. Auf der Wintertagung des Deutschen Atomforums sagte er laut Braunschweiger Zeitung: "Nach der Bundestagswahl brauchen wir eine Weichenstellung für Akzeptanz und Transparenz." Die Atombranche wolle zwar an Gorleben als Endlagerstandort festhalten und setze auf die Fortführung der sogenannten Erkundung . Aber Bröskamp forderte überraschend eine "Analyse vorhandener Daten alternativer Standorte, um bei Nichteignung von Gorleben Alternativen erkunden zu können." "Ob es der Atombranche dämmert, dass sich die Fixierung auf einen Standort, der geologisch und politisch verbrannt ist, am Ende auch wirtschaftlich rächen könnte? Denn nicht immer gibt es die Endlagerung zum Nulltarif wie in den beiden havarierten Atommüllendlagern Asse II und Morsleben, für die jetzt die Steuerzahler für die Sanierung zur Kasse gebeten werden. Ein Festhalten an Gorleben und die Fortsetzung der Bauarbeiten ist ein Vabanquespiel für die Wirtschaft, zumal die Eignung Gorlebens als Atommülldeponie vornehmlich von CDU/CSU und FDP-Bundespolitikern behauptet wird.

Wolfgang Ehmke


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Veranstaltungshinweis: Bleibt an Gorleben alles kleben?

Das Moratorium, der Baustopp unter Tage, läuft im Jahr 2010 aus. Wer ernsthaft alternativ zu Gorleben andere Standorte erkunden will, muss sagen, wie er das finanziert. Lippenbekenntnisse und Absichtserklärungen reichen nicht. Weder Rot/Grün noch Schwarz/Rot hat die Weichen für die Finanzierung einer erweiterten Endlagersuche gestellt.

Der Ausbau des Endlagerbergwerks im Gorlebener Salz kostete bisher 1,5 Milliarden Euro. Die AKW-Betreiber bilden für die Finanzierung von Stilllegung, Rückbau und Entsorgung so genannte Rückstellungen, mit deren Hilfe letztlich der Aufwand für das Back-end der Betriebszeit eines Kernkraftwerks zugerechnet wird, mit entsprechendem Steuerstundungseffekt wie bei allen Rückstellungen. Es werden in Deutschland so etwa 30 Mrd. Euro sein, die derzeit für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung zurückgestellt worden sind. Geld ist also da. Wir finden, es sollte in einen öffentlich-rechtlichen Fonds eingezahlt werden. Welche Lösungsansätze gibt es? Welche Modelle gibt es bei den europäischen Nachbarn? Welche Rolle spielt die Europäische Kommission? Ein kompaktes Thema.

Entscheidende Fragen.
Machtfragen.
Wir packen es an.

Dr. Wolfgang Irrek Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH
- Rebecca Harms, Europaabgeordnete der Grünen
- Moderation Wolfgang Ehmke.


Freitag 13.2.09 Dannenberg "Alte Post" 20 Uhr,
Samstag 14.2.09 Workshop, Tagungshaus Tuwas e.V., Tüschau-Saggrian 10-14 Uhr


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Bleibt an Gorleben alles kleben?

In dieser Legislaturperiode wird weder das Moratorium auf der untertägigen Endlagerbaustelle aufgehoben, auch die Benennung weiterer Standorte, die als Atommüllendlager für die hochradioaktiven Abfälle in Frage kommen, steht in den Sternen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ließ in seiner Eröffnungsrede auf dem Endlagersymposium in Berlin Ende Oktober 2008 durchblicken, welche Strategie er verfolgt. 2006 stellt er klar - und in seiner Rede nimmt er darauf explizit Bezug -, alternativ zu Gorleben müsse sich ein anderer Standort "aufdrängen". 2008 führt er den Gedanken fort: "Demnach sollte ein anderer Standort nur dann ausgewählt und erkundet werden, wenn er deutliche Sicherheitsvorteile gegenüber Gorleben verspricht." Leitgedanke sind an keiner Stelle die fachwissenschaftlichen Einwände gegen die Eignung des Salzstocks Gorleben als nukleares Endlager, sondern die Milliarden Euro, die dort schon verbuddelt wurden. So kann das nichts werden. Gorleben ist politisch und geologisch verbrannt. Wir dokumentieren die Rede des Bundesumweltministers in Auszügen. In die Zukunft blicken kann nur der, der die Lehren aus der Vergangenheit und der Gegenwart gezogen hat. Deutschland macht derzeit alle Phasen der Endlagerung durch. Das Endlager Morsleben für schwach- und mittelaktive Abfälle in Sachsen-Anhalt sowie das ehemalige Forschungsbergwerk Asse in Niedersachsen, in das ebenfalls schwach- und mittelaktive Abfälle eingelagert wurden, müssen stillgelegt werden. Insbesondere die Asse hat - wie wir alle ja wissen - in den letzten Monaten viele zumeist negative Schlagzeilen gemacht. Diese hängen mit Entscheidungen zusammen, welche in der Vergangenheit getroffen wurden und die dazu geführt haben, dass ein großer Verlust an Vertrauen in der Öffentlichkeit entstanden ist.

Insbesondere die Asse ist ein negatives Beispiel dafür, wie nicht vorgegangen werden sollte, da hier erhebliche Zweifel an der Sicherheit bestehen. Dieses ist eine Bürde, die wir den kommenden Generationen nicht auferlegen dürfen. Wir sind dafür verantwortlich, dass die Abfälle, welche wir heute produzieren, so beseitigt werden, dass kommenden Generationen so wenig wie möglich weder gesundheitlich noch finanziell beeinträchtigt werden. Darum fängt für mich die Endlagersicherheit mit der Auswahl eines Endlagerstandortes an. Schon bei der Auswahl des Endlagerstandortes muss die Möglichkeit zur sicheren Stilllegung und insbesondere die Langzeitsicherheit des Endlagers geprüft werden.

Die Festlegung des Standortes Gorleben, dessen weitere Erkundung seit dem 1. Oktober 2000 zur Klärung sicherheitstechnischer und konzeptioneller Fragen unterbrochen ist, erfolgte 1977 durch das Land Niedersachsen im Rahmen einer technisch administrativ durchgeführten Standortauswahl. Auf die gesellschaftspolitische Dimension der Endlagerfrage und diesbezügliche Standortentscheidungen wurde nicht eingegangen - Gorleben wurde innerhalb eines Jahres ohne jegliche Beteiligung der Bevölkerung vor Ort als Standort festgelegt. Dabei hätten die Erfahrungen der massiven Proteste im Zusammenhang mit der Benennung der potentiellen Standorte Lutterloh, Lichtenhorst und Wahn im Vorfeld der Benennung Gorlebens eigentlich negative Warnbeispiele sein sollen. Vor diesem Hintergrund ist für mich die zentrale Frage bei der Festlegung eines Standortes für ein Endlager für hochaktive, wärmeentwickelnde Abfälle, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die Standortfestlegung für ein Endlager für diese Abfälle als fair, nachvollziehbar und transparent empfunden wird.

Aus meiner Sicht kann dies nur in einem ergebnisoffenen und transparenten Suchverfahren, in dem die Eignungsfähigkeit des Standortes Gorleben mit anderen Standorten verglichen wird, erfolgen. Dieser Standortvergleich muss nach internationalem Maßstab erfolgen. Länder wie Schweden, Finnland, Schweiz und Frankreich machen es uns mittlerweile vor. Welche Kriterien anzuwenden sind und welche Voraussetzungen für ein solches Verfahren gegeben sein müssen, wird auch im Mittelpunkt des Endlagersymposiums stehen. Wichtig ist, dass ein offener Dialog zwischen der Politik, der Wissenschaft und der interessierten Öffentlichkeit zustande kommt.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Prozess zur Lösung der Endlagerfrage immer wieder ins Stocken geriet, weil es bisher an einem übergreifenden Konsens, auf welche Weise ein Endlagerstandort bestimmt werden soll, gefehlt hat. Wie Sie alle wissen, war es uns bisher leider auch in dieser Legislaturperiode nicht möglich, einen gemeinsamen Weg bei der Endlagerung festzulegen. Aus meiner Sicht sollte die Festlegung aus dem Jahr 1977, den Salzstock Gorleben als Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle vorzusehen, nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik in einem Auswahlverfahren überprüft werden. Durch ein solches Standortauswahlverfahren kann am Besten sowohl Rechtssicherheit und Planbarkeit für die Energiewirtschaft, Transparenz und Nachvollziehbarkeit für die Öffentlichkeit als auch der Schutz künftiger Generationen vor den Gefahren radioaktiver Abfälle sichergestellt werden.

Im Herbst des Jahres 2006 habe ich deshalb ein Konzept "Verantwortung übernehmen - Den Endlagerkonsens realisieren" zur Durchführung eines Standortauswahlverfahrens erarbeitet, welches die Grundlage für das weitere Vorgehen darstellen kann.

Dem Konzept liegen die folgenden Prinzipien zugrunde:

Nationale Aufgabe wahrnehmen: Radioaktive Abfälle, die bei der Nutzung der Kernenergie in Deutschland anfallen, müssen auch in Deutschland entsorgt und nicht in andere Länder mit möglicherweise geringeren Sicherheitsstandards exportiert werden.
Verantwortung übernehmen: Die Generation, die den Nutzen aus der Kernenergie hat, muss sich auch um die Entsorgung der Abfälle kümmern. Deshalb muss die Lösung der Endlagerfrage jetzt angegangen werden.
Bei der Endlagerung hat die Sicherheit Vorrang vor allen anderen Aspekten. Die Standortentscheidung muss deshalb auf der Grundlage eines Vergleiches mehrerer Alternativen für den am besten geeigneten Standort fallen.
Die Auswahl und Festlegung eines Endlagerstandortes erfordert ein nachvollziehbares und transparentes Verfahren.

Zwei der wesentlichen Anforderungen, die dem vorgeschlagenen Konzept zugrunde liegen und in meinen Augen von zentraler Bedeutung sind, sind Transparenz und eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit an dem Standortauswahlverfahren.

Ein wie von mir vorgeschlagenes Vorgehen entspricht im Übrigen auch der internationalen Praxis. In der Schweiz z. B. wird ein Auswahlverfahren für geologische Tiefenlager durchgeführt werden, in dessen Verlauf durch Anwendung geologischer, raumplanerischer und sozioökonomischer Kriterien eine Standortfestlegung bis zum Jahre 2018 erfolgen soll. Der schweizerische Ansatz zeichnet sich durch einen starken partizipatorischen Charakter aus. Das Bundesumweltministerium unterstützt die anliegenden Gemeinden auf der deutschen Seite bei der Vertretung ihrer Interessen in diesem Verfahren. Was wir von der Schweiz fordern, sollte für uns in Deutschland selbstverständlich sein. Auch in Frankreich zeigen die neuesten Entwicklungen, dass der Ansatz, die potentiellen Regionen bei der Festlegung eines Endlagerstandortes einzubeziehen, ein Erfolg versprechender Weg ist. So hat in Frankreich eine Vielzahl von Gemeinden freiwillig ihr Interesse bekundet, Standort für ein Endlager werden zu wollen. Das von mir im Herbst 2006 vorgelegte und in der Bundesregierung zur Diskussion gestellte Konzept basiert auf den 2002 entwickelten Vorschlägen des Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd). Im Unterschied zu dem vom AkEnd vorgeschlagenen Auswahlverfahren, welches von einer weißen Landkarte ausgeht, berücksichtigt das Verfahren den Standort Gorleben in besonderem Maße, da dort bereits umfangreiche Erkundungen durchgeführt und 1,4 Milliarden ? in das Projekt investiert wurden. Das Konzept sieht eine Prüfung dahingehend vor, ob Standortalternativen zu Gorleben bestehen, die ein höheres Sicherheitsniveau erwarten lassen bzw. aufweisen.

Demnach sollte ein anderer Standort nur dann ausgewählt und erkundet werden, wenn er deutliche Sicherheitsvorteile gegenüber Gorleben verspricht. Sicherheitstechnische Vor- oder Nachteile lassen sich nur dann glaubwürdig vermitteln, wenn vorab unter Beteiligung der Öffentlichkeit die Auswahlkriterien und Sicherheitsanforderungen festgelegt wurden.

Mit der Veröffentlichung der Sicherheitsanforderungen im Sommer dieses Jahres hat das Bundesumweltministerium einen wichtigen Schritt zur Schaffung der Grundlagen für ein Standortauswahlverfahren getan. Der vorgelegte Entwurf der Sicherheitsanforderungen soll die 1983 veröffentlichten "Sicherheitskriterien für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in einem Bergwerk" ersetzen, welche nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Das Endlagersymposium wird am Samstag die Möglichkeit bieten, den Entwurf der Sicherheitsanforderungen sowohl mit der Fachöffentlichkeit als auch der interessierten Öffentlichkeit zu diskutieren. Die zentralen Fragen dabei sind für mich: Welche Sicherheitsanforderungen sind an die Endlagerung gemäß internationaler Empfehlungen, Stand von Wissenschaft und Technik und vor dem Hintergrund der deutschen Endlagererfahrungen zu stellen, damit zukünftige Generationen nicht durch unsere heutigen Aktivitäten beeinträchtigt werden? Und: Wie viel Gestaltungsspielraum sollten diese Sicherheitsanforderungen dem Antragsteller lassen?

Das Bundesumweltministerium möchte durch das Endlagersymposium verdeutlichen, wo wir in der deutschen Endlagerdebatte stehen. Wie gehen andere Länder bei der Suche und Festlegung eines Endlagerstandortes vor? Welche Anforderungen an die Sicherheit, insbesondere die Langzeitsicherheit eines Endlagers sind zu stellen? Wie ist der wissenschaftliche Kenntnisstand auf dem Gebiet der Endlagerung? Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird das Bundesumweltministerium sein Konzept zur Endlagerung ausrichten und weiterverfolgen. Lassen Sie uns in den kommenden Tagen alle Argumente zusammentragen, Verständnis für die Fachfragen entwickeln und auch mögliche Lösungsansätze diskutieren. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein erfolgreiches Symposium mit interessanten und offenen Diskussionen und hoffe, dass auch wir hier in Deutschland bald Klarheit über das weitere Vorgehen in der Frage der Endlagerung haben und damit den Titel des von mir erarbeiteten Konzeptes mit Leben erfüllen können.


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Zurück auf los?

Rebecca Harms über das Internationale Endlagersymposium, das vom 30.10.-1.11. in Berlin stattfand.

Der November ist vorbei. Das Thema "Gorleben" war anlässlich der wieder erstarkten Proteste anlässlich der Castortransporte endlich einmal wieder weit oben in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dazu beigetragen hatte bestimmt auch das lange vorbereitete Endlagersymposium in Berlin. Was haben diese drei Tage mit den vielen Podiumsdiskussionen, Vorträgen, Fragen und Kontroversen gebracht?

Sicher war das noch kein Durchbruch für unser Ziel, ein ungeeignetes Endlager zu verhindern. Aber das konnte niemand erwarten. Gut war, dass das alte aber immer noch akute Thema in der Hauptstadt durchdiskutiert wurde. Die Frage, wie und wo in Deutschland der Atommüll, der seit Jahrzehnten nur gesammelt wird, für 1 Million Jahre sicher endgelagert werden kann, das ist eine Frage, die nur in nationaler Verantwortung gelöst werden kann. Und deshalb gehört diese Debatte in die Hauptstadt. Dort liegt nicht nur im Bundesumweltministerium, in der Regierung und im Bundestag die Verantwortung. Dort fand diese Debatte auch endlich wieder eine angemessene öffentliche Wahrnehmung.

Die politische Aufmerksamkeit hätte noch größer sein müssen. Erschreckend war, dass das Land Niedersachsen den dringlichen Einladungen von Vertretern aus der Region Gorleben und des Bundesumweltministeriums, am Symposium teilzunehmen, nur durch Entsendung eines Beamten gefolgt war. Das entspricht zwar der Linie von Union und FDP, an Gorleben festzuhalten, ohne nach links oder rechts zu sehen. Aber eine solche Verweigerung entspricht bestimmt nicht der Dimension des Problems. Loben muss man die Länder Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Letztere haben in der Programmgruppe engagiert mitgearbeitet. Und Rheinland-Pfalz war mit einer Staatssekretärin im Publikum vertreten. Die Schweiz hatte mit der Botschafterin ebenfalls eine prominente Teilnehmerin im Publikum.

Die Geschichte der Standortentscheidung in Niedersachsen hat viele Teilnehmer staunen lassen. Mitte der Siebziger Jahre waren in Niedersachsen drei Standorte im Emsland und in der Heide benannt worden. Dass dann nach halbherziger Erkundung und heftigem lokalen Widerstand an diesen Orten überraschend Gorleben gewählt wurde, das stimmt nur bedingt. Denn verborgen vor der Öffentlichkeit hatte die Landesregierung Gorleben länger im Korb. Allerdings war zu der damaligen Zeit keineswegs die Qualität des Salzstockes entscheidend. Gesucht wurde ja nicht ein Standort für ein Endlager. Gesucht wurde der Standort für die bis dahin größte geplante atomare Industrieanlage in der BRD. Im Rahmen des Nuklearen Entsorgungszentrums (NEZ), das auch gern als "Entsorgungspark" bezeichnet wurde, war das Endlager nur ein Teil. Dominant war die Wiederaufarbeitungsanlage. Damit sollte Geld verdient werden in Niedersachsen. Nicht die Qualität der Salzstöcke in der norddeutschen Tiefebene hatte das Land veranlasst, sich als Atommüll-Standort zu bewerben. Antrieb für das Land war der Wunsch nach wirtschaftlicher Entwicklung. Typisch für die Unehrlichkeit der Politik zur Geschichte Gorlebens ist, dass große Teile der Akten aus der Zeit der Entscheidung bis heute verschlossen gehalten werden. So bleiben auch die Argumente der Bundesregierung unter Helmut Schmidt noch 30 Jahre später geheim. Schmidt soll gegen Gorleben gewesen sein, wegen der Nähe zur Grenze zwischen Ost und West und den großen Spannungen des Kalten Krieges.

Berichte aus europäischen Nachbarländern über den Verlauf der Endlagersuche fanden in Berlin großes Interesse. Vergleicht man die Deutsche Endlagerdebatte mit den Entwicklungen in Frankreich, England und der Schweiz, dann fällt eines auf: In den drei anderen Ländern, und das kann auch noch für weitere Staaten dargestellt werden, hat es nach der Konfrontation in den Siebziger und Achtziger Jahren eine Analyse der Fehler bei der Standortauswahl gegeben. Und nach dem Eingeständnis der Fehler hat die Politik neue Verfahren vorgeschlagen, in denen von vornherein Transparenz und demokratische Beteiligung neben den Eignungsanforderungen eine große und zentrale Rolle gespielt haben. Deutschland ist im Gegensatz zu diesen Ländern nicht in der Lage, Fehler und Probleme einzugestehen. In Deutschland nimmt die Mehrheit der Politiker und die Atomindustrie lieber das Risiko in Kauf, dass der radioaktive Müll in ein ungeeignetes Lager gebracht wird, als aus den Fehlern und falschen Bewertungen der Siebziger Jahre Konsequenzen zu ziehen. Wer heute noch den systematischen Eignungsvergleich von Geologien und Standorten verweigert, der zeigt, dass er nicht verstanden hat, wie groß und schwierig die Aufgabe der Endlagerung ist, vor der heute alle Länder stehen, die Atomkraft nutzen. Eine überzeugende Lösung ist noch in keinem dieser Länder verwirklicht.

Die Vorstellung und die Kritik des Entwurfes für neue Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung, der im Bundesumweltministerium erarbeitet wurde, stand am Schluss der Veranstaltung. Weitgehend unumstritten ist, dass diese neuen Anforderungen unbedingt gebraucht werden. Aus der Sicht der kritischen Wissenschaft wurde deutlich, dass es einen wesentlichen Punkt im Entwurf gibt, der eine Verbesserung bedeutet: Die Einführung des Einschlusswirksamen Gebirgsbereiches (EWG). Die Langzeitsicherheit eines Endlagers soll bewertet werden an der Qualität des Gebirges zur Isolation und zum Einschluss der Abfälle, sei es Salz, Ton oder Granit. Das ist gut vorgelegt vom BMU. Leider wird diese Idee dann nicht konsequent weitergeführt. Und schon die Bedeutung des Neben- und Deckgebirges im Zusammenspiel mit dem EWG ist im Entwurf nicht gut. Kritisiert wurde auch, dass der Katalog der Sicherheitsanforderungen nicht verbunden ist mit den Kriterien für ein Auswahl- und Suchverfahren für einen geeigneten Endlagerstandort. Jetzt muss die in Berlin begonnene Diskussion des Entwurfes konsequent weiter geführt werden. Die erklärte Bereitschaft zur Partizipation muss sich daran beweisen.

"Zurück auf los" muss und darf nicht bedeuten "zurück in die Siebziger". In Berlin kristallisierte sich meiner Meinung nach heraus, dass wir in Deutschland unbedingt an den Empfehlungen, die der AK End der Bundesregierung 2002 nach intensiver Beratung und vielen Konsultationen von Zivilgesellschaft und Politik gegeben hat, wieder ansetzen müssen. Ein geeignetes Endlager kann nur im Vergleich und nur nach demokratischen Spielregeln gefunden werden. Die Schweiz hat während des Symposiums in Berlin so viel Aufmerksamkeit gefunden, weil dort die Ergebnisse des AK End zur Zeit weitgehend umgesetzt werden.

Die Rolle von Gorleben in einer vergleichenden Suche wurde in Berlin auch diskutiert. Meine Position ist, dass wegen des schlechten, nicht akzeptablen und undemokratischen Auswahlverfahrens und wegen der Schwächen des Deckgebirges und des Kontaktes zum Grundwasser, der Salzstock Gorleben als Atommüllendlager ungeeignet ist. Sollte eine neue vergleichende Suche davon abhängig gemacht werden, dass Gorleben dabei ist, und es sonst gar keine Suche gäbe, dann würde ich sogar der Einbeziehung Gorlebens in einen Vergleich zustimmen. Aber bis ein solcher Vergleich systematisch stattfinden kann, müssen andere Geologien als Salz und mehrere Standorte erst einmal mindestens so weit erkundet und bewertet werden wie Gorleben. Dafür ist noch nicht einmal der Ausbau eines Bergwerkes wie im Salzstock Gorleben notwendig. Aber bis diese Voraussetzungen für einen echten Vergleich geschaffen sind, muss es auch beim Moratorium in Gorleben bleiben.

Der Ausstieg aus der Atomenergie ist während des Symposiums immer wieder angesprochen worden. Der Ausstieg ist für die Akzeptanz, für die Bereitschaft, dass sich Bürger auf Vorschläge für Suche und Erkundung nach einem geeigneten Endlager überhaupt einlassen, eine wichtige Rahmenbedingung. Nicht nur in Berlin wurde das deutlich. Auch bei allen meinen Besuchen in den letzten Jahren in der Schweiz ist das ein Thema gewesen. Die Ankündigung der Schweizer Regierung, den Wiedereinstieg in die Atomenergie durch Entfristung der Laufzeiten und durch Neubau zu unterstützen, belastet den neuen Anlauf für die Endlagersuche erheblich. Und der gewünschte Dialog zur Endlagerung wird dadurch ins Stocken gebracht.

Die Asse sollte kein Thema des Symposiums sein. Allerdings wurde diese absurde Regieanweisung nicht durchgehalten. Angesichts der alarmierenden Nachrichten der letzten Monate ist das auch gut so. Nach allem, was inzwischen einer breiten Öffentlichkeit über die unhaltbaren Zustände in diesem "Versuchsendlager" bekannt ist, hätte ich ein Signal der Nachdenklichkeit oder Selbstkritik erwartet. Von Wissenschaftlern und Vertretern der Institute oder Landesämter, die in Berlin waren und in einer kontinuierlichen Verantwortung für die Asse, für Konrad oder Gorleben stehen. Die Wissenschaftler, Forscher oder Beamte können doch nicht wirklich ohne Zweifel oder Bewusstsein von Fehlern sein. Dazu ist die Aufgabe und die Verantwortung zu groß, die bei denen liegt, die für die weiteren Entscheidungen über die Endlagerung mit ihrer Tätigkeit in Wissenschaft, Wirtschaft oder Verwaltung und Politik Verantwortung tragen. Fehler können - wie die Asse zeigt - katastrophale Folgen haben. Ob es noch kommt, das öffentliche Nachdenken über Versäumnisse und Fehler? Für Vertrauen in dem eingeforderten Dialog wäre es eine eigentlich unverzichtbare Voraussetzung.


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Zum neuen Jahr: VERBOHRT

Bundespräsi Hotte Köhler (ehemals IWF-Präsi und verantwortlich für die globalen Geldgeschäfte der Weltgemeinschaft - mit den bekannten Folgen) und Angie Merkel (ehemals Bundesumweltministerin und verantwortlich für das Morsleben-Desaster) geben moralisch individualisierende Durchhalteparolen aus, als hätten die Bürger ein Recht darauf. Deshalb soll es den beiden Vorsitzenden unserer Bürgerinitiative nur recht und billig sein, auch besinnliche und mahnende Worte zum Jahreswechsel an die über 900 Mitglieder der seit 31 Jahren aktiven Bewegung zu richten.

Es beginnt natürlich mit einem Rückblick:

"Zu links, zu leise, zu viel ASSE und zu wenig Gorleben, zu viel Prekariat" waren etwas übertrieben formuliert die Vorwürfe einiger, allerdings schwergewichtiger Kritiker. Als Ergebnis mussten die Vorstandswahlen auf den Mai verschoben werden: der alte Vorstand wurde wiedergewählt und erweiterte sich um 4 Menschen. Der bislang einzige Ehrenvorsitz der BI fiel der unglücklichen Auslegung eines Zitates zum Opfer.

Die Forderung des Orakels von Delphi - Erkenne Dich selbst - die philosophiegeschichtlich als Basis von Wahrheit und Erkenntnis dienen sollte und leider in unserer Zeit psychologisierend zur individuellen Nabelschau verkommen ist, sollte ersetzt werden durch die Forderung aus der jüdischen Philosophietradition: -Erinnere Dich ! Beeindruckt, aber in der Sache unbeirrt, nahm der Vorstand seine Arbeit auf.

Es folgten endlose Gespräche, Sitzungen, Telefonate und Treffen, Interviews, Veranstaltungen usf., bis im Juni 2008 der Cäsium 137-Deckel von der ASSE flog.

Wir erinnern uns:

• Der Bund kauft Mitte der 60er Jahre ein stillgelegtes Salz- & Kalibergwerk, um für Gorleben das Verhalten hochradioaktiver Stoffe in Salz zu testen, die ASSE II.

Unter der Hand (der gewaschenen) wird aus dem Forschungslabor mit Hilfe des "Gutachters" Prof. Dr. Klaus Kühn eine Endlagerkippe. Für 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll bedeutet das schnelle Ent- und für den Gutachter zum Dank lebenslange Ver-sorgung. Erst gestapelt, später verstürzt - nur die Fässer, leider. Und das alles natürlich nach Berg- statt Atomrecht. Da können nicht so viele dazwischenreden.

Obwohl die Bergwerke ASSE I & ASSE III in der Nachbarschaft schon vor Jahren abgesoffen und auch bei der ASSE II Grundwasserzuflüsse an der Tagesordnung waren formuliert Kühn den Unsatz des Jahres: " daß die Gefährdung durch Wasser- oder Laugeneinbrüche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sogar auszuschließen ist" (Kühn, K. 1967).

Unsere Veranstaltung in Dannenberg mit Prof. Werner Schneider und Udo Dettmann fand im Sommer mit über 100 Interessierten statt.

Wir erinnern uns:

• Der Salzstock in Gorleben wird ebenfalls nach Bergrecht (Begründung im Antrag: Auffinden von Bodenschätzen!) vom "Erkundungsbergwerk" zum fast fertigen Endlager ausgebaut. Die Befürchtung, damit millionenschwere Fakten ohne Genehmigung zu schaffen, wurde bei Baubeginn entrüstet von den Betreibern mit den Worten " das sei eben ihr Risiko" zurückgewiesen. Heute sagt Angie, sie will nicht noch mehr Geld ausgeben - Gorleben sei okay und "sie habe fertig".

Gutachter: Noch immer und mit demselben Satz - siehe oben - unglaublich !

Gorleben sei nicht die ASSE, heißt es nun. Nicht vergleichbar! Bei der Einlagerung in die ASSE waren die Löcher im Berg ja schon bis zu 60 Jahren drin. Gorleben dagegen ist brandneu (wie die DWK - genannt auch Die Waldbrandkatastophe). Wenn dort aber je eingelagert werden sollte (frühestens ab 2026 möglich), wie lange sind dann die Löcher dort schon drin?

Die Logik fehlt, aber nicht die Peinlichkeit: der Salstock sei "jungfräulich und nicht angebohrt" und "unverritzt" (der Gipshut)! Dass der Salzstock schon vor dem 1. Weltkrieg angebohrt wurde, dokumentierten Bohrkerne im Heimatmuseum Vietze. Warum diese wohl inzwischen verschwunden sind?

Verschwinden sollen offensichtlich auch für evt. spätere gerichtliche Auseinandersetzungen bestimmte Akten, aus denen hervorgeht, das Miniprä Albrecht Gorleben als Standort in letzter Sekunde aus einem Hut gezogen hat, den niemand zuvor auf hatte. Die Akten werden so manipuliert, dass Gorleben nun als strahlender Sieger aus einem hochwissenschaftlich, seriösen Suchverfahren hervorgeht. "Wes Brot ich ess', des Lied ich sing" gilt eben auch für Ministerialbeamte in Hannover.

Verschwunden ist übrigens auch seit Monaten ein für Strahlenmessung zuständiger Mitarbeiter der BLG. Ein Fall für einen weiteren Tatort. In unserem Statusseminar zu Fragen der Endlagerung im Juli in Lüchow lernten wir durch Wolfgang Neumann und Dr. Detlef Appel: ein Wasser abweisendes Deckgebirge als Teil eines Mehrbarrierensystems wird nun aus dem Kriterienkatalog ersatzlos gestrichen. Dass es in Gorleben keines gibt (sondern die Gorlebener Rinne), war ja erst seit gut 25 Jahren bekannt. Und bei der ASSE hat die Katastrophe bis zu ihrem Eintreten schließlich auch 40 Jahre gewartet. Für ca. 999.900 Jahre reicht nun in Zukunft eine einzige Barriere, nämlich allein das Salz als "einschlusswirksamer Gebirgsbereich" (ewG) ! Geplante Endlagerbehälter vom Typ Pollux entfallen, da diese nach spätestens 100 Jahren durchgerostet sind. Wieder wurde viel Geld gespart durch die Einwände kritischer Wissenschaftler. Aus hochradioaktivem Atommüll wird jetzt per Neusprech "Wärme entwickelnder Abfall" .

Im Sommer haben wir unsere Mobilität getestet. 4x mit Videoleinwand über die Dörfer war eher enttäuschend. 4x BI on tour - dem Castor auf der Spur, unsere Kaffefahrten mit WiderständlerInnen am Mikro, erlebten dagegen ca. 200 Menschen.

Beim Umzug aus dem BI-Büro in der Drawehner Straße in das neue BI-Haus in der Rosenstraße 20 flossen auch Tränen. Sie trockneten schnell und niemand will das neue Haus als BI-Büro und Treffpunkt heute missen. Viel Aufsehen erregte unser Endlager-Baustellen-Suchgerät in Hamburg anlässlich des Klimacamps und in Berlin anlässlich des Endlagergabriel-Symposiums im Oktober.

Mit drei großen Ratschlägen wurde die Castortransportphase vorbereitet.

Auf die bundesweite Kundgebung am 09.11.2008 in Gorleben dürfen wir alle auch (koketterweise) stolz sein.

Neue und alte Freundinnen und Freunde durften wir unter den 16.000 Menschen begrüßen; der Widerstand war wieder auferstanden - nein, nicht aus der Asche oder aus Trümmern, sondern aus einem Konsens-Koma.

Bäuerinnen, Gewerkschafter-, Politiker-, kritische Wissenschaftler - und heimlich viele PolizistInnen tanzten zur Musik von Madsen. Erstaunlich viel junges und altes Volk trieb sich auf Gleisen, Straßen, Wäldern, Plätzen und Küchen rum und ließ sich nicht von ihrem Versammlungs- und Demonstrationsrecht abschneiden. Es wurde der zeitlich und räumlich längste Castortransport mit den meisten Behältern, deren unerlaubt übermäßige Strahlung bis heute trotz Einschreiten des Landrates und des Kreisatomaussschuß nicht geklärt ist !!

Wir erinnern uns:

• An den vertraglichen Atomausstieg von 2000 zwischen Regierung und Atomwirtschaft. Diesem, wie es heute scheint, "Nonsens-Konsens" drohen neben der Atomlobby auch die CDU/CSU und die FDP mit einem "Ausstieg aus dem Ausstieg", und faseln etwas von weltweiter Renaissance.

Neue AKWs ohne Finanzierung durch Steuergelder sind ihnen zu teuer. Laufzeitverlängerungen dagegen versprechen satte Gewinne. Für jedes der eigentlich stillzulegenden Schrottreaktoren könnten die Betreiber pro Jahr 300 Millionen Euro Gewinn einstreichen.
Dreisatz: 7 AKW x 10 Jahre längere Laufzeit x EURuro 300.000.000 = EUR 21.000.000.000
Jährliche Zinsen zu 4 Prozent: EUR 840.000.000
Wieviel Politikern, hochrangigen Beamten und Medienvertretern kann man damit z.B. eine Kreuzfahrt auf der Queen Mary ( a EUR 8.000) sponsern? Wie man sieht, reicht für Überzeugungsarbeit hier schon die Portokasse aus.
Was macht eigentlich die Titanic?

Doch nun endlich der Blick zurück nach vorn:

4 Infoveranstaltungen mit wirklichen "ExpertInnen" bis zum Sommer sind in Planung:
- wir werden thematisch wieder sichtbarer bei der Kulturellen Landpartie, beim Kirchentag und dem Sozialforum.
- Rechtzeitig vor der Bundestagswahl im September gehen wir im Sommer mit einem Reisebus für 4 Wochen auf Deutschlandtournee (Freunde und Unterstützerinnen besuchen, Menschen informieren und politische Gegner erschrecken), mit viel "Erinnere Dich", aber auch mit "Helau und Alaaf" und unserem Endlager-Suchgerät.
- Die Propagandamaschinerie der Atom-Betreiber wird dieses Jahr auf Hochtouren laufen, damit die Menschen nicht die "Falschen" wählen. Trotz ihres durchsichtigen Lügengebäudes, so haltbar wie das marode Grubengebäude der Asse, müssen wir viel Aufklärungsarbeit leisten: von wegen Ökostrom, Klimaretter, billige, sichere Versorgung, Stromlücke, keine Gefährdung durch Emissionen, sichere Endlagerung usf. !
- Am 4. und 5. Februar werden wir uns an der Umzingelung der Wintertagung des Atomforums in Berlin und am 26. Februar an der Lichterkette von Braunschweig bis zum Schacht Konrad beteiligen. Für dieses zukunftsweichenstellende Jahr wünschen wir Euch Kraft und Ausdauer und bedanken uns für die unglaubliche Unterstützung, die wir von Euch erfahren haben.

Und wie Andreas Maier auf der Kundgebung gesagt hat: "Wir haben Bärte und können jonglieren", und wir weXseln alle zu Ökostrom !

Und wir steigen aus - sofort !

Gerhard Harder


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Achtung: Wahlen! - Ein Angebot

Das Jahr 2009 ist ein "Superwahljahr" - das weiß jeder, der nicht taub oder blind ist, denn wir hören und lesen es täglich dutzende Male in allen Medien. Was hat das aber mit Atomenergie zu tun, so dass es nun auch noch in der Gorleben Rundschau stehen muss? Leider sehr viel!

Verantwortungsbewusste Menschen fordern seit langer Zeit den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Verantwortungslose (leider aber sehr einflussreiche) Politiker (allen voran die Herren Glos, Oettinger, Koch und Wulff) reden seit Jahren ganz unverhohlen davon, dass man bei den diesjährigen Bundestagswahlen Mehrheiten erreichen müsse, mit denen der in der vorigen Wahlperiode beschlossene "Atomausstieg" rückgängig gemacht werden kann. Die Atomwirtschaft sekundiert ihnen dabei mit großformatigen Anzeigen in den Printmedien, mit geschickten Internet-Auftritten und mit kostenlos an alle Schulen verschicktem "Informations"-Material. Darin werden die Zuverlässigkeit, die Preisgünstigkeit und vor allem die Umweltfreundlichkeit unserer "sicheren" Atomkraftwerke in den schönsten Farben gepriesen.

Wie wirksam diese raffinierte Manipulation der Öffentlichen Meinung ist, machte mir eine Umfrage erschreckend deutlich. Z.B. glaubten siebenundsiebzig Prozent der von mir befragten mehr als tausend Personen (darunter ein hoher Anteil von Akademikern!!), in Deutschland würden keine Atomkraftwerke betrieben, sondern nur Kernkraftwerke, weil Kernkraftwerke sicherer, wirtschaftlicher und/oder umweltfreundlicher als Atomkraftwerke sind. Und nur allzu gern glaubt man den geschickten Medienberichten über die "zunehmend gewaltbereiten Demonstranten" entlang den CASTOR-Routen, die in ihrer ideologischen Verblendung zu unser aller Schaden die Transportkosten in die Höhe treiben.

Bei den diesjährigen Bundestagswahlen wird es also auch um den Atomausstieg gehen, und erstmals werden die Wähler/innen in dieser Frage mit zu entscheiden haben.

Unter diesen Umständen ist es besorgniserregend, wie gleichgültig SPD und GRÜNE dem Treiben der Atom-Lobby zusehen. SPD-Politiker meinen, es genüge, wenn Herr Gabriel von Zeit zu Zeit erklärt, man wolle am Atomausstieg festhalten (gleichzeitig aber den Weg für ein atomares Endlager in Gorleben ebnet), und GRÜNE Politiker meinen, über das Thema brauche man gar nicht mehr zu reden, weil doch sowieso jeder wisse, dass die GRÜNEN dagegen sind.

Nun ist der früher beschlossene "Atomausstieg" gewiss nicht der Weisheit letzter Schluss, und niemand, der sich in der Materie auskennt, kann sich damit zufrieden geben. Jetzt aber besteht die Gefahr, dass wir auch dieses Minimal-Ergebnis noch wieder verlieren! Deshalb genügt es nicht, wenn sich die Atomkraft-Gegner immer wieder gegenseitig in ihren Positionen bestärken und einander Mut zusprechen. Vielmehr ist es nötig, die Bevölkerung nüchtern und sachlich und auf der Grundlage unanfechtbarer Belege über die wahre Natur des Atomstroms zu informieren. Die Menschen müssen endlich erfahren, welchen Gefahren und Risiken sie ungefragt ausgesetzt wurden, wie unzulänglich die Katastrophenvorsorge ist, welche hohen Opfer an Gesundheit und Menschenleben der zum bergmännischen Abbau des zum Betrieb unserer Atomkraftwerke benötigten Urans alljährlich fordert, und wie wirksam ihnen durch raffinierte Sprachregelungen eine in Wahrheit nicht vorhandene Sicherheit vorgetäuscht wird. Kurz: Die Menschen müssen endlich erfahren, dass die Atomkraftgegner keine ideologisch verblendeten Spinner sind, sondern dass sie sehr handfeste und überzeugende Gründe haben.

Ulrich Uffrecht


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RWE Aktionswoche 2.-8.3.2009

Von den vier großen Energieversorgern betreibt RWE aktuell die aggressivste Atompolitik mit massiver Werbekampagne für den atomaren "Pro-Klima-Strom", dem Laufzeitverlängerungsantrag für Biblis A und der geplanten Beteiligung an so krassen AKW-Neubau-Plänen wie Belene in Bulgarien und Cernavoda in Rumänien, aber auch AKW-Plänen in Litauen und Wales.

Diese aggressive Atompolitik dürfen wir RWE nicht durchgehen lassen, denn wenn der Konzern sogar ein so umstrittenes AKW wie Belene bauen kann, wird er sich in seiner Geschäftspolitik bestätigt sehen und Belene wird zum Startschuss für eine Welle von AKW-Neubauten in Osteuropa.

Gleichzeitig gibt es gerade um die Belene-Beteiligung im RWE-Aufsichtsrat große Zweifel, die sich zum handfesten Machtkampf zwischen Großmann und dem Aufsichtsrat auswachsen. Damit besteht die Chance, diese Konflikte zu schüren und das Projekt bei RWE zu Fall zu bringen, um so RWE vor Augen zu führen, dass Atomkraft nach wie vor ein Imagekiller ist. Für die Umweltbewegung und Umweltorganisationen wäre dies ein wichtiger strategischer Erfolg mit Strahlwirkung auf andere Projekte und eine wie auch immer geartete künftige Bundesregierung.

Deshalb planen wir (bisher urgewald, ausgestrahlt und campact) eine bundesweite Aktionswoche vom 2.-8. März 2009 und rufen weitere Organisationen und Initiativen auf, sich zu beteiligen. In der Woche jährt sich das Erdbeben in Svistov, bei dem 1977 120 Menschen umgekommen sind und das nur 12 km vom Belene-Standort stattfand. In dieser Woche sollen in möglichst vielen Orten Proteste zum Thema Belene und RWE stattfinden. Bevorzugt vor RWE-Kundenzentren und RWE-Ablegern wie enviva oder Eprimo. Und wo sich gar keine RWE-Kundenzentren finden lassen, kann Protest auch vor der Allianz stattfinden, oder in Essen, Mülheim und Dortmund vor den Rathäusern. Denn dort sitzen überall RWE-Aufsichtsräte, die die Macht haben, Belene zu verhindern.

Die Proteste müssen nicht kompliziert sein: wenige Leute vor der RWE-/Allianz-Zentrale/ dem Rathaus mit Protestpostkarten, einem Flugblatt, einem Stromwechselaufruf für die Passanten und einem Brief an RWE/Allianz/Bürgermeister. Wir stellen Hintergrundinformationen, einen Aktionsleitfaden, Postkarten, Flugblätter und Briefe zur Verfügung. Damit der Protest breit wird und RWE wirklich weh tut, suchen wir noch weitere Organisationen, die sich an der Aktionswoche beteiligen und ihre Mitglieder zum mitmachen animieren. Wir freuen uns über zahlreiche Rückmeldungen.

www.urgewald.de
Büro 02583/1031.
Heffa Schücking / Regine Richter


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Impressum

Die Gorleben-Rundschau erscheint 10-12 mal jährlich und wird herausgegeben von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V..
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.
Für Neuerungen, produktive Anregungen und LeserInnenbriefe sind wir immer ansprechbar. Es ist erwünscht, eigene Texte zum Thema Atomkraft, Gorleben und erneuerbare Energien einzubringen; sie werden gerne veröffentlicht, sofern sie in den Kontext der Ausgabe passen.

Redaktion: H. Eckert, F. Althoff, W. Ehmke
Bildmaterial: Matthias von Hoff , Gorleben Frauen, B. Oehler
Mitarbeit: W. Ehmke, R. Kamm, D. Kluge, Gorleben Frauen, Urgewald, U. Uffrecht, G Harder
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Quelle:
Gorleben Rundschau Januar 2009 - Ausgabe 1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2009