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BILDUNG/362: "Schneckencamp" auf Hiddensee - Schüler für Evolution begeistern (VWS)


VolkswagenStiftung - Dienstag, 26. Mai 2009

Entdecke die Schnecke - oder: Hiddensee statt Galapagos

Auf zum Schneckenzählen: Schüler sind für eine Woche auf der Ostseeinsel im Rahmen des von der Stiftung geförderten "Evolution MegaLab"


Sie sind klein, sie sind bunt, und sie kommen fast überall in Europa vor - Bänderschnecken. Und sie sind Dr. Christian Antons beste Verbündete, wenn es darum geht, Schülerinnen und Schüler für die Evolutionslehre zu begeistern. "Diese kleine Schnecke ist ein Tier, mit dem jedes Kind schon einmal gespielt hat", erklärt der Biologe vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle. "Und sie wird seit Jahrzehnten erforscht".

Für eine Woche - vom 15. bis 19. Juni - verlegt Christian Anton nun sein Forschungsfeld auf die Insel Hiddensee. Mit auf Tour bei der Bänderschneckensuche: Schüler des Georg-Cantor-Gymnasiums in Halle/Saale. "Wir hoffen, mit diesem 'Schneckenkamp' insbesondere den Einfluss des Klimawandels auf die Bänderschnecken verstehen zu lernen", erklärt der Umweltforscher. Wie das? Nun, die Farbe des Gehäuses der Schnecke - es gibt sie in gelb, rot und verschiedenen Brauntönen - beeinflusst auch die Temperatur des Tieres. So werden dunkle Schnecken im Licht schneller warm als helle, weil das Gehäuse die Wärmestrahlung aufnimmt - man kennt das von schwarzen Stoffen oder Sitzen. "Anders gesagt: Die gelbe reflektiert die Wärme stärker", erläutert Anton. Je weiter man daher in Europa nach Norden kommt, desto mehr dunkle Schnecken findet man, während im Süden die hellen Typen dominieren.

Durch den Klimawandel steigen die Temperaturen. Hat bei den Schecken nun schon eine Anpassung stattgefunden? Sind also heute auf Hiddensee mehr gelbe Tiere zu finden als früher? Fragen, denen sich die Schüler stellen werden. Ein Vergleich zu früher ist dabei in der Tat möglich: Denn begonnen hat das Projekt eigentlich bereits vor mehr als sechzig Jahren, als ein Biologieprofessor aus Halle - Franz-Alfred Schilder - nach Hiddensee reiste, um die dort lebenden Bänderschnecken genau unter die Lupe zu nehmen. "Er hat rund 60.000 Schnecken vermessen und deren Farbtypen aufgezeichnet", erzählt Anton. Die Befunde von einst dienen den Schülern von heute nun als Vergleich.

Die Schüler lernen aber auch, dass Evolution nichts Fernes ist, sondern direkt vor ihrer Haustür stattfindet. Das Schneckenkamp auf Hiddensee ist dabei nur einer der Höhepunkte des Projekts "Evolution MegaLab", das europaweit angelegt ist und dessen deutsche Aktivitäten die VolkswagenStiftung mit 100.000 Euro fördert. Denn Menschen aus vielen Ländern sind derzeit dabei zu erfassen, an welchen Orten die Bänderschnecken in welchen Variationen vorkommen. Es sei der bislang europaweit wohl größte Versuch, die breite Öffentlichkeit an einer wissenschaftlichen Studie zu beteiligen, meint Anton.

Wer sich davon überzeugen will, sollte einmal beim "Evolution Megalab" reinschauen - und am besten gleich selbst mitmachen. Bis Herbst kann man sich unter www.evolutionmegalab.org als Teilnehmer anmelden. Aufgabe ist es, Schnecken zu suchen, deren wichtigste Merkmale - Farbe, Anzahl der Bänder und Ort des Fundes - zu notieren und auf der Website einzutragen (bitte die Schnecken danach wieder an den Fundort zurücksetzen). Gleich anschließend werden die Daten auf der Karte angezeigt. Nach und nach entsteht auf diese Weise ein europaweites Bild, das Evolution nachvollziehbar macht.

Auch die im Zuge des von der Stiftung geförderten Projektteils entsprechend aktiven deutschen Schülerinnen und Schüler sind auf diese Weise tätig. Dabei lernen sie nicht zuletzt, dass auch mehrere evolutive Prozesse ineinandergreifen können. Denn auf die Weichtiere wirkt neben der Temperatur noch von einer anderen Seite ein starker Selektionsdruck. So sind sie die Leibspeise der Singdrossel. Um nicht gefressen zu werden, sind sie in ihrem jeweiligen Lebensraum getarnt, und das geschieht neben der Gehäusefarbe vor allem über die Gehäusebänderung. Damit der Vogel die kleinen Schleimer nicht entdeckt, haben sich auf Wiesen lebende Schnecken bänderförmige Muster auf ihrem Haus zugelegt. Jene hingegen, die auf einfarbigem Grund leben - etwa auf Waldboden -, besitzen oft nur ein Band oder gar keins. Die Singdrossel ist heute hierzulande selten geworden. Falls nun das Verschwinden des Vogels dazu geführt hat, dass die Tarnung der Schnecken zunehmend überflüssig wird, müssten sich heute auf Wiesen mehr einfarbige Schecken finden lassen.

"Deutlich wird für die Schüler werden, dass es die kleinen Prozesse der Evolution sind, die die Vielfalt des Lebens hervorgebracht haben", hofft Anton.


Hintergrund

Das Vorhaben "Evolution Megalab" ist einer der Gewinner des Ideenwettbewerbs "Evolution heute" der VolkswagenStiftung, die dieses Projekt mit 100.000 Euro fördert. Ziel der Stiftung war es, das Darwinjahr 2009 zum Anlass zu nehmen, die Bedeutung der Evolutionsbiologie für unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche herauszustellen und das Thema einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen. Nicht zuletzt soll deutlich werden, wo Evolution in unserem Alltag eine Rolle spielt. Insgesamt konnten sich zwölf Aktivitäten durchsetzen, verteilt über ganz Deutschland.

Einen Terminkalender mit Infos zu den einzelnen laufenden Aktivitäten aller zwölf prämierten Projekte finden Sie unter www.volkswagenstiftung.de/darwinjahr.

Evolution Megalab Deutschland
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
Department Biozönoseforschung
www.evolutionmegalab.org


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Quelle:
Presseinformation, 26.05.2009
VolkswagenStiftung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: 0511 8381 - 380
Internet: www.volkswagenstiftung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2009