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BILDUNG/414: "Energy Autonomy - Die 4. Revolution ", ein Film von Carl A. Fechner (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 155 - April/Mai 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Nachhaltige Visionen
"Energy Autonomy - Die 4. Revolution", ein neuer Film von Carl A. Fechner

Von Angelika Nguyen


Ein Dorf in Mali. Auf dem Dach des Krankenhauses wird eine winzige Solaranlage installiert. Dieses Solarmodul, das Sonnenenergie direkt in elektrische Energie verwandelt, wird die Arbeit der Hebammen auf der Station entscheidend verändern. Sie müssen die Taschenlampen nie mehr zwischen Kopf und Schulter klemmen, während sie Müttern helfen, ihre Babys auf die Welt zu bringen. Diese Hütte in Mali hat fortan ihre eigene Stromquelle.

Damit ist sie sogar dem riesigen Energieversorgungsnetz einer Stadt wie Los Angeles überlegen. Die zentralen Energienetze, verdeutlicht der Film, machen abhängig von herkömmlichen Energiequellen, sind unflexibel und teuer. Autonomie durch Dezentralisierung ist für Regisseur Carl A. Fechner einer der wichtigsten Aspekte der Erzeugung erneuerbarer Energie. Er nennt das Demokratisierung des Energieverbrauchs.

Der Film "Energy Autonomy" beschwört eine Vision: die Menschheit befreit sich in den nächsten 30 Jahren von fossiler und atomarer Energieerzeugung, welche nachgewiesenermaßen umweltschädlich und gefährlich ist und nutzt fortan erneuerbare Energien wie Sonne, Wind, Laufwasser und Erdwärme. Ist das möglich? Diese zentrale Frage durchzieht den Film und plädiert leidenschaftlich für ein Ja.

Nicht zufällig sind die teils berühmten Protagonisten des Films auch Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit. "Mehr als zwei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Licht, zu einer Lampe bei sich zu Hause. Wir brauchen eine Institution, die über die Menschen nachdenkt, die das heutige Energiesystem vergessen hat." stellt Ibrahim Togola, Gründer und Chef des Mali Folke Centers Energiesysteme in den Dörfern Malis fest. Dabei sind ebenfalls Hermann Scheer, SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Weltrats Erneuerbare Energie, Muhammad Yunus, der berühmte Armen-Banker in Bangladesh und die nikaraguanische Regenwald-Aktivistin Bianca Jagger. Das Elitäre, Unbezahlbare, das nachhaltiger Energieerzeugung in den extrem zentralisierten Industrieländern immer noch anhaftet, will der Film ausräumen. Dafür spricht jenes Experiment in einem gewöhnlichen Mietshaus in Pfungstadt, das zu 80 Prozent von ALG-II-Empfängern bewohnt wird. Dort wurde eine Solaranlage installiert, welche zur drastischen Senkung der Betriebskosten führte, die immer mehr gegen Null gehen. "Erneuerbare Energien sind Energien für Arme," behauptet Carl A. Fechner.

Der Film ist auch unbequem. Er macht deutlich, dass die "4. Revolution", also der globale Übergang zu 100 Prozent erneuerbarer Energie, nicht von selbst geschehen wird. Die Verantwortlichkeit des Einzelnen wird betont. Zurücklehnen in den Kinosessel ist nicht. Der Film ist ein Appell an das Publikum. Saniert eure Häuser und eure Köpfe! Denn wenn ihr euch mit dem Thema beschäftigt, vor Kostenvoranschlägen, Behördengängen, Briefwechseln mit Vermietern nicht zurück schreckt, ist die Zukunft da.

Nicht alle haben Interesse daran. Hermann Scheer benennt klar die Gegner: "Erneuerbare Energien provozieren den Strukturwandel in der Energiewirtschaft." Die Energiebosse haben viel zu verlieren. Sie haben die Gewohnheit der Menschen auf ihrer Seite.

Das will der Film mit ändern helfen.

www.4-revolution.de


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"Solarenergie ist die Energie der Armen."

Interview mit Regisseur und Umweltjournalist Carl A. Fechner am 9. März


Was bedeutet die Bezeichnung "4. Revolution"?

Revolutionen sind ein Kulturgut der Menschheit. Die Franzosen pflegen ihre von 1789 genauso wie die Russen ihre Oktoberrevolution. Mit unserem Titel "Die 4. Revolution" meinen wir, dass es nach unserer Auswertung der Literatur drei entscheidende Revolutionen in der Geschichte gegeben hat. Die erste Revolution war die Erweiterung der menschlichen Arbeitskraft durch die Maschine. Die zweite die Agrarrevolution, die dritte Revolution war der Durchbruch der IT- Branche, die Erfindung des Internets. Nicht weniger bedeutsam wird die vierte Revolution, von der in unserem Film die Rede ist. Gemeint ist der Übergang herkömmlicher Energieerzeugung mit fossilen Brennstoffen und Atomenergie zu erneuerbaren Energien, die natürlich entstehen, wie Sonne, Wind, Laufwasser, Erdwärme. Wohlgemerkt wir meinen das nicht als Ergänzung zur herkömmlichen, umweltschädlichen Energieerzeugung, sondern deren vollständige Ablösung.

In Ihrem Film zeigen Sie, wie in Bangladesh und Mali Solaranlagen und Kleinstkredite Strom in die Hütten der Armen bringen. Wie ist es mit den Armen in Deutschland? Ist nachhaltiges Bauen in Deutschland bezahlbar?

Film zeigt es auch: Erneuerbare Energien sind Energien für Arme. Nach meiner tiefen Überzeugung ist Solarenergie die Lebensweise der Armen. Sie ist immer da, sie muss nicht gekauft werden.

Ihr dezentraler Einsatz zum Beispiel mittels kleiner Solaranlage auf dem Dach eines Bauernhauses in Mali macht die Bewohner dieser Hütte zu unabhängigen Energieproduzenten. Erneuerbare Energien bedeuten auch: Demokratisierung, Dezentralisierung der Erzeugung.

Das Geheimnis dieser Energie-Autonomie ist eine enorme Effizienz. In Deutschland setzt das kein Eigenheim voraus. Wohnen Leute in einem Mietshaus, kann man sich als Mieter mit dem Vermieter zusammen setzen und die demnächst anstehende Sanierung mal in Richtung Solarenergie denken. Das rechnet sich am Ende für alle. Der bewegliche Teil der Miete, also die ständig steigenden Betriebskosten, kann zum Stillstand kommen. Ohne Qualitätsverlust. Die Investition amortisiert sich nach sieben Jahren. Das Geld muss man natürlich erst mal haben, in dem Fall der Vermieter. Für normale Mieter, auch für Arbeitslosengeld-II- Empfänger, ist der Weg zu erneuerbaren Energien über Renovierungsarbeiten möglich. Abreißen oder renovieren ist die Grundfrage. In dem Mietshaus in Pfungstadt, das als Test diente, liegen die Mieten jetzt bei 1 Euro pro Quadratmeter. In Berlin- Schöneberg gibt es Beratungen, zweiwöchige Schulungen über Energieeffizienz mittels erneuerbarer Energien.

Apropos Effizienz: Es reicht übrigens auch schon, den eigenen Kühlschrank auf 2 bis 3 zu stellen und den Geschirrspüler an den warmen Wasserzulauf statt den kalten anzuschließen und schon spart man sich die Energie für das gesamte Erwärmen auf 65 Grad.

Danke für das Gespräch.

Das Gespräch führte Angelika Nguyen


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Solarmodul auf Bauernhaus in Bangladesh (Foto: Delphi Filmverleih)


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 155, April/Mai 2010, S. 20
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2010