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BODEN/155: Trockenheit und hohe Temperaturen machen Pflanzenschutzmittel giftiger für Bodentiere (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 11.09.2014

Trockenheit und hohe Temperaturen machen Pflanzenschutzmittel giftiger für Bodentiere



Wichtige Bodenorganismen reagieren sensibler auf marktgängige Pflanzenschutzmittel, wenn der Boden trocken ist und hohe Umgebungstemperaturen herrschen - beides Bedingungen, die in Deutschland künftig klimawandelbedingt häufiger auftreten könnten. Beide Faktoren senken sowohl einzeln als auch kombiniert deutlich den Schwellenwert, ab dem Fungizide für Springschwänze toxisch wirken. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiK-F), der Goethe-Universität und der ECT Oekotoxikologie GmbH. Die Studie wurde in der Septemberausgabe des Fachmagazins "Applied Soil Ecology" veröffentlicht.

Ein Springschwanz auf Erdboden - Foto: © C. Bandow

Springschwanzart Sinella curviseta
Foto: © C. Bandow

Springschwänze sind winzige, circa 10 mm große und für die Bodenökologie sehr wichtige Organismen, deren zahlreiche Arten, darunter auch Folsomia candida und Sinella curviseta, weitverbreitet sind. Sie sind Teil einer riesigen Schar von Bodenorganismen, die unter der Erde am Werk ist, um organisches Material zu zersetzen und Humus zu bilden. Schlechte Zeiten für Springschwänze sind daher schlechte Zeiten für die Bodenfruchtbarkeit.

Wie eine neue Studie zeigt, haben Springschwänze in trockenem Boden - also wenn die Bodenfeuchte nur 30% der Wasserhaltekapazität des Bodens beträgt - signifikant weniger Nachkommen. "Beide von uns untersuchte Arten - aber insbesondere Folsomia candida - könnten daher Schwierigkeiten haben, unter anhaltender Trockenheit genügend Nachkommen zu zeugen, um die Population stabil zu halten", so Cornelia Bandow, Ökologin der ECT Oekotoxikologie GmbH, die am Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) forscht.

Extreme Klimabedingungen verändern zudem die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln auf Bodenorganismen. "Eine besonders geringe Bodenfeuchte und hohe Umgebungstemperaturen führen dazu, dass der toxische Schwellenwert bei dem von uns untersuchten Fungizid Pyrimethanil signifikant niedriger ist." erläutert Cornelia Bandow.

Der toxische Schwellenwert bezieht sich in dieser Studie auf die Konzentration, bei der die Population um 50% geringer ist als im Vergleich zu einem unkontaminierten Boden. So lag der Schwellenwert bei Extrembedingungen von 26 Grad und 30% Bodenfeuchte um bis zu der Hälfte unter dem Schwellenwert, der bei Standardbedingungen von 20 Grad und 50% Bodenfeuchte bestimmt wurde.

Für das Experiment wurden 66 Bodenproben mit unterschiedlichen Konzentrationen des Breitband-Fungizides Pyrimethanil versetzt. Pyrimethanil wird bei Erdbeeren und Kernobst sowie im Weinbau zur Vorbeugung und Behandlung von Pilzerkrankungen eingesetzt. Um zukünftige klimatische Verhältnisse zu simulieren, wurde eine Testreihe bei 26 Grad angesetzt und zusätzlich eine Testreihe bei 20 Grad. Außerdem wurden unterschiedliche Mengen Wasser zugegeben, um verschiedene Bodenfeuchten zu testen. Nach rund einem Monat wurde gezählt, wie erfolgreich sich Springschwänze als Beispielbodenorganismen unter den unterschiedlichen Bedingungen fortgepflanzt haben.

Sind Chemikalien also grundsätzlich zu vermeiden um diese kleinen Helfer nicht zu schädigen? Soweit würden die Forschenden nicht gehen: "Die toxischen Schwellenwerte lagen bei Pyrimethanil weit über den Konzentrationen in der Umwelt, die bei korrekter Anwendung auftreten", so Bandow und ergänzt: "Ob die Sensitivität gegenüber einer Chemikalie durch Umweltbedingungen verändert wird und der Schwellenwert umweltrelevant wird, ist zudem art- und substanzspezifisch". Daher untersucht das Forscherteam anhand einer Vielzahl von Bodenorganismen auch etliche weitere Substanzen.

Publikation:
Bandow, Cornelia, Karau, Nora, Römbke, Jörg. Interactive effects of pyrimethanil, soil moisture and temperature on Folsomia candida and Sinella curviseta (Collembola). - Applied Soil Ecology, DOI: 10.1016/j.apsoil.2014.04.010

LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt am Main
Mit dem Ziel, anhand eines breit angelegten Methodenspektrums die komplexen Wechselwirkungen von Biodiversität und Klima zu entschlüsseln, wird das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) seit 2008 im Rahmen der hessischen Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und die Goethe Universität Frankfurt sowie weitere direkt eingebundene Partner kooperieren eng mit regionalen, nationalen und internationalen Akteuren aus Wissenschaft, Ressourcen- und Umweltmanagement, um Projektionen für die Zukunft zu entwickeln und wissenschaftlich gesicherte Empfehlungen für ein nachhaltiges Handeln zu geben. Mehr unter www.bik-f.de

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news602775
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution639

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Sabine Wendler, 11.09.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2014