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BUCH/593: Berliner Pflanzen - Das wilde Grün der Großstadt (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 153 - Dezember 2009 / Januar 2010
Die Berliner Umweltzeitung

UMWELTBIBLIOTHEK

Berliner Pflanzen
Das wilde Grün der Großstadt


Wir gehen oft achtlos an ihnen vorüber, nehmen bestenfalls die Blüte wahr. Wozu auch? Sind ja eh' nur alles Unkräuter - "Pflanzen weder zur Zierde noch zum Verzehr"...

Alles Unkräuter? - Heiderose Häsler und Iduna Wünschmann, zwei Journalistinnen mit grünem Herzen, wissen es besser. In 20 Kapiteln, auf 120 Seiten, sind sie dem wilden Grün im Herzen Berlins auf der Spur, nehmen uns mit auf ihre Streifzüge durch die Jahrhunderte, lesen quasi im "grünen Gedächtnis" der Stadt. Und sie fördern dabei Erstaunliches zu Tage!

Wir erfahren spannende Geschichten von der Nachtkerze zum Essen und der Wegwarte zum Trinken, vom Schöllkraut zum Heilen und dem Stechapfel zum Morden. Es gibt das Seifenkraut zum Waschen und die Osterluzei zum Kinderkriegen.

Multikulti unter den Berliner Pflanzen war bereits angesagt, als der Begriff noch gar nicht existierte - zum Beispiel die nordamerikanische Robinie, benannt nach ihrem französischen "Importeur" Jean Robin (1550 bis 1629) - oder das Indische Springkraut, das 1839 den Umweg über England nahm. Ganz zu schweigen von Rucola, dem beliebten italienischen Salat, der massenhaft in der Stadt wächst. Interessant sind auch die Einreisewege der Pflanzen. Einige wurden bewusst als Zier- oder Nutzpflanzen ins Land geholt, andere kamen als blinde Passagiere zusammen mit Waren und Saatgut.

Es gibt Alteingesessene unter den Pflanzen und Neubürger, auch solche, die mal nur kurz vorbeischauen. Von den über 2.000 wildwachsenden Pflanzen, die jemals in Berlin registriert wurden, haben sich rund 1.400 etabliert - etwa 15 Prozent sind unwiederbringlich verloren, fast ebenso viele (vor allem heimische) vom Aussterben bedroht. Doch Grund zur Panik besteht, laut den Autorinnen, kaum: "Nur etwas mehr als eine Handvoll der Neubürger macht wirklich Probleme", allen voran die Ambrosia.

Trotz des kleinen Formats ist das Buch optimal gestaltet. Jedes Kapitel beginnt mit einer wunderschönen Ganzseitengrafik. Im fortlaufenden Text erscheinen Detail- und Blütenfotos am äußeren Bildrand. Farblich abgesetzt zum botanischen Textteil schließen die Kapitel mit kurzen Einlassungen zur Stadthistorie, zu Begriffserklärungen und anderen pflanzenverwandten Themen.

So erfährt der Leser beispielsweise, dass Berlin 1565 mit seinen gerade einmal 12.000 Einwohnern knapp hundert Weinberge und -gärten besaß und dass es um 1870 acht sogenannte Kopfbahnhöfe gab. Auch was es mit der "Grünen Neune" auf sich hat oder warum wir heute den Rasen "sprengen" wird hier erklärt.

Kurz und gut: Dieses Buch ist nicht nur für Botaniker und Pflanzenfreunde eine interessante Lektüre, es sei auch allen Entdeckernaturen ans Herz gelegt, die sich den Sinn für die verborgenen Schönheiten des Alltags bewahrt haben.

Jörg Parsiegla


H. Häsler, I. Wünschmann
Berliner Pflanzen
Das wilde Grün der Großstadt
Edition Terra, Berlin/Potsdam, 2009
1. Auflage, 120 Seiten
14.80 Euro
ISBN 978-3-9812477-3-2


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Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 153, Dez. 2009 / Jan. 2010, S. 26
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2010