Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde - 28.09.2016
Gemeinsame Pressemitteilung:
Leibniz-WissenschaftsCampus Phosphorforschung Rostock
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde
Universität Rostock
Fokus Phosphor-Problematik: Internationale IPW8-Konferenz in Rostock zeigt Lösungen auf
Vom 12. bis 16. September 2016 fand in Rostock der 8. Internationale Phosphor-Workshop (IPW8) mit dem Titel "Phosphor 2020: Herausforderungen für Synthese, Landwirtschaft und Ökosysteme" statt. 230 Wissenschaftler aus aller Welt diskutierten mögliche Lösungen, die die aktuelle Forschung für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem begrenzt verfügbaren Rohstoff Phosphor anzubieten hat. Dabei gilt es, zum einen gravierende Umweltschäden wie Gewässerüberdüngung zu vermeiden und zum anderen die für die Welternährung essenzielle Phosphorversorgung durch nachhaltige Nutzung auch in Zukunft sicherzustellen.
Zu den wichtigsten Ergebnissen der Phosphorforschung der letzten Jahre zählen nach Auffassung der IPW8-Teilnehmer folgende Aspekte:
1. Phosphor-Düngung und Eintrag in Gewässer:
Auch die aktuellsten Forschungsergebnisse belegen, dass nach wie vor
zu große Mengen Phosphor in die Gewässer gelangen. In Richtlinien
verbindlich festgelegte Gewässerschutzziele werden daher nicht
erreicht. Als wichtige Ursachen hierfür identifizierten die Forscher,
dass Phosphor in der intensiven Landwirtschaft immer noch zu
ineffizient eingesetzt wird und die traditionellen Tests der
landwirtschaftlichen Bodenuntersuchung auf pflanzenverfügbaren
Phosphor das Austragsrisiko von Phosphor nicht adäquat anzeigen
können. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass etablierte
Gewässerschutzmaßnahmen (z.B. reduzierte Düngung) mitunter in den
Gewässern noch keine Erfolge zeigen, weil es lange Verzögerungszeiten
gibt, bis der Phosphor aus den Böden in die Gewässer gelangt. Auch
zeigte sich, dass durch Klimawandel bedingte häufigere
Extremniederschläge die Mobilisierung und Auswaschung von Phosphor
fördern.
2. Verbesserung der Untersuchungsmethoden:
In den letzten Jahren konnten zahlreiche Analysemethoden so verfeinert
werden, dass nun eine Vielzahl von Phosphorverbindungen,
beispielsweise der Unkrautvernichter Glyphosat, in der Umwelt
nachgewiesen und ihre Umsetzung nachvollzogen werden können. In der
Forschung werden bereits sehr anspruchsvolle spektroskopische
Methoden, Isotopentechniken sowie auch Teilchenbeschleuniger für viele
Fragestellungen eingesetzt, um Phosphor-Verbindungen und -umsetzungen
mit größter Detailliertheit zu erforschen.
3. Phosphor-Recycling und -Synthese:
Erstmals wurden im Rahmen eines IPW verschiedene Technologien für
Phosphor-Recycling und chemische Katalyse mit Phosphorverbindungen als
zukunftsweisende Strategie für einen nachhaltigen Umgang mit Phosphor
diskutiert. Dabei wurden sowohl grundlegende neue Reaktionswege und
Verbindungen als auch eine Vielzahl anwendungsreifer Technologien
vorgestellt, die insbesondere auf die Phosphor-Rückgewinnung aus
Klärschlämmen, Schlachtabfällen oder Gärresten aus Biogasanlagen
abzielen.
4. Forschungsansatz Genetik:
Da die genetischen Grundlagen der Phosphornutzung durch
Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere zunehmend besser verstanden sind,
eröffnen sich neue Möglichkeiten, Prozesse rings um die
Phosphoraufnahme, -nutzung und -ausscheidung zu optimieren. Beispiele
sind die Identifizierung von Genvarianten für die Züchtungen von
Schweinen, die Phosphor im Futter effektiver verwerten können, oder
neue Futterergänzungsmittel und Fütterungsregime, die die
Verdaulichkeit und Verwertung von Phosphor-Verbindungen durch Tiere
verbessern.
Als wichtigsten Forschungs- und Handlungsbedarf arbeiteten die IPW8-Teilnehmer folgende Aspekte heraus:
1. System-Zusammenhänge konsequent erforschen:
Bislang ist zu wenig darüber bekannt, welche Gemeinsamkeiten und
Unterschiede Phosphor-Umsetzungsprozesse in verschiedenen
Umweltsystemen - etwa im Wasser oder auf dem Land - aufweisen und wie
sie mit anderen Stoffkreisläufen - etwa Kohlenstoff und Stickstoff -
im gesamten Erdsystem gekoppelt sind. Zudem gibt es kaum integrierte
Forschung, die Zusammenhänge zwischen Phosphor-Umsetzungen auf
unterschiedlichen Größenskalen betrachtet, angefangen bei einzelnen
Zellen über Organismen bis hin zu ganzen Ökosystemen. Dies ist aber
wichtig, da die meisten Vorgänge in Ökosystemen miteinander gekoppelt
sind und daher auch nur durch einen ganzheitlichen Ansatz richtig
verstanden werden.
2. Innovative Technik konsequent in die Anwendung
überführen:
Sowohl im Bereich der Phosphorrückgewinnung als auch bei den
Untersuchungsmethoden zum Nachweis pflanzenverfügbaren Phosphors in
Ackerböden, die eine wichtige Voraussetzung für effizienten
Düngemitteleinsatz sind, wurden große wissenschaftliche und
technologische Fortschritte erzielt. Dennoch mangelt es bisher an
einer breiten Anwendungspraxis dieser Technologien. Die Gründe dafür
sind sehr unterschiedlich: Entweder fehlt noch die praxisorientierte
Anwendungsreife oder es gibt gesetzliche Hindernisse wie Richtlinien
und Verordnungen, die keinen Raum für die Anwendung bestimmter
Verfahren bieten. Probleme liegen zum Teil in unklaren politischen
Rahmenbedingungen begründet, wie z. B. der Novellierung der
Klärschlammverordnung in Deutschland und Anforderungen an
Recyclingdünger europaweit. Hier sehen die IPW8-Forscher sowohl
Handlungsbedarf in der Forschung als auch in der Politik.
3. Problembewusstsein und Umdenken konsequent fördern:
Eine für die IPW neue Sichtweise war die Einbeziehung der ethischen,
umweltrechtlichen und umweltpolitischen Aspekte beim Einsatz von
Phosphor. Verschiedene Aspekte, wie die Vorteile einer ausgewogenen
Ernährung vor dem Hintergrund der Phosphorverfügbarkeit und -belastung
oder die Möglichkeit, durch Anreize oder Verbote effektiv den
Phosphor-Einsatz zu steuern, wurden auf der Konferenz lebhaft
diskutiert. Es wurde deutlich, dass die bisher fast ausschließlich
betriebenen natur- und agrarwissenschaftlichen Forschungsansätze durch
entsprechende gesellschaftswissenschaftliche Ansätze ergänzt werden
müssen, um eine nachhaltige Nutzung und Wiedergewinnung der Ressource
Phosphor bei schonendem Umgang mit der Umwelt tatsächlich in
akzeptierte Praxis umzusetzen.
Fazit:
Die Teilnehmer waren sich darin einig, dass nur eine Vielzahl von
Einzelmaßnahmen "im Konzert", wie züchterische Fortschritte,
verbesserte landwirtschaftliche Untersuchungs- und
Bewirtschaftungsmaßnahmen, neue Techniken und Technologien der
Phosphor-Ersparnis und -Rückgewinnung, ein gesellschaftlicher Normen-
und Bewusstseinswandel des Konsumverhaltens und flankierende
politische Maßnahmen gemeinsam die Phosphor-Problematik lösen können.
Hierzu ist auch die Entwicklung von neuen akademischen Strukturen
notwendig, wie z. B. Leibniz-WissenschaftsCampi, die Transfer von
Technologie, Methodik und Ideen unterstützen.
Der Internationale Phosphor-Workshop (IPW) findet alle drei Jahre in wechselnden europäischen Ländern statt und gehört zu den wichtigsten Veranstaltungen auf dem Gebiet der Phosphorforschung in Europa. In diesem Jahr war zum ersten Mal Deutschland der Gastgeber und konnte eine Rekordteilnehmerzahl willkommen heißen. Veranstalter war der Leibniz-WissenschaftsCampus Phosphorforschung Rostock, ein Zusammenschluss von fünf Leibniz-Instituten und der Universität Rostock.
Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news659943
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution480
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, Dr. Kristin Beck, 28.09.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2016
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