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FINANZEN/191: CO2-basierte Kfz-Steuer - eine Klimaschutzsteuer? (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Juni 2009

CO2-basierte Kfz-Steuer - eine Klimaschutzsteuer?

Von Prof. Dr. Erik Gawel


Nach jahrelangem Ringen wird die bundesdeutsche Kfz-Steuer zum 1. Juli 2009 für Neufahrzeuge auch am CO2-Ausstoß ausgerichtet. Zugleich erhält der Bund die Ertragshoheit für diese Steuer und kann damit künftig Mineralöl- und Kfz-Steuer gleichermaßen politisch gestalten, ohne dabei künftig Länderinteressen berücksichtigen zu müssen. Wird damit die Kfz-Steuer endlich zur Klimaschutzsteuer?


Automobilindustrie zufrieden

"Mit der jetzt erzielten Einigung bei der Kfz-Steuerreform ist der Weg frei für mehr Klimaschutz und eine Entlastung umweltfreundlicher kleiner und mittlerer Fahrzeuge.", jubelt der Verband der deutschen Automobilindustrie. Der Jubel ist verständlich, denn zunächst bleibt vieles beim Alten: Für den Altfahrzeugbestand ändert sich bis 2013 gar nichts, die CO2-Orientierung ist neben dem traditionellen Hubraum lediglich eine ergänzende Tarifkomponente, deren ausschließliche Geltung für Neuwagen durch umfangreiche Steuerbefreiungen gerade zum Laufzeitbeginn neutralisiert wird. Die neue Kfz-Steuer wird die Steuerlast für die Mehrzahl der zulassungsstärksten Modelle zunächst sogar senken. Und eine umweltpolitisch diskutierte CO2-Progression, die die deutschen Premium-Modelle getroffen hätte, wurde zugunsten eines linearen Tarifs nicht realisiert.


Klimaschutz hat Nachsehen

Dass der Klimaschutz durch verbrauchseffiziente Fahrzeugtechnik politisch keine Priorität hat, wird im übrigen auch daran deutlich, dass die im Zuge der Konjunkturmaßnahmen stimulierte schlagartige Verjüngung des Fahrzeugbestandes durch Neuwagenkäufe (Abwrackprämie, Kfz-Steuerbefreiungen) gänzlich ohne Klimakomponente auskommt; die Erfüllung der Euro-Abgasnormen genügt. Umwelt- und Konjunkturpolitik standen hier im Widerstreit, denn niedrige spezifische CO2-Emissions-Anforderungen für die Förderungsmaßnahmen hätten die Nachfrage wohl noch stärker an den Premium-Produkten aus deutscher Fertigung vorbeigelenkt. Die potenziellen Klimaschutzeffekte einer auf Verbrauchseffizienz zielenden Kfz-Steuer werden so einstweilen zwischen konjunktur- und industriepolitischen Zielen zerrieben. Gerade beim aktuellen Erneuerungsschub im Fahrzeugbestand durch die Konjunkturprogramme wurden klimapolitisch Chancen vertan. Fiskalische Interessen an der mit 8,9 Milliarden Euro (2007) immerhin aufkommensstärksten Länder-Steuer vereitelten eine reine CO2-Orientierung: Diese hätte bei weiterem Effizienzfortschritt in der Antriebstechnik unweigerlich zur Erosion der Steuerquelle geführt.

Das Ziel, den Kohlendioxidausstoß von Kraftfahrzeugen zu verringern, ist ein wichtiger Bestandteil des EU-Ziels, den Treibhausgassaustoß bis 2020 um 20 Prozent zu senken. Dazu wurden verbindliche CO2-Grenzwerte für neu zugelassene Fahrzeuge im Rahmen des "EU-Klimapakets" geschaffen. Auf nationaler Ebene soll nun auch die CO2-Komponente der deutschen Kfz-Steuer dazu beitragen. Emissionen im Verkehr entstehen praktisch ausschließlich im Fahrzeugbetrieb; insoweit setzt eine Steuer auf das bloße Halten von Kfz keine angemessenen emissionsbezogenen Signale. Die vielfach geforderte Umlage auf die verbrauchs- und damit emissionsbezogene Mineralölsteuer erforderte indes sehr hohe Steuersätze. So geriet die bereits 1997 zur Schadstoffsteuer umgestaltete Kfz-Steuer im Zuge der Klimadebatte unter Druck, auch den spezifischen Verbrauch und damit die CO2-Emission zu berücksichtigen.


Bescheidene Bilanz

Die bisherige Abgasorientierung der Steuer wurde zugunsten der CO2-Komponente aufgegeben. Auch wenn sich die zu erwartenden klimapolitischen Lenkungseffekte der Reform eher bescheiden ausnehmen, ist zumindest ein Einstieg in ein neues Besteuerungssystem gelungen, das künftig stärkere Lenkungsimpulse zu verbrauchsarmen Fahrzeugflotten geben könnte. Nennenswerte Anreize zur Verbreitung effizienter Fahrzeuge im Fahrzeugbestand können wegen der gleichzeitigen Steuerbefreiungen für Neuwagen und unveränderte Bedingungen für Altfahrzeuge derzeit jedoch gerade nicht gesetzt werden.

Prof. Dr. Erik Gawel ist stellvertretender Leiter des Departments Ökonomie und Direktor des Instituts für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Finanzwissenschaft sowie die Umwelt- und Institutionenökonomik.

Telefon: 0341/2365-1940
e-mail: erik.gawel@ufz.de


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WISSENSWERTES

Der neue Kfz-Steuer-Tarif (Neuzulassungen ab 1.7.2009)

Komponente 1: CO2-abhängige Besteuerung im Rahmen eines linearen Tarifs (2 Euro je g CO2/km) oberhalb eines nicht besteuerten Sockels von 120 g/km (ab 1.7.2009). Der Sockelwert wird schrittweise verschärft: 110 g/km (ab 1.1.2012), 95 g/km (ab 1.1.2014);

Komponente 2: Hubraumabhängiger Betrag von 2 Euro je angefangene 100 ccm (Benziner) bzw. 9,50 Euro (Diesel).

Ausnahmen: Steuerbefreiung für Diesel mit Euro6. Befristete Steuerbefreiungen für Euro4-6 (max. 2 Jahre, Zulassung bis 30.6.2009). Diesel-Pkw ohne Partikelfilter erhalten (wie bisher) einen Steuermalus von 1,20 Euro je 100 ccm Hubraum (bis 31.3.2011).


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Quelle:
UFZ-Newsletter Juni 2009
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2009