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LUFT/394: Umweltzone und Feinstaubaktion (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 100/1.09
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

verkehr
Umweltzone und Feinstaubaktion

Von Werner Berendt, Bremen


Die EU hat längst beschlossen, dass die Luft in unseren Städten besser werden muss. Doch viele Kommunen sind offensichtlich nicht bereit, wirksame Maßnahmen gegen den gefährliche Feinstaub zu ergreifen. Da die mediale Aufmerksamkeit dafür immer mehr schwindet, ist es an der Zeit, den Druck auf die Städte deutlich zu erhöhen!

Bereits seit vier Jahren verbietet die EU-Feinstaubrichtlinie die Überschreitung des Feinstaubgrenzwertes von 50 Mikrogramm im Tagesmittel an mehr als 35 Tagen pro Jahr. Zahlreiche Städte verstoßen alljährlich dagegen, können oder wollen keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergreifen.

Der Handlungsbedarf ist angesichts der Zahlen der Weltgesundheitsorganisation weitgehend unbestritten: Ihre Untersuchungen ergaben, dass Feinstäube die durchschnittliche Lebenserwartung in der Europäischen Union im Mittel um 8,6 Monate verkürzen, in Deutschland sind es sogar 10,2 Monate. Im Jahr 2008 wurde der Feinstaubgrenzwert an 60 Messstellen in 35 Städten und 12 Bundesländern überschritten. Krefeld führte die Statistik mit 74 Tagen an, gefolgt von Stuttgart mit 69 und Essen mit 67 Überschreitungen.

Welchen Anteil der Verkehr an der Feinstaubbelastung hat, ist dagegen äußerst umstritten - es kursieren Zahlen zwischen 5 und 50%. Eine Hochrechnung aufgrund der verkauften Spritmengen und durchschnittlicher Emissionswerte greift viel zu kurz.

Denn zum direkten Feinstaubausstoß der Kraftfahrzeuge kommen noch Bremsbelag-, Reifen- und Straßenabrieb, die Emissionen der gesamten Produktionskette inklusive der Energieerzeugung, Kraftstoffgewinnung und -aufarbeitung. Es werden also Jahre vergehen, bis Einigkeit hergestellt werden kann - sofern das überhaupt möglich ist, da die Autoindustrie natürlich ein existenzielles Interesse daran hat, ihren Anteil möglichst klein zu rechnen. Schon deshalb hatten Klagen mit dem Ziel von Verkehrsbeschränkungen trotz klarer Verstöße gegen die Feinstaubrichtlinie wenig Aussicht auf Erfolg. Um ihnen die Grundlage zu nehmen und dem wachsenden Unmut in der Bevölkerung etwas entgegenzusetzen, versuchten einige Kommunen dem Problem mit verstärkter Straßenreinigung und -befeuchtung beizukommen. Offensichtlich ohne Erfolg: Nachdem die erste Aufmerksamkeit abgeebbt war, wurden diese "Maßnahmen" sang- und klanglos eingestellt.


Umweltzonen

Die ursprüngliche Strategie vieler Betroffener und Umweltverbände, bei Grenzwertüberschreitungen kurzfristige Fahrverbote durchzusetzen, ist gescheitert. Diese Maßnahmen sind nicht nur bei fast allen AutofahrerInnen äußerst unpopulär, sondern auch praktisch kaum durchführbar, da die Feinstaubkonzentrationen stark vom Wetter abhängen und eine Voraussage bzw. -planung kaum möglich ist. Wesentlich aussichtsreicher erscheinen da sogenannte Umweltzonen, die von besonders schadstoffträchtigen Fahrzeugen generell nicht mehr befahren werden dürfen. Mittlerweile gibt es davon in Deutschland bereits 32.

Je nach Schadstoffausstoß werden motorisierte Fahrzeuge in 4 Klassen eingeteilt. Die Schlechteste bekommt keine Plakette, die Besseren in aufsteigender Reihenfolge eine rote, gelbe oder grüne Plakette. Bei der Einführung sind die Umweltzonen meist frei für Fahrzeuge mit allen Plaketten, im Laufe der folgenden Jahre werden sie dann nach und nach für rote und gelbe Plaketten gesperrt. Zahlreiche, zum Teil groteske Ausnahmeregelungen (z.B. für Werkstattbesuche, LKWs, etc.) und die Aussparung viel befahrener Straßen sind Zugeständnisse mit denen sich die Zustimmung der Autolobby, Industrie- und Handwerksverbände üblicherweise erkauft wird. Messbare Luftverbesserungen sind daher in der Anfangsphase nicht zu erwarten.

Aber wer die "freie Fahrt für freie Bürger" beschränken will, braucht einen langen Atem: Jahrelange Proteste und Aktionen gegen Sommersmog hatten nur eine Heraufsetzung der Ozongrenzwerte zur Folge. Erst der EU-Feinstaubgrenzwert, den wir in den 90er Jahren als reine Verzögerungstaktik geißelten, konnte das Tabu Fahrverbot knacken. Jetzt kommt es darauf an, die Einführung möglichst vieler Umweltzonen zu unterstützen und den Gegnern gute Argumente entgegenzusetzen. Wie nicht anders zu erwarten, verbreitete der ADAC zum Jahresende die "Nachricht", dass die bereits 2008 in Hannover eingeführte Umweltzone keine Verringerung der Feinstaubkonzentration bewirkt hätte. Unter den derzeitigen Randbedingungen ist das richtig und keineswegs überraschend.

Doch dank der erstaunlich hohen Akzeptanz der Umweltzonen bei den AutofahrerInnen bewegt sich jetzt etwas in Sachen Feinstaub. Angesichts ihrer Absatzprobleme scheint die Autoindustrie endlich gezwungen, spritsparende und schadstoffarme Autos anzubieten. Auch der Nutzfahrzeugabsatz dürfte von der Verbreitung der Umweltzonen profitieren.

Im zweiten Schritt kommt es darauf an, sie zu etablieren und auszuweiten. Klima- und Gesundheitsschutz gehen Hand in Hand und lassen sich nur mit weniger motorisiertem Verkehr erreichen. Da die Natur nicht zwischen Schadstoffen von Armen und Reichen unterscheidet, müssen Ausnahmeregelungen abgebaut und die Grenzwerte kontinuierlich verschärft werden. Soziale Härten können stattdessen mit speziellen ÖPNV- oder Car-Sharing-Angeboten abgefangen werden. Eine gezielte Förderung zum Umstieg auf schadstoffarme Monteursfahrzeuge für kleine Handwerksbetriebe ist auf Dauer besser und billiger für die Allgemeinheit als die jetzigen Ausnahmeregelungen. Im Transportgewerbe ist das nicht nötig, auch wenn dessen Lobby lautstark jammert: Dort werden die Fahrzeuge so intensiv genutzt, dass sie ohnehin nach wenigen Jahren durch neue ersetzt werden und dabei an die stufenweise steigenden Anforderungen der Umweltzonen angepasst werden können.

Diesen langwierigen Prozess zu begleiten und zu steuern bedarf mehr als punktueller spektakulärer Aktionen. Wir müssen Handlungsdruck erzeugen, indem wir unser Anliegen tagtäglich unübersehbar in die Öffentlichkeit bringen. Dazu brauchen wir die Unterstützung anderer Umweltverbände und interessierter und betroffener Mitmenschen.

Werner Berendt, Bremen,
Kontakt: bremen@robinwood.de

31.12.08: Stand der Feinstaubwerte,
www.env-it.de/luftdaten/pollutant.fwd?comp=PM1


Feinstaubaktion zum Mitmachen

Die Idee ist ganz einfach: Immer wenn ich mich als Fußgänger oder Radfahrer durch den Straßenverkehr bewege, setze ich eine Feinstaub-Schutzmaske auf und ziehe eine Warnweste mit dem Slogan "Feinstaub kann tödlich sein" über - im Stil der Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Diese Aktionsutensilien sollten zentral beschafft, bedruckt und zum Selbstkostenpreis an Interessierte abgegeben werden. Auch für die Staubmasken ist eine zentrale Beschaffung sinnvoll, da die Billigen aus dem Baumarkt nahezu wirkungslos sind und die professionellen, kleinen und leichten Einwegmasken der Schutzklasse "FFP3", die problemlos in jede Tasche passen, nicht überall erhältlich oder sehr teuer sind. Sie verringern die Feinstaubbelastung in der Atemluft der TrägerIn auf einem Bruchteil und liefern damit einen guten Grund, sich auch längerfristig an der Aktion zu beteiligen und etwas Aufwand und Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen.

Richtig wirksam wird diese Aktion dann, wenn tagtäglich zahlreiche Leute so maskiert im Straßenverkehr auftauchen und wenn wir in Gruppen bei passenden Lokalterminen oder sonstigen öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen auftauchen. Aber auch als Einzelner habe ich jede Menge Blicke geerntet, wie ich bei den ersten Pilotversuchen im letzten Spätsommer erfahren habe. Die beste Aktionszeit ist natürlich das Sommerhalbjahr, daher möchte ich alle Interessierten aufrufen, bereits jetzt Aktionen zu planen und sich bei mir zurückzumelden.


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 100/1.09, S. 22-23
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2009