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STADT/316: Mehr Natur in der Stadt! (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 1/2012
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

TITELTHEMA
Mehr Natur in der Stadt!

von Heidrun Heidecke und Ulrike Mehl



Wer in der Großstadt lebt, weiß es zu schätzen: die grünen Oasen der Ruhe, den Vogelgesang auf einer Brache im Frühjahr, den duftenden Kirschbaum am Straßenrand. Natur in der Stadt ist wichtig. Der BUND setzt sich auf vielerlei Wegen für ihren Schutz ein.

»Mehr Grün in Dorf und Stadt« - so lautete vor genau dreißig Jahren der Titel einer bundesweiten Kampagne des BUND. Ihr Ziel war es, möglichst viele Privatgärten und das öffentliche Grün natürlicher zu gestalten. Schon damals lebten etwa siebzig Prozent der Bevölkerung in Städten, Tendenz bis heute steigend -sehr viele von uns arbeiten, leben und erholen sich also in der Stadt. Seit dieser Kampagne engagieren sich zahlreiche BUND-Gruppen landauf und landab für den Schutz von Stadtnatur.
Auf welche Natur treffen wir hier? Auf öffentliche Parks, Grünanlagen und Friedhöfe ebenso wie auf alte Industriebrachen und Kleingärten. Zur Stadtnatur zählen auch begrünte Hinterhöfe, Dächer und Fassaden sowie Vorgärten und Straßenbäume.

Gepflegt bis verwildert

Parks und Grünanlagen haben Menschen für Menschen hergerichtet: Sie bieten vielfältige Möglichkeiten für Freizeit und Erholung. Die individuellen Bedürfnisse an Grünräume in der Stadt sind ganz verschieden. Hier wird gejoggt und spazieren gegangen, Boule gespielt und gepicknickt, ein Sonnenbad genommen oder der Hund ausgeführt. Auf den Grünflächen begegnet man sich, sie sind offen für Menschen jedes Alters, jedes Berufs und jeder Herkunft.
Brachen sind die verwilderten und vergessenen Ecken einer Stadt. Hier darf Natur ungeplant wachsen und gedeihen. Kinder finden Platz, um einmal ohne Aufsicht zu spielen, Höhlen zu bauen oder Rennschnecken gegeneinander antreten zu lassen. Aber auch Hundebesitzer ziehen ihre Gassi-Runden gerne über Brachen. Dagegen bedienen Kleingärten die Sehnsucht der Menschen nach Ruhe und dem »eigenen« Grün. Viele junge Familien nutzen Kleingärten wieder, um eigenes Obst und Gemüse anzubauen, ganz ohne chemische Keule.

Grün schafft Lebensqualität

Auch Straßenbäume gehören zur Natur der Städte. Knospen und Blüten, die Früchte und der Blätterfall -hier ist der Wandel der Natur im Jahreslauf direkt vorm Fenster erlebbar. Und nicht nur das: Straßenbäume verbessern das Kleinklima und mildern die »dicke Luft« in der Stadt. Ihre Blätter binden Staub und sondern Feuchtigkeit ab, nehmen Kohlendioxid auf und geben Sauerstoff frei. Stadtbäume bremsen außerdem den Wind und dämpfen den Schall.
Stadtnatur bietet den BewohnerInnen der Stadt also viel Lebensqualität. Sie dient als Ruhe- und Erholungsraum, als Luftfilter und Lärmschutz. In den Zeiten des Klimawandels kommt dem urbanen Grün eine weitere Bedeutung zu. Städte sind nämlich Wärmeinseln und Trockengebiete. Dieses Phänomen wird sich künftig verstärken, auf Kosten der Lebensqualität in der Stadt während der Sommermonate. Grün in der Stadt hilft, Hitzetage erträglicher zu machen. Nachts kühlen größere Parks und Grünflächen stärker aus. Dies lässt die Luft besser zirkulieren und versorgt angrenzende Quartiere mit frischer Luft.

Tiere als Nachbarn

Für Tiere und Pflanzen liefern Städte ein Mosaik unterschiedlichster Lebensräume. Ob die dicht bebaute Innenstadt, aufgelockerte Wohnviertel, die Gewerbegebiete oder der Stadtrand: Überall finden wir einen kleinräumigen Wechsel der Flächennutzung und damit eine Fülle ökologischer Nischen. Trotzdem weisen urbane Lebensräume - anders als manchmal behauptet wird - beinahe immer weniger Arten auf als natürlichere Lebensräume im Umland. Dies gilt für fast alle Tiergruppen, von Insekten und Kleintieren im Boden bis zu Vögeln und Säugetieren.
Stadttypische Vögel wie Mauersegler, Dohlen, Turmfalken und Haussperlinge wohnen schon seit Jahrhunderten in enger Nachbarschaft mit dem Menschen. Sie nutzen unsere Bauwerke zum Brüten. Durch systematische Sanierung und Wärmedämmung gehen heute viele ihrer Nistplätze verloren.
Aber auch andere Tiere haben die Stadt für sich entdeckt. Reichlich Futter und wenig Feinde (wozu auch die Jäger zählen) locken Wildkaninchen und Eichhörnchen, Fuchs und Steinmarder bis in die Stadtzentren. In großen Parkanlagen und auf Friedhöfen finden sich zuweilen auch Raritäten. So hat der seltene Juchtenkäfer im Schlosspark Stuttgart im Rahmen von Stuttgart 21 Berühmtheit erlangt. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg, dem größten Europas, brüten seit Jahren Uhus. Und in den Parks und Stadtwäldern Münchens leben Siebenschläfer und Haselmaus.

Ursprüngliche Natur und stark bedrohte Arten finden wir in der Stadt nur ausnahmsweise. Dennoch ist der Schutz der Natur in urbanen Lebensräumen von großer Bedeutung. Stadtnatur erfüllt viele ökologische und soziale Aufgaben. Sie sichert ein gesundes Stadtklima, bietet Erholung und Naturfahrung und hilft die biologische Vielfalt zu schützen. Der BUND hat sie ins Zentrum seiner diesjährigen Naturschutzarbeit gerückt.
Mehr Natur in der Stadt!

In städtischen Strukturen mit ihren grünen Oasen und den typischen Pflanzen und Tieren bewegen sich über drei Viertel der Deutschen täglich - auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen. Kein Wunder, dass über 70 Prozent der Befragten 2010 in einer Studie angaben, Natur hauptsächlich in Parks, Grünanlagen und Gärten zu erleben. Doch es gibt zu wenig Stadtnatur, zu wenig urbanes Grün. Dies räumt auch die Bundesregierung in ihrer Strategie zum Schutz der biologischen Vielfalt ein und fordert deshalb die Kommunen zum Handeln auf. Auch der BUND hat für den Naturschutz in der Stadt eine Reihe von Forderungen an die Kommunalpolitik formuliert.
So plädieren wir im Innerstädtischen dafür, die Bebauung nur zu verdichten, wenn wohnungsnahes Grün und genug Grünflächen erhalten bleiben. Wir setzen uns für neue Parkanlagen in unterversorgten Gebieten und eine Begrünung von Höfen und Dächern ein. Wo große Mietshäuser offenere Strukturen bilden, fordert der BUND Mietergärten zu schaffen und die Freiflächen zwischen den Blocks aufzuwerten. Für neue landschaftsfressende Einzelhäuser am Stadtrand sollte generell kein Baugrund mehr ausgewiesen werden.
Auch neue Gewerbeflächen fordern wir nur auf bereits genutztem Grund einzurichten, nicht mehr auf der »grünen Wiese«. Andererseits müssen auch große stadttypische Brachen für die biologische Vielfalt und die Naturerfahrung langfristig gesichert werden.
Für die Pflege und schonende Behandlung der Straßenbäume muss wieder mehr qualifiziertes Personal bereitstehen, an bislang baumlosen Straßen müssen neue Bäume gepflanzt werden. Außerdem fordern wir alle vorhandenen Kleingärten zu sichern, diese in Grünzüge einzubinden und mit öffentlichen Wegen besser zu erschließen. Eine Übersicht aller BUND-Forderungen für den städtischen Naturschutz finden Sie auf unserer Website - von der naturfreundlichen Außenbeleuchtung bis zur Umweltbildung.

Neuer Schwerpunkt

Zur Umsetzung dieser Ziele tragen unsere BUNDGruppen bereits vielfältig bei. Um noch mehr Erwachsene und Kinder für den Natur- und Umweltschutz zu gewinnen, wollen wir speziell in den Städten mehr Mitmachaktionen anbieten. Deshalb lenkt der BUND in diesem Jahr erneut den Blick auf die Bedeutung der Stadtnatur, wie schon Anfang der 80er Jahre.
Unser besonderes Augenmerk gilt den zahlreichen Initiativen und Aktionen unserer städtischen Gruppen. Allein in den Großstädten engagieren sich über 50 BUND-Gruppen für den Schutz der Gebäudebrüter, für Stadtbäume und begrünte Fassaden oder die Erhaltung wertvoller Brachen. Aktiv ist der BUND auch in neuen Formen des urbanen Gärtnerns, in Naturerfahrungsprojekten und vielem mehr (siehe Karte) (*)

Neuer Schwung

Wir wollen dieses Jahr unsere Erfahrungen aus bestehenden Projekte gezielt austauschen und viel Schwung für neue Projekte erzeugen. Im April und Oktober finden Fachgespräche zu Naturerfahrungsräumen und Urban-Gardening-Projekten statt (s. Folgeseiten). Die Bundesgeschäftsstelle wird zudem ein Paket mit Handreichungen, Info- und Umweltbildungsmaterial anbieten. Und Mitte Mai wird ein Wettbewerb auf Facebook und bund.net nach Ihren schönsten Fotos und Videos grüner Stadtoasen fragen.
Aber auch die Bundespolitik hat den Stadtnaturschutz auf ihre Agenda gerückt. So steht eine Novelle des Baugesetzbuches auf der Tagesordnung von Bundesregierung und Bundestag. Hier gilt es die Bedeutung der Stadtnatur zu stärken und nicht noch weiter den Interessen von Investoren zu opfern.
Leben auch Sie in der Stadt? Und möchten sich dieses Jahr für mehr Grün in Ihrer Nachbarschaft einsetzen? In unserem Aktionsnetzwerk Naturschutz finden Sie viele BUND-Projekte und Aktionen, vielleicht auch in Ihrer Nähe. Wir freuen uns über Ihre Unterstützung!

Ulrike Mehl (Foto unten) ist die stellvertretende Vorsitzende des BUND, Heidrun Heidecke (oben) koordiniert die Naturschutzprojekte des BUND.

Unsere Tipps, Anregungen und politischen Forderungen finden Sie unter www.bund.net/Stadtnatur

Mehr über die Aktionen und Projekte der BUND-Gruppen für den Schutz der Stadtnatur erfahren Sie in unserer Naturschutz-Datenbank unter www.bund.net/ANNA. Einen Überblick über alle unsere Aktivitäten im Naturschutz erhalten Sie unter www.bund.net/naturschutz. BUND-Naturschutzreferat, 030 / 2 75 86-4 95, heidrun.heidecke[at]bund.net / nicola.uhde[at]bund.net

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation: - Englischer Garten in München. - Selbstversorger im Prinzessinnengarten/Berlin. - Junge Uhus auf einem Grabstein im Ohlsdorfer Friedhof/HH. - Viele städtische BUND-Gruppen engagieren sich für neue und vitale Straßenbäume.

(*) Anmerkung der SB-Redaktion: siehe Originalpublikation

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Quelle:
BUNDmagazin 1/2012, Seite 12-15
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
Email: redaktion@bund.net
Internet: www.bund.net
 
Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2012