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SCHADSTOFFE/250: Rückständen auf der Spur - "Eine differenzierte Betrachtung ist notwendig" (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt

Rückständen auf der Spur

von Benjamin Haerdle



Es gibt Chemikalien, die schützen Pflanzen und Tiere, die der Mensch nutzen will, vor Krankheiten und Schädlingen. Dafür wurden sie entwickelt. Der Nachteil: Sie verschwinden selten ganz aus der Umwelt, sondern lassen sich in höchst unterschiedlichen Konzentrationen auch noch lange nach ihrem Gebrauch nachweisen: Zum Beispiel in Gewässern als Rückstand von im Stallmist oder Gülle verbliebenen Antibiotikaresten aus der Tierhaltung, im Boden als Reste von Pflanzenschutzmitteln aus der Landwirtschaft oder im Fleisch als Reste von Pharmazeutika bzw. Antibiotika, die multiresistente Keime erzeugen. Deshalb ist der Einsatz vieler Schädlingsbekämpfungsmittel wie etwa des Insektizids DDT oder des Herbizids Atrazin in Europa schon seit Jahren gesetzlich weitestgehend verboten. Das hatte gute Gründe: Zum einen blieben deren Rückstände im Boden erhalten, zum anderen bildeten sich daraus neue gefährliche Zwischenprodukte oder sie reicherten sich in der Natur über die Nahrungskette an. Mittlerweile erobern neue, sogenannte biodegradierbare Pestizide den Markt, die biologisch im Boden abgebaut werden können. Doch auch für diese gilt aus Vorsorgeerwägungen die Annahme, dass ein Risiko besteht, da sie teilweise Rückstände bilden und der Stoffumsatz noch nicht vollständig aufgeklärt ist, wie das beispielsweise für die Herbizide 2,4-D (2,4-Dichlorphenoxyessigsäure) oder MCPA (2-Methyl-4-chlorphenoxyessigsäure) der Fall ist. Deshalb will das Umweltbundesamt (UBA) verbesserte Handlungsanweisungen erstellen lassen.

Für Prof. Dr. Matthias Kästner vom UFZ ist diese generelle Risiko-Einstufung nicht mehr zeitgemäß. "Eine differenzierte Betrachtung ist notwendig", sagt er. Zum Beispiel wird die Phenylessigsäureverbindung 2,4-D als prinzipiell biodegradierbares Herbizid auf Getreidefeldern, in Obstplantagen oder auf Wiesen und Weiden gegen Knöterich, Kamille oder Distel eingesetzt. Der Stoff selbst konnte danach auf den Feldern nicht mehr in seiner ursprünglichen Form festgestellt werden, wohl aber dessen Rückstände, deren Struktur bisher nicht identifiziert wurde. "Wir konnten nachweisen, dass ein Großteil des in 2,4-D oder MCPA enthaltenen Kohlenstoffs beim Abbau in mikrobielle Biomasse übergeht", erklärt Kästner. Die Rückstände sind damit also unkritisch und können gefahrlos im Boden bleiben. Möglicherweise gilt dies auch für Rückstände eines Teils der 400 weiteren Pestizide, die weltweit eingesetzt werden. "Die generelle Risikoannahme für diese Rückstände muss daher überprüft werden, um Unsicherheiten, Nutzungsverbote oder unnötige Kosten zu sparen", sagt Kästner.

Schon seit mehreren Jahren arbeiten Kästner und sein Team an der Strukturaufklärung und der Risikobewertung von Rückständen aus Pestiziden, Pharmazeutika und Umweltchemikalien. Dabei liegt das Augenmerk bei den nicht-extrahierbaren Rückständen auf der Transformation in Biomoleküle. Den Forschern gelang es früh, diese Rückstände chemisch zu identifizieren und deren Bildung nachzuweisen. Methodisch fündig wurden sie in einem sehr aufwendigen Verfahren: Sie zerlegten die Inhaltsstoffe von Bodenproben in einzelne molekulare Bestandteile. Markiert man den zu untersuchenden Stoff mit stabilen Isotopen, dann können die UFZ-Biotechnologen nachweisen, ob dieser in unschädliche mikrobielle Biomasse überführt wurde oder nicht. "Aus der riesigen Ansammlung von Stoffen haben wir dann selektiv isotopen-markierte Proteine und andere Bestandteile der Biomasse herausgefischt", erklärt der Mikrobiologe Kästner.

Das methodische Know-how, das Kästners Abteilung bei der Analyse der Rückstände mittlerweile angesammelt hat, lässt sich aber nicht nur auf Pflanzenschutzmittel anwenden. So ist die Forschung über die Schädlichkeit von Rückständen aus Pharmazeutika schon weit fortgeschritten. Neue Projekte, sagt Kästner, habe er bereits für andere Molekülstrukturen von Pestiziden und Pharmazeutika von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt bekommen. Denn die Bewertung von Rückständen ist ein drängendes Thema, bei der die Behörden auf die Zuarbeit der UFZ-Forscher angewiesen sind. Basierend auf den UFZ-Forschungsergebnissen, änderte das UBA voriges Jahr seine Bewertungsstrategie für die nicht-extrahierbaren Rückstände. Mittlerweile werden die Rückstände nach einem Typ 1 für toxisch und einem Typ 2 für natürlich biogen unterschieden. "Das ist ein deutlicher Fortschritt in Richtung einer differenzierten Bewertung und damit auch in Richtung einer besseren Vorsorge", sagt Matthias Kästner.

UFZ-Ansprechpartner:
Prof. Dr. Matthias Kästner
Leiter Dept. Umweltbiotechnologie

e-mail: matthias.kaestner[at]ufz.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Die elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt Bakterien (Hyphomicrobium sp.; gelb), die z.B. auf festen Oberflächen, Böden oder Sedimentkörnern aufwachsen. Während des Wachstums sterben auch immer Zellen ab und deformierte bzw. fragmentierende Zellhüllen bleiben zurück. Kleinteilige Fragmente dieser Hüllen (rot) stellen dann die mikropartikuläre Matrix in Böden und Sedimenten dar. Biogene Rückstände von Chemikalien sind dann in diesen Fragmenten eingebaut.

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Quelle:
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt, Seite 10
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Dezember 2012