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SCHADSTOFFE/257: Verkannte Gefahr - Mikroplastik in Kosmetik- und Körperpflegeprodukten (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 181 - August / September 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Die verkannte Gefahr
Mikroplastik in Kosmetik- und Körperpflegeprodukten

von Volker Voss



Wer schön sein will, muss nicht nur leiden, wie ein altes Sprichwort besagt, sondern sollte sich schon bei der Verwendung von Kosmetika ernsthaft Gedanken über gesundheitliche Risiken machen. Umweltverbände und Wissenschaftler verweisen darauf, dass viele Kosmetik- und Körperpflegeprodukte, aber auch Zahnpasta und Reinigungsmittel schädliche Mikroplastikkügelchen enthalten. Das sind kleine Partikel oder Fasern aus Kunststoffen, die den betreffenden Produkten beigemischt werden, um eine bessere Reinigungswirkung zu erzielen. Genannt werden unter anderem Polyethylen und Polypropylen als Inhaltsstoffe. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass beispielsweise Polyethylen ohne fachgerechte Entsorgung die Umwelt verschmutzt. Nach dem Gebrauch gelangt der Stoff direkt in den Ausfluss und von dort in die Gewässer und Meere. Hinzu kommt, dass den Mikroplastikteilchen noch weitere gesundheits- und umweltschädliche Chemikalien beigemischt sind, was die Umweltunverträglichkeit und Gesundheitsgefahr weiter erhöht. Grundsätzlich ist Plastik, egal ob als Mikrokügelchen oder in Form von Plastiktüten und -verpackungen, nicht abbaubar und zerfällt erst über einen Zeitraum von Jahrzehnten in mikroskopisch kleine Teile.

Die kleinen Plastikpartikel wurden bereits im Körper von Meerestieren nachgewiesen. Sie sind so klein wie Staub. Viele Meerestiere sind daran verendet, weil sie sie für Nahrung hielten und zu sich nahmen. Die Wirkung auf Menschen ist noch nicht hinreichend, erforscht, dürfte sich aber aufgrund der bisherigen Erkenntnisse alles andere als gesundheitsfördernd auswirken. Dass sich Plastikpartikel bereits auch in der Nahrungskette und in der Atmosphäre befinden, legte Professor Gerd Liebezeit (bis 2013 Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg/MarChemconsult) in einer vom NDR ausgestrahlten Sendung zum Thema dar. Er fand Plastikpartikel in verschiedenen Honigsorten, Trinkwasser und einigen Bieren. Liebezeit fordert daher ein gesetzliches Verbot von Mikroplastik sowie Plastiktüten und rät zu Alternativen, die im Gegensatz zu Plastik abbaubar sind. Er appelliert an die Verbraucherinnen und Verbraucher, grundsätzlich auf Plastik zu verzichten.

Plastikkügelchen - Produktliste

Der BUND hat eine Liste mit den Produkten, die Plastikkügelchen enthalten, erstellt und im Internet veröffentlicht. Die Liste wird ständig aktualisiert. Auch die Hersteller werden darin genannt. Somit soll den Konsumenten die Möglichkeit gegeben werden, künftig Produkte ohne Mikroplastik kaufen zu können. Die Resonanz ist groß, es gibt viele Nachfragen. Nicht nur Verbraucher_innen, sondern auch die Hersteller derartiger Produkte reagieren auf die Veröffentlichungen. Einige haben bereits angekündigt, ihren Produkten künftig keine Mikroteilchen mehr beizumischen. Beispielsweise hat ein bekannter, international operierender Hersteller von Pflegemitteln angekündigt, ganz und gar auf die Beimischung von Mikroplastik in Zahnpasta zu verzichten. Doch ein Umdenken im großen Stil ist bislang noch nicht festzustellen.

Die unkontrollierte Beimischung sollte unterbunden werden, fordert der BUND. Gefordert wird - als durchaus realistisches Ziel - eine Reduzierung des Kunststoffeintrags in die Umwelt um 50 Prozent bis zum Jahr 2020, so Nadja Ziebarth, Meeresschutzreferentin beim BUND. Bei der Umsetzung der Europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) in Deutschland hat sich die Bundesregierung ohnehin verpflichtet, bis 2020 einen guten Umweltzustand der Meeresumwelt herzustellen. So ist laut Nadja Ziebarth eine Reduktion mariner Abfälle, darunter auch Mikroplastik, dringend notwendig.

Hersteller unter Druck

"Für den Einsatz von Mikropartikeln spricht ein sanfter Peeling-Effekt, gute Hautverträglichkeit sowie günstige physikalische und chemische Eigenschaften", merkt Birgit Huber, stellvertretende Geschäftsführerin des Industrieverbandes Körperpflege- und Waschmittel an. Sie verweist darauf, dass diese günstig in der Herstellung und sehr flexibel einsetzbar seien. Zudem seien die Sicherheitsanforderungen des Kosmetikrechts sehr hoch.

Folgt man ihrer Argumentation ist es wohl weniger die Einsicht von Unternehmen, die ein Umdenken bewirken, sondern eher der Druck der Öffentlichkeit: "Angesichts der ökologischen Bedenken in der Öffentlichkeit haben einige Firmen bereits angekündigt, zukünftig auf Mikroplastikzusätze zu verzichten, da natürliche Alternativen vorhanden seien. Das sind unter anderem Sand, Holzmehl, Wachse oder Walnussschalen", sagt Birgit Huber, macht aber zugleich die Einschränkung, dass ein freiwilliger Verzicht, und zwar auf EU-Ebene, der beste Weg sei. Auch sollen nicht alle Arten von Mikroplastik aus den Produkten verschwinden, sondern nur, wie sie ausführt, die festen Mikroplastikbestandteile. Kunststoffe in Ölen und viskosen Flüssigkeiten und mögliche Alternativen müssten erst noch weiter erforscht werden.

Nicht verkannt werden sollte zudem auch die Gefahr, die von aus Kunststoff produzierten Textilien ausgeht. Aus Fleece-Jacken beispielsweise lösen sich pro Waschgang etwa 2.000 Plastikfasern ab, die ebenfalls in die Umwelt gelangen, so eine Schätzung des WWF.

Aktiv werden

Eine "Kleine Anfrage" mehrerer grüner Bundestagsabgeordneter an die Bundesregierung zu den Auswirkungen von Mikroplastikpartikeln auf Umwelt und Gesundheit, ergab: "Aufgrund der lückenhaften Informationslage ist der Bundesregierung eine abschließende Beurteilung der Umweltauswirkungen durch das Beimischen von Kunststoffkügelchen aus Mikroplastik in Kosmetik- und "Körperpflegeprodukten sowie Reinigungsmitteln derzeit nicht möglich." Auf die Frage nach der möglichen Eliminierung von Plastikpartikeln aus Abwasser: "Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass derzeit besondere Techniken zur Eliminierung von Mikroplastikaus dem Abwasser eingesetzt werden. Durch Kläranlagen, die dem Stand der Technik entsprechen, können auch Anteile aus der Verwendung von Mikroplastik verringert werden".

"Ein Abwarten und Schauen, was passiert", sei verantwortungslos, kritisieren die Unterzeichner der Anfrage. Die Bundesregierung trage dem Vorsorgeprinzip nicht ausreichend Rechnung. Warnzeichen sollten frühzeitig erkannt werden. Aufgrund der Erkenntnis, dass das nachträgliche Herausfiltern von Mikroplastiken aus den Gewässern sehr aufwändig und teuer und bei vielen Kunststoffen technisch sogar unmöglich ist, sollte Mikroplastikeinsatz direkt an der Quelle, also im Produktionsprozess, vermieden werden. Laut Bundesumweltministerium sind mittlerweile Forschungsaufträge zu den Auswirkungen des Mikroplastiks auf die Umwelt vergeben worden.

Ob freiwilliger Verzicht oder Gesetzesinitiative - die eigentliche Entscheidung liegt beim Verbraucher.



Weitere Informationen:
www.bund.net/index.php?id=19850

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 181 -
August/September 2014, S. 22
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2014