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TOURISMUS/051: Untersuchungen zum Wasserverbrauch von Touristen auf Mallorca (RUBENS)


RUBENS 16. Jahrgang, Nr. 133 vom 1. Mai 2009 Nachrichten Berichte und Meinungen aus der Ruhr-Universität Bochum

Insel mit Wassermangel
Die Geografin Helene Püllen untersuchte den Wasserverbrauch von Touristen auf Mallorca

Von Meike Drießen


Zwei Monate verbrachte die Geografin Helene Püllen auf Mallorca - nicht um Urlaub zu machen, sondern um Urlaubern nachzuforschen: In ihrer Masterarbeit beantwortete sie die Frage, wie viel Wasser ein Tourist verbraucht. Sie stellte dabei fest: Je hochwertiger der Tourismus, desto mehr Wasser wird verbraucht, und Wasser ist auch auf der Insel Mallorca ein knappes Gut.

So knapp, dass schon Meerwasserentsalzungsanlagen im Einsatz sind, um die Lage zu entschärfen. Denn durch die übermäßige Entnahme von Trinkwasser aus den natürlichen Süßwasserreservoirs ist sogar schon Salzwasser eingedrungen und hat die küstennahen Reservoirs verdorben. Da die Entsalzungsanlagen aber jede Menge Energie verschlingen, sind auch sie nicht die Lösung des Problems, das Helene Püllen erstmals genau bezifferte.


Per Rad über die Insel

Bei ihrem ersten Mallorca-Aufenthalt - 2007 im Rahmen eines Projektseminars unter der Leitung von Prof. Thomas Schmitt und Dr. Angela Hof (Landschaftsökologie/Biogeographie) - ging es schon um Umweltaspekte des Tourismus auf Mallorca (s. RUBIN Geowissenschaften, April 2007). Dass sie an der Uni Spanisch gelernt hatte, kam nicht nur ihrer Projektgruppe für Datenrecherchen zum Wasserverbrauch zugute. Es erwies sich zudem als unentbehrlich für den Zugang zu Entscheidungsträgern der kommunalen und privatwirtschaftlichen Wasserversorger auf der Baleareninsel. Helene Püllen entschied sich, das Thema für ihre (mittlerweile abgeschlossene) Masterarbeit auszubauen und wurde für den zweimonatigen Auslandsaufenthalt durch ein DAAD-Stipendium gefördert.

"Die guten Kontakte von Prof. Schmitt zur Uni in Palma haben mir dann sehr geholfen, an die Informationen zu kommen, die ich brauchte", sagt sie. Per Fahrrad besuchte sie verschiedene Behörden, um Bevölkerungs- und Bettenzahlen sowie die Auslastung der Hotels zu recherchieren. Sie radelte auch zu den beiden regionalen Wasserversorgern im Untersuchungsgebiet, um Wasserverbrauchsdaten zu erfragen. "Selbst vorbeizugehen kam mir günstiger vor als anzurufen", meint sie. "Wenn man für die Leute ein Gesicht hat, können sie schlechter nein sagen." Denn die Wasserversorger waren nicht gerade erpicht darauf, ihre internen Daten herauszurücken. Manchmal machte Helene Püllen auch mehrere Besuche, bis man endlich Zeit für sie hatte. Doch schließlich bekam sie das Gewünschte: Daten über den Wasserverbrauch einzelner Viertel und Straßen, für einige Stadtteile sogar einzelner Grundstücke.


Zwei Liter verdunsten

"In der Gemeinde Calvià, die ich untersucht habe, gibt es neben Vierteln mit durchschnittlichen Hotels auch superluxuriöse residenzialtouristisch, also als Zweitwohnsitz genutzte Wohngebiete", erzählt sie. "Da hat jedes Haus einen großen Garten und einen eigenen Pool. Obwohl die Besitzer sie zum Teil nur wenige Wochen im Jahr nutzen, werden sie das ganze Jahr über bewirtschaftet." Die stete Bewässerung der Gärten benötigt jede Menge Wasser, und auch aus den Pools verdunstet viel. "Pro Quadratmeter Wasseroberfläche verdunsten zwei Liter Wasser am Tag", hat sie recherchiert. Eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass ein Pool mindestens 20 Quadratmeter groß ist. Um die gesamte Fläche der Pools und Gärten zu ermitteln, griff Helene Püllen auf Luftbilder zurück, die sie digitalisierte, um Flächenbilanzen erstellen zu können. Diese Informationen sammelte sie in einer Datenbank, aus der sie dann die statistischen Auswertungen machen konnte - ein langwieriger Prozess. Ein Gärtner steuerte seine Erfahrungswerte in punkto Bewässerung bei. "Das Problem ist, dass jeder einen üppigen, tropischen Garten haben will, der auf Mallorca nicht von selber wächst. Die natürliche Vegetation ist eher karg. Grünen Rasen gibt es eigentlich gar nicht."

Die gesammelten Daten mussten dann zueinander in Beziehung gesetzt und ausgewertet werden. Ihre zentrale Frage: Wie viel Wasser verbraucht ein durchschnittlicher Massentourist, wie viel ein durchschnittlicher Qualitätstourist am Tag? Erschreckende Ergebnisse kamen ans Licht: Während ein Massentourist täglich zwischen 200 und 280 Litern Wasser benötigt, verbraucht ein Qualitätstourist in Spitzenzeiten pro Tag bis zu 1.600 Liter (nach Abzug von Garten- und Poolpflege), im Durchschnitt etwa 600 Liter. Zum Vergleich: Eine übliche Badewanne fasst etwa 200 Liter. "Es macht eben schon einen Unterschied, ob sich 300 Leute einen Garten und einen Pool teilen oder nur drei", meint Helene Püllen.

Die extremen Schwankungen bei den Qualitätstouristen und die unglaublich hohen Verbräuche zu Spitzenzeiten kann sie noch nicht endgültig erklären. "In den qualitätstouristischen Gebieten muss ein bestimmter Luxusfaktor vorhanden sein, der alle Werte hochtreibt. Außerdem ist die Bewässerungsmenge pro Quadratmeter in einem qualitätstouristischen Gebiet vermutlich höher als in einem massentouristischen." Aus diesen Erkenntnissen lassen sich weitere Forschungsfragen ableiten, die z.B. durch Befragungen von Residenzialtouristen beantwortet werden können.


Imagefaktor

Fest steht, dass Mallorca in Sachen Wasser schon lange über seine Verhältnisse lebt. Um vom Billig-Image wegzukommen, wird seit einigen Jahrzehnten auf Qualitätstourismus gesetzt, der Golftourismus, Nautischen Tourismus für Segler, Finca Tourismus und Residenzialtourismus umfasst. Nicht nur der Wasserverbrauch macht den Qualitätstourismus zum Problem. Er verdrängt auch die natürliche Landschaft und verändert durch den Bau weit ins Meer hinausreichender Molen die Strömungen. Unter Umweltgesichtspunkten gewinnt daher klar der Massentourismus. Mallorca befindet sich in einer Zwickmühle: 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts stammen aus dem Tourismus. Der Qualitätstourismus ist wichtig fürs Image. Auch wenn er nur einen sehr geringen Anteil an der Wirtschaftsleistung des Tourismus hat, bringt er doch Prestige. Auf Dauer schadet er der Insel aber mehr, als er ihr nützt. Urlauber sollten sich zweimal überlegen, was sie buchen. Helene Püllen hat sich aus Neugier den Ballermann mal angeschaut: "So schrecklich hässlich wie man immer hört, ist es da eigentlich auch nicht!"


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Quelle:
RUBENS 16. Jahrgang, Nr. 133 vom 1. Mai 2009, S. 4
Herausgeber: Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum
Tel: 0234/32-23999, -22830, Fax: 0234/32-14136
Internet: www.rub.de/rubens
E-Mail: rubens@presse.rub.de
ISSN 1437-4749


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2009