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VERBAND/441: Bürgerbeteiligung ausbauen. Lehren aus Stuttgart 21 ziehen (BUND)


Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) - Pressemitteilung vom 4. Januar 2010

Volksentscheide einführen und im Planungsrecht Lehren aus "Stuttgart 21" ziehen


Berlin: Mit einem Fünf-Punkte-Programm will der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die Planung von Großprojekten und Infrastrukturvorhaben reformieren. Bundesregierung, Länderregierungen und kommunale Behörden müssten die Beteiligung der Bürger an den Planungen ausbauen, Alternativvorschläge von Umweltverbänden stärker berücksichtigen und die Verfahren ergebnisoffen durchführen, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Erforderlich seien eine frühzeitige Beteiligung der Bürger am Raumordnungsverfahren, völlige Transparenz beim Erörterungstermin, die Ernennung einer Ombudsperson zur Schlichtung, verbesserte Möglichkeiten zur gerichtlichen Überprüfung der Planungsvorhaben und die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene.

Weiger: "Die Planungsprozesse für Großprojekte und Infrastrukturvorhaben sind hochkomplex. Umso wichtiger ist es, dass betroffene Bürger und ihre Verbände frühzeitig und umfassend einbezogen werden. Sonst entsteht zu Recht das Gefühl, Politiker und so genannte Fachexperten entscheiden ohne Beteiligung der Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen. Deutschland braucht den Ausbau der Mitbestimmung, bei vielen Themen ist auch der Volksentscheid eine sinnvolle und erprobte Möglichkeit."

Die Absicht der Bundesregierung, bei Planungsvorhaben die Verpflichtung für Erörterungstermine abzuschaffen, ist für den BUND der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Versuchen, Beteiligungsrechte zu schmälern. Stattdessen müssten bereits im zwingend vorzuschreibenden Raumordnungsverfahren ergebnisoffene Grundsatzanhörungen durchgeführt werden. In diesen Anhörungen müsse die Notwendigkeit der Planung begründet, nach Alternativen gesucht und auch die Aufgabe des Projektes in Betracht gezogen werden. Bei etwaigen weiteren Planungsschritten seien Betroffene und Verbände laufend, schriftlich und über das Internet umfassend mit den notwendigen Informationen zu versorgen. Mit Anzeigen in Tageszeitungen und öffentlichen Aushängen müssten die Bürgerinnen und Bürger und ihre Verbände künftig zum Erörterungstermin eingeladen werden. Ein etwaiger Genehmigungsbescheid für das erörterte Vorhaben müsse auf jeden Fall gerichtlich überprüfbar sein.

Weiger: "Planungsbehörden, Wirtschaft und Parteien müssen ihr Misstrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern endlich abbauen. Extreme Konflikte wie in Baden-Württemberg um den Bahnhof Stuttgart 21 oder in Niedersachsen bei Castortransporten sind vermeidbar, wenn die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ernster genommen und bei politischen Entscheidungen tatsächlich berücksichtigt werden. Volksinitiativen, Bürger- und Volksentscheide können bei der Planung von Großprojekten oder gravierenden Umwelteingriffen zu besseren Ergebnissen führen als ein Regieren und Entscheiden über die Köpfe der Betroffenen hinweg."

Wo es in Deutschland auf Länderebene bereits Volksentscheide oder Volksbegehren gebe, existieren nach Meinung des BUND oft noch zu hohe Hürden für mehr Bürgerbeteiligung. So sei in Baden-Württemberg mit 16,6 Prozent der stimmberechtigten Einwohner das erforderliche Quorum zur Zulassung eines Volksbegehrens extrem hoch, in Baden-Württemberg, Bayern und Brandenburg seien Listeneintragungen auf öffentlichen Ämtern vorgeschrieben und in einigen Ländern wiederum seien Abstimmungen ungültig, wenn nicht sehr hohe Zustimmungsquoren erzielt würden. Neben der Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene forderte Weiger deshalb eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verfahren auf Länderebene. Plebiszite gegen Minderheiten oder Menschen- und Völkerrechte lehne der BUND selbstverständlich strikt ab.


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Quelle:
BUND-Pressedienst, 04.01.2011
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Freunde der Erde Deutschland
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2011