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VERKEHR/629: Keine Dieselpartikelfilter - Wie die Bahn ihren Umweltvorteil auf's Spiel setzt (DUH)


Deutsche Umwelthilfe e.V. - 5. März 2009

Wie die Bahn ihren Umweltvorteil aufs Spiel setzt

Entgegen früheren festen Zusagen gegenüber seinem Aufsichtsrat will Bahnchef Hartmut Mehdorn 130 neue Diesel-Loks nicht mit Dieselpartikelfiltern ausstatten - Deutsche Umwelthilfe fordert Bundesregierung auf, als Eigentümer der Deutschen Bahn AG sicherzustellen, dass neue Lokomotiven bei Partikel- und Stickoxidemissionen den "Stand der Technik" einhalten - Feinstaubplakettenregelung auf Schienenfahrzeuge ausdehnen


Berlin, 5. März 2009: Nach jahrelangen gegenteiligen Ankündigungen hat die Deutsche Bahn AG nun 130 neue und mit Dieselmotoren ausgestattete Rangierlokomotiven ohne Partikelfilter bestellt. Damit verabschiedet sich der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, von einer festen Zusage aus dem Herbst 2004. Damals hatte der Bahnchef gegenüber seinem Aufsichtsrat versichert, dass sämtliche in Zukunft anzuschaffenden Diesel-Loks mit Partikelfiltern ausgestattet werden würden. Darüber hinaus versprach er für die seinerzeit bereits eingesetzten Lokomotiven ein entsprechendes Nachrüstprogramm.

Die Bestellung von 130 neuen Rangierloks mit einem Gesamtvolumen von etwa 250 Millionen Euro ist der erste wirkliche Großauftrag der Bahn von dieselgetriebenen Schienenfahrzeugen. Nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe e. V. war noch im September 2008 klar, dass alle neuen Rangierlokomotiven vom Typ Gravita 10 BB der Firma Voith Turbo die ab 2012 geltenden Rußpartikel-Grenzwerte der Abgasstufe III B einhalten würden, um zukunftsfähig auch in Städten mit ausgewiesenen Umweltzonen verkehren zu können. Zur Einhaltung dieser Abgasstufe ist ein geschlossener Rußpartikelfilter notwendig. Mittel für die entstehenden zusätzlichen Kosten in Höhe von 75.000 EUR pro Lok wurden im November 2008 bereit gestellt.

Überraschend haben nach Recherchen der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) Bahnchef Mehdorn und Finanzvorstand Sack kurzfristig entschieden, die Bestellung zu ändern, um nach ihrer Lesart vermeidbare Mehrkosten für die Abgasreinigung einzusparen. Nach heutigem Stand wird die Bahn AG die Lokomotiven als Dieselrußschleudern kaufen. Sie stoßen dann über eine Lebenszeit von mindestens 30 Jahren ein Vielfaches jener gefährlichen Dieselpartikel aus, die in Deutschland nach Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation für rund 75.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich sind.

"Bahnchef Mehdorn handelt mit dieser Entscheidung unverantwortlich zu Lasten der Gesundheit der Menschen, die in Stadtgebieten leben oder arbeiten, wo Rangierlokomotiven schwerpunktmäßig eingesetzt werden", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Neben den direkten Folgen setze der Bahnchef auch den Ruf der Bahn als ökologisch verträgliches Verkehrsmittel aufs Spiel. Die Kosten, die er nun durch einen Verzicht auf aktiven Gesundheitsschutz einspare, würden in der Zukunft durch den entstehenden Imageschaden bei weitem in den Schatten gestellt. Zudem stünden der Deutschen Bahn Zuschusstöpfe der Bundesregierung zur Verfügung, die diese Kosten nochmals wesentlich reduzieren würden.

Mehdorn solle sich ein Beispiel an der Schweizer Bundesbahn nehmen, die seit Jahren sämtliche Dieselfahrzeuge mit geregelten Partikelfiltern ausstatte. Insbesondere sei der Rückgriff der Bahn auf die Wirtschaftskrise als Argument für ein ökologisches Rollback nicht hinnehmbar. Resch: "Das ist exakt, die falsche Reaktion auf die Wirtschaftskrise. In der Logik des Bahnchefs hieße das für den Straßenverkehr, auf Katalysator und Rußfilter zu verzichten, um neue Pkw günstiger zu machen und so der Automobilindustrie aus der Krise zu helfen".

Der Verkehrsberater und frühere Abteilungsleiter im Umweltbundesamt, Dr. Axel Friedrich, nannte es "unglaublich", dass die Bahn offenbar ernsthaft die Möglichkeit ins Auge fasse, die Rangierloks zunächst ohne Filter zu kaufen und dann, wenn die Abgasgrenzwerte 2012 verschärft werden, entsprechend nachzurüsten. Es sei erheblich aufwändiger, Nachrüstfilter einzubauen. Die Äußerungen über die mögliche Nachrüstung seien zudem so unverbindlich, dass der Verdacht entstehe, man hoffe bei der Bahn, wenn es soweit ist, auf weniger Medienaufmerksamkeit. Der ganze Vorgang sei auch deshalb unverständlich, weil im Vorfeld der abschlägigen Entscheidung über die Filterausrüstung "schon konstruktiv und planerisch ein hoher Arbeitsaufwand für die Ausrüstung der Fahrzeuge mit Partikelfiltern" betrieben worden sei.

Nach Informationen der DUH hat die Bahn Ende vergangener Woche schon auf die Ankündigung der heutigen DUH-Pressekonferenz reagiert und statt der ursprünglich ins Auge gefassten endgültigen Stornierung der Filterbestellung, beim potenziellen Lieferanten eine Verschiebung der Option zur letzten Bestellung von Ende 2008 auf Ende 2009 durchgesetzt. Nachdem der Präsident des Umweltbundesamts, Andreas Troge, Mehdorn unmissverständlich aufgefordert hat, nicht länger "die aktuelle Wirtschaftskrise gegen dauerhaften Gesundheitsschutz auszuspielen" und auch Verkehrsminister Tiefensee nach Presseberichten wegen des Schwenks in der Bahn "irritiert" ist, fordert Resch nun den Eigentümer der Bahn auf "Mehdorn zur Vernunft zu bringen und ihm ein klares Bekenntnis zum Einbau der Partikelfilter abzuverlangen". Resch: "Die Bahn gehört dem Bund und damit letztlich den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes. Sie haben ein Recht darauf, dass der Chef eines bundeseigenen Unternehmens ihre Gesundheit schützt."

Angesichts der nach wie vor hohen Feinstaubbelastung vieler Ballungsräume müsse die Bundesregierung die Übertragung der für den Straßenverkehr in Ballungszentren geltenden Feinstaub-Plakettenregelung auf Schienenfahrzeuge ausdehnen, sagte Resch.


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Quelle:
DUH-Pressemitteilung, 05.03.2009
Deutsche Umwelthilfe e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2009