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VERKEHR/696: "No Badge" - Bahn bezahlte verdeckte PR für Börsengang (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

verkehr "No Badge" - Bahn bezahlte verdeckte PR für Börsengang

Von Monika Lege, Hamburg


"No Badge" heißt sinngemäß "ohne Ausweis". Die Deutsche Bahn AG musste Ende Mai Recherchen der Nichtregierungsorganisation LobbyControl bestätigen: Für 1,3 Millionen Euro hat die Bahn 2007 eine PR-Agentur mit so genannten "no badge"-Aktivitäten beauftragt, als deren Urheber das öffentliche Unternehmen Bahn nicht erkennbar ist. Damit sollte Stimmung für den Börsengang und gegen den Lokführer-Streik gemacht werden. Diese Mittel wurden direkt gegen die Kampagne des von ROBIN WOOD mitbegründeten Bündnisses "Bahn für Alle" eingesetzt.

Kurz nachdem im März 2007 unsere Kampagnen-Website www.deinebahn.de an den Start ging, erschien unter www.meinebahndeinebahn.de eine Parallel-Website, auf der eine angebliche Bürgerinitiative für den Börsengang der Bahn warb. "Wir sind keine Verkehrswissenschaftler oder Bahnexperten. Wir sind einfach Bürger, die regelmäßig Bahn fahren, sowie Anhänger der Deutschen Bahn", so stellte sich die Initiative damals vor. Im Blog legten dann "Rainer", "Susi", "Andrea" usw. dar, warum die Bahn verkauft werden soll und kritisierten die Zögernden in Bundesregierung und Parlament. Die Recherchen von LobbyControl enthüllten: Diese Website wurde aus Mitteln der Deutschen Bahn und damit mit Steuergeldern bezahlt. Ende 2007 verschwand sie aus dem Netz.

Im Juni 2007 wandte sich eine Mitarbeiterin von Berlinpolis an die ROBIN WOOD-Geschäftsstelle und bot uns eine Kooperation mit dem Internetportal http://zukunftmobil.de an. Berlinpolis sei ein "gemeinnütziger Think Tank", Zukunftmobil ein Redaktionsteam von vier wissenschaftlichen Mitarbeitern und suche "eine neue Balance von Mobilität und Klimaschutz". Aufgrund der uns bekannten Aktivitäten von Berlinpolis zur Bahnprivatisierung lehnten wir das Angebot damals ab. So hatte die Organisation methodisch unsaubere Meinungsumfragen sehr erfolgreich in den Medien platziert, denen zufolge eine Bevölkerungsmehrheit für einen Verkauf der Bahn sei - was scheinbar unsere gegenteiligen Umfrageergebnisse widerlegte. Bis Mai 2008 erschien der "Zukunftsmobil Newsletter", die letzte Ausgabe vermeldet: "Die große Koalition hat den Weg für den Börsengang der Bahn frei gemacht". LobbyControl enthüllte, dass Berlinpolis im Rahmen des Auftrages zur verdeckten PR für den Börsengang der Bahn agierte, also ebenfalls mit öffentlichen Mitteln bezahlt wurde. Berlinpolis hat alle Hinweise auf Zukunftmobil von seiner Website gelöscht, die Newsletter-Links führen ins Error-Internet-Nirwana.

Im Rahmen der verdeckten PR wurden außerdem Prominente für DB-freundliche Äußerungen in redaktionellen Beiträgen bezahlt, das Online-Lexikon wikipedia gepflegt, Leserbriefe, Blogs und scheinbar journalistische Angebote verfasst. Bis heute wissen wir nicht, wer die anonymen, ungebetenen Gäste bei den Telefonkonferenzen unseres Kampagnenteams im Sommer 2007 waren. War es die Kommunikationsabteilung der DB, waren es eine von der Bahn beauftragte Detektei oder PR-Agentur? Oder war es doch nur ein einsamer Hacker mit unterdrückter Rufnummer? Übrigens: Das Jahresbudget von ROBIN WOOD liegt unter einer Millionen Euro. Die Bahn ist bis heute nicht verkauft. Geld ist nicht alles.

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Die Bahn machte mit verdeckter PR gegen das Bündnis "Bahn für Alle" mobil, das hier im August 2007 in Berlin gegen den geplanten Börsengang protestierte


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009, S. 48
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2009