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VERKEHR/730: Deutsche Seehafenpolitik - Neue Konzepte gefragt (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 1/2010
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

ZUR ZEIT
Deutsche Seehafenpolitik
Neue Konzepte gefragt

Von Werner Reh


Produkte aus Fernost oder Übersee finden sich immer häufiger in unseren Regalen. Für Natur und Klima sind die Folgekosten dieses oft konkurrenzlos billigen Angebots hoch. Anders als man vielleicht denken mag, fallen diese Kosten nicht auf dem langen Seeweg an, sondern in Deutschland, vor unserer Haustür. Der BUND hält eine intelligentere deutsche Seehafenpolitik für dringend notwendig.

Seit Anfang der 90er Jahre hat sich der Containerumschlag im Hamburger Hafen und in Bremerhaven verdreifacht. Bis 2025 soll er, so die Prognosen des Verkehrsministers, in Bremerhaven noch mal auf das Dreifache, in Hamburg gar auf das Fünffache anwachsen. Der Anteil der Transitcontainer, die in den Seehäfen umgeschlagen und dann häufig quer durch Deutschland transportiert werden, steigt ständig - in Hamburg künftig auf die Hälfte aller Container.

In Deutschland hinterlassen die meisten Container zwar die Hafengebühren und eine kleine Gewinnmarge für die Speditionen. Sie hinterlassen aber auch große Mengen Feinstaub- bzw. Ruß-, Stickoxid- und CO2-Emissionen - zu Lasten unserer Gesundheit und unseres Klimas. Und sie lösen massive Investitionen in die Infrastruktur aus, mit schweren Eingriffen in die Natur.

In der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 brach der Frachtumschlag der meisten großen Nordseehäfen von Le Havre bis Hamburg um 20 bis 30% ein, viele Schiffsneubauten wurden storniert. Auch werden die Kosten der Schifffahrt wegen strengerer Umweltvorschriften in Zukunft rasch ansteigen. Doch all dies wird nicht zum Anlass genommen, umzudenken. »Stärker aus der Krise hervorgehen« fordert Kanzlerin Angela Merkel. Ein guter Vorsatz. Die Seehafenpolitik bietet dafür ein geeignetes Einsatzgebiet.


Unnötige Flussvertiefungen

Auch die größten Containerschiffe sollen vollbeladen jederzeit den etwa 100 Kilometer von der Küste entfernten Hamburger Hafen anlaufen können. Zwar hat selbst die riesige »Emma Maersk« Hamburg bereits erreicht. Doch derart große Schiffe können nur bei Flut einlaufen, was zu Wartezeiten führt. Hamburg will dies durch eine erneute Vertiefung der Unter- und Außenelbe beseitigen - bezahlt aus dem Bundeshaushalt. Dabei wurden die ökologischen Folgen der letzten Vertiefung 1998 - 2000 bis heute nicht vollständig ausgeglichen. Eine weitere Vertiefung würde aufs Neue europäische Vogelschutz- und Flora-Fauna-Habitat- Gebiete beschädigen und zugleich die Deichsicherheit bedrohen. Etliche Millionen Tonnen Sand und Schlick müssten zusätzlich jedes Jahr ausgebaggert werden, um die künstliche Fahrrinne aufrechtzuerhalten. Als Beleg für eine abermals nötige Elbvertiefung führt die Hamburger Hafenlobby Tiefgänge der Megaschiffe an, die faktisch nie erreicht werden. So beträgt das Ladegewicht der Container durchschnittlich weniger als die Hälfte der maximalen Zuladung, auch führen die Schiffe viele Leercontainer für die Wiederbeladung mit.

In Bremerhaven wurde das Wendebecken bereits so weit vergrößert, dass selbst die »dicke Emma« darin drehen kann. Damit aber nicht genug. Auch die Weser von Bremerhaven bis zur Nordsee soll für die Containerriesen erneut vertieft werden. Zudem sollen die weit flussaufwärts gelegenen Häfen bis Bremen für große Massengutschiffe erreichbar sein. Folglich ist geplant, auch die enge Unterweser zu vertiefen. Da die Bedeutung der stadtbremischen Häfen schon vor der Krise stetig abnahm, will die Politik hier offensichtlich einem Einzelunternehmen gefällig sein.


Von Containern überrollt

Der Güterfernverkehr im deutschen Straßennetz wird laut amtlichen Prognosen bis 2025 um 84% steigen, der Transitverkehr um über 130%. Auf diese »Ziele« richtet der Bundesverkehrsminister seine Straßenbedarfspläne und den künftigen Verkehrswegeplan aus. Der Anteil des von den Häfen ausgehenden Verkehrs am gesamten Güterfernverkehr der Straße wird demnach von heute 10 auf 15% steigen. Auf Autobahnen ist er noch viel höher. Allein die im »Nationalen Hafenkonzept« genannten Investitionen in die Autobahnen belaufen sich auf mindestens sieben Milliarden Euro. Der Seehafen-Hinterlandverkehr ist bereits heute das wichtigste Argument für den weiteren Aus- und Neubau der weiträumigen Autobahnen in Deutschland. Der BUND befürchtet, dass die neue Bundesregierung das Wachstum der Seehäfen für eine veritable Straßenbauorgie nutzen will.


Schienenverkehr unterfinanziert

Zwar verlangen Politik, Wirtschaft und die Umweltverbände unisono mehr Investitionen, um die Häfen besser mit dem Schienenverkehr zu verknüpfen. Die Konjunkturprogramme und Mehreinnahmen aus der Lkw-Maut haben hier auch einige zusätzliche Strecken finanziert. Doch das Gros der dringend nötigen Bahninvestitionen ist immer noch nicht gesichert. Dabei könnte die Bahn mindestens die Hälfte des von unseren Seehäfen ausgehenden Verkehrs übernehmen, bei den Containern sogar noch deutlich mehr. Für die nötigen - für die Wirtschaft wie die Umwelt extrem wichtigen und effizienten - Investitionen fehlt aber das Geld.

Zwei Drittel der über Land transportierten Container nach Polen und fast alle Container ins Baltikum, nach Weißrussland und in die Ukraine werden auf der Straße bewegt. Warum rollt selbst nach Bayern und Österreich nur gut die Hälfte der Container per Bahn, der Rest auf der Straße? Trotz vieler weiterer Straßenbaumilliarden würden die Straßen so auch künftig überlastet bleiben.

Manche Projekte - wie die küstennahe A 22/A 20 von der niederländischen bis an die polnische Grenze - werden sogar gebaut, um dem See- und Bahnverkehr in den Ostseeraum eine Dumping-Konkurrenz entgegenzusetzen und Verkehr auf die Straße zu verlagern ...


Intelligente Alternativen

Das Gebot der Stunde ist aus Sicht des BUND eine Kooperation der großen Häfen an der deutschen Nordseeküste - statt alle Häfen und ihre Zufahrten weiter in Konkurrenz zueinander mit öffentlichen Mitteln auszubauen. Der im Bau befindliche Jade-Weser-Port bei Wilhelmshaven geht 2011 in Betrieb und wird sich zu dem deutschen Tiefwasserhafen entwickeln. Eine Kooperation mit Bremerhaven und Hamburg drängt sich hier geradezu auf. Doch der frühere Ansatz einer Drei-Länder-Kooperation Hamburg-Bremen-Niedersachsen scheiterte am Ausstieg Hamburgs.

Zudem fordert der BUND jene Schiffstransporte stärker zu fördern, die über kurze Strecken in die Ostsee und an die westeuropäische Küste führen - um mehr Güter auf - saubere! - Feederschiffe zu verlagern und so den Hinterlandverkehr zu entlasten. Der übrige Verkehr ins Binnenland muss weitgehend auf die Schiene verlagert werden: auf Strecken über 300 km mindestens zu 50%, ab 700 km zu mindestens zwei Dritteln. Dazu muss das transeuropäische Schienennetz vor allem Richtung Ost- und Südosteuropa mit absolutem Vorrang ausgebaut (und gleichzeitig alle alten Güterzüge lärmsaniert) werden.

Den Transportverkehr kann auch ein bewussterer Einkauf begrenzen. Umwelt- und Verbraucherverbände sollten die fatalen Folgen des globalen Warenverkehrs in Deutschland stärker thematisieren. Containerwachstum und Transitverkehr sind Symbole für ein quantitatives Wachstum, das extrem wenige Arbeitsplätze schafft (und diese eher ins Ausland exportiert) sowie immense Folgekosten nach sich zieht.

Werner Reh ... ist der Verkehrsexperte des BUND in der
Bundesgeschäftsstelle.

Ansprechpartner für die Seehäfen sind M. Braasch
(manfred.braasch@ bund.net, HH)

und M. Rode (martin.rode@bund-bremen.de, HB).


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Die größten Seeschiffe transportieren heute mit 10.000 Containern bis zu 100.000 und mehr Tonnen Fracht. Dank ihrer riesigen Ladungsmenge erzeugen sie relativ wenig CO2 pro Gewichtseinheit - bei einer Flasche Wein schlagen nach 10.000 km etwa 20g zu Buche. In ihrer Gesamtheit verursachen sie 3,3% des globalen CO2-Ausstoßes - Tendenz steigend.

Allerdings emittieren die Schiffe (da noch mit Schweröl betrieben) äußerst dreckige Abgase. Gründliche Verbesserungen - durch schwefelärmeres Öl und schärfere Grenzwerte - greifen in den Häfen seit dem 1. Januar, in der Nord- und Ostsee ab 2015 und weltweit in Stufen bis 2020. Die rechtliche Grundlage schuf eine Initiative u.a. der letzten Bundesregierung in der Internationalen Maritimen Organisation.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Die Emma Maersk kann mindestens 11.000 Standardcontainer laden - und ist damit der weltweit zweitgrößte Frachter.
- Jedes Jahr länger: Lkw-Kolonnen auf der Autobahn.


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Quelle:
BUNDmagazin 1/2010, S, 32-33
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
Email: redaktion@bund.net
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2010