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VERBRAUCHER/054: Rucksäcke und Fußabdrücke - Folgen unserer Lebensweise für die Umwelt (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 2/12
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Wie wirkt sich unsere Lebensweise auf die Erde aus?
Rucksäcke und Fußabdrücke

Von Helge May



Vorsicht vor versteckten Gefahren! Als vor hundert Jahren die Titanic nach Zusammenstoß mit einem Eisberg unterging, lag das neben einer gewissen Selbstüberschätzung vor allem daran, dass sich bei Eisbergen der größte Teil unsichtbar unter der Wasseroberfläche befindet.

Ganz ähnlich liegt das Problem, wenn es um die Folgen unserer Lebensweise für die Umwelt geht.

Seit gut zwei Jahrzehnten mühen sich Wissenschaftler um Konzepte und Berechnungsmethoden, die dem Einzelnen ebenso wie Unternehmen und der Politik Hinweise für ihr Tun geben sollen. Inzwischen tauchen Begriffe wie "Klima-Fußabdruck" oder "Ökologischer Rucksack" auch immer öfter in den Medien auf. Eine nähere Betrachtung zeigt, dass damit bisher nur unvollständige Annäherungen an die komplexe Wirklichkeit gelingen.

90 Prozent Verluste

Das Rucksack-Konzept stellt bildlich dar, dass im Endprodukt nur ein Bruchteil der verbrauchten natürlichen Ressourcen sichtbar ist. So gehen bei der Herstellung industrieller Güter durchschnittlich 90 Prozent der natürlichen Ressourcen verloren. Versteckte Verbräuche von biotischen und abiotischen Materialien, Wasser, Luft und Boden treten vor allem beim Rohstoffabbau, bei der Verhüttung, beim Transport und während der Fertigungsstufen auf.

Damit Produkte wie Zugfahrten, die Nutzung eines Handys oder auch der Genuss eines Glases Milch berücksichtigt werden können, werden diese Leistungen entsprechend umgerechnet. Schon in den 90er Jahren entwickelte Friedrich Schmidt-Bleek am Wuppertal-Institut ein Konzept, mit dem sich der "Material-In-put pro Serviceeinheit" (MIPS) errechnen lässt. Dadurch wiegt beispielsweise wiegt ein Kilogramm Kupfer im ökologischen Rucksack 350 Kilo. Auch hinter einem superleichten Smartphone verbirgt sich am Ende eine Last von 28 Kilogramm.

Vom Kohlendioxid zur Biokapazität

Etwa zur gleichen Zeit wie der Ökologische Rucksack entstand in den USA der Carbon Footprint, also der Kohlendioxid-Fußabdruck, als Maßeinheit für die Klimabelastung. Hier wird für Handlungen, Dienstleistungen und Produkte eine Bilanz des Treibhausgasausstoßes erstellt. Trotz oder gerade wegen seiner Beschränkung auf diesen einen Umweltaspekt hat das Konzept Karriere gemacht. So gibt es in Großbritannien und anderen Ländern inzwischen entsprechende Produktnormen und daraus resultierende Gütesiegel.

Ausgehend vom Carbon Footprint entstand später der umfassendere Ökologische Fußabdruck, ausgedrückt in Hektar pro Person und Jahr. Es wird versucht, die Fläche zu errechnen, die wir mit unserem Lebensstandard in Anspruch nehmen. Dazu gehören "klassische" Flächen zur Nahrungsmittelproduktion ebenso wie für Kleidung, Infrastruktur und Entsorgung bis hin zur Bindung des verursachten Klimagasausstoßes. Stellt man dem die vorhandenen Flächen gegenüber, die sogenannte Biokapazität, lässt sich die Nachhaltigkeit unseres Tuns ablesen.

Das Ergebnis: Schon jetzt beansprucht die Weltbevölkerung rund ein Viertel mehr, als die Erde dauerhaft hergibt. Und würden alle Menschen so leben wie wir Deutschen, müssten wir sogar 2,8 Erden haben.

Runter mit dem Verbrauch

Ob Rucksack oder Fußabdruck, beiden Konzepten ist gemein, dass sie nur bestimmte Elemente erfassen. Und welche konkreten Auswirkungen zum Beispiel ein "Rucksack-Kilogramm" hat, lässt sich gar nicht sagen, erst recht nicht im Hinblick auf so schwer messbare Dinge wie die Artenvielfalt. Etwas besseres als diese schon schwer genug zu erstellenden Hilfskonstruktionen gibt es zur Zeit aber nicht. Ohnehin sind die Ergebnisse eindeutig: Wir müssen die Erde entlasten, der jetzige hohe Ressourcenverbrauch wird sonst künftigen Generationen den Wohlstand rauben. Szenarien der Vereinten Nationen zeigen, dass sich der weltweite Ressourcenverbrauch bis 2050 im Vergleich zu heute nochmals verdreifachen wird, falls keine Gegenmaßnahmen erfolgen. Ursachen sind der hohe Ressourcenverbrauch in den Industriestaaten, die Bevölkerungszunahme sowie das Wirtschaftswachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Effizienz ist nicht alles

Nur ein dematerialisiertes Wirtschaften kann die Lebensqualität für nachfolgende Generationen sichern sowie Räume für Natur und Wildnis erhalten", betont NABU-Expertin Ulrike Meinel. Ein naheliegender Ansatz ist zunächst einmal, Ressourcen effizienter einzusetzen. Doch "Effizienz allein reicht nicht", meint Meinel. Effizienzgewinne geben oft Anreize zu höherem Konsum, Wissenschaftler sprechen vom "Rebound-Effekt". Beispielsweise verstärkt ein effizienter Automotor die Tendenz, das Auto öfter zu nutzen, da, die Spritkosten sinken.

Um den Ressourcenverbrauch und damit die verbundenen Umweltschäden unterm Strich tatsächlich zu senken, schlägt der NABU unter anderem vor, die öffentliche Beschaffung - sie macht in vielen Bereichen ein Viertel des gesamten Marktes aus - strikt auf ressourcenschonende Produkte zu verpflichten. Auch sollte die verringerte Mehrwertsteuer auf ressourcenintensive Produkte und Dienstleistungen wie Fleisch oder Flugreisen aufgehoben werden. Insgesamt könnte nach Auffassung des NABU der Ressourcenverbrauch in Europa von derzeit 16 Tonnen pro Einwohner und Jahr bis 2050 auf sechs Tonnen gesenkt werden.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 2/12, Seite 34-35
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2012