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WALD/022: Internationales Jahr der Wälder - BMELV-Waldstrategie 2020 vor dem Scheitern? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2011


Themen & AGs
Internationales Jahr der Wälder
BMELV-Waldstrategie 2020 vor dem Scheitern?

Von László Maráz


Im Internationalen Jahr der Wälder will sich die Bundesregierung besonders um den Wald kümmern. Doch das für Forstwirtschaft zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) blamiert sich gerade mit seinem wichtigsten waldpolitischen Vorhaben, der Waldstrategie 2020. Die für den internationalen Tag der Wälder im März geplante Veröffentlichung entfiel, stattdessen ließ das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) verlauten, dass es vorerst keine Entscheidung über die Waldstrategie 2020 geben werde und stattdessen der Diskussions- und Dialogprozess weiter fortgeführt werden solle.

Ein vom BMELV finanziertes Kampagnenbüro bemüht sich um frohe Botschaften und will die Öffentlichkeit über die Bedeutung des Waldes aufklären1. Akteure aus Forst- und Holzwirtschaft üben sich im gegenseitigen Schulterklopfen und werden nicht müde zu betonen, wie segensreich die Forstwirtschaft für den Wald sei. Umweltverbände sehen das anders. Sie lehnen die Waldstrategie in der Form ab und fordern einen Neuanfang.


Blamable Vorstellung

Schon im Vorgängerprozess, dem Nationalen Waldprogramm Deutschland (NWP), mussten Umweltverbände erst kritische Analysen und transparente Verhandlungsregeln einfordern, um eine Basis für politische Abwägungs- und Entscheidungsprozesse zu schaffen. Nur so konnten konstruktive Handlungsempfehlungen erarbeitet und im Konsens verabschiedet werden. Vielen Beteiligten ging der Kompromiss dann offenbar doch zu weit: Das BMELV und Akteure von Forst- und Holzwirtschaft wollten die Maßnahmen nicht umsetzen. Während die Bundesregierung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit andere Länder bei der Erarbeitung Nationaler Waldprogramme unterstützt, schlummert das NWP Deutschland seit Jahren in der Schublade.


Biologische Vielfalt...

Dann doch ein Lichtblick für die Wälder: Ende 2007 wurde die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) einstimmig vom Bundeskabinett beschlossen. Sie fordert, bis zum Jahre 2020 die Wälder auf mindestens 5 Prozent der Fläche der natürlichen Entwicklung zu überlassen. Zwar fordern Umweltverbände deutlich mehr Schutzgebiete, sie unterstützen aber auch dieses Teilziel. Doch viele Akteure aus der Forst- und Holzwirtschaft beklagen bis heute, sie seien damals zu wenig beteiligt worden. Je mehr Holz geerntet würde, umso besser für den Wald, die Artenvielfalt und den Klimaschutz, sagen sie. Auch im Bundeslandwirtschaftsministerium war man über die Pläne nicht erfreut. Und so begann man im Jahre 2008 damit, auf eigene Faust eine Art Gegenprogramm zur Biodiversitätsstrategie zu entwerfen: eine Waldstrategie 2020.


...oder der Wald als Holzfabrik

Denn das BMELV und einige Forstund Holzwirtschaftsverbände machen sich mehr Sorgen um das Holz als um den Wald, der ihnen sowieso zu langsam wächst. Denn um die Ziele des Nationalen Aktionsplanes Erneuerbare Energien zu erreichen, muss noch mehr Holz verheizt werden und auch der Papierverbrauch steigen. Zudem unterstützt die Branche das Ziel der Charta für Holz, den Holzverbrauch der Bundesbürger noch zu steigern. Weil aber schon 2020 gut 34 Millionen Kubikmeter Holz pro Jahr zu viel verbraucht würde, planten die Verantwortlichen im BMELV, für einige Jahrzehnte den wichtigsten Grundsatz der Nachhaltigkeit über Bord zu werfen. Man könne ja 20-30 Jahre lang mehr Holz einschlagen, als nachwächst, um die sogenannte "Holzlücke" zu schließen. Das war offenbar selbst einigen Verbänden und Landesforstverwaltungen zu viel des Guten. Sie erhoben Widerspruch. Publik geworden war das Ansinnen erst durch eine Akteneinsicht, deren Ergebnisse der Verfasser nicht nur an die Umweltverbände, sondern auch an Ministerien, Abgeordnete im Bundestag und an Verbände der Forst- und Holzwirtschaft versandt hatte, um für mehr Transparenz zu sorgen. Die Pläne sind inzwischen wieder vom Tisch. Übrig geblieben ist eine Art Beschleunigungsprogramm für die Holzproduktion.


Schutz und ökologische Waldnutzung

Darum fordern BUND, DNR, Forum Umwelt & Entwicklung, GREENPEACE, NABU und der WWF das BMELV dazu auf, eine Strategie für den Wald zu entwickeln, anstatt sich nur um die Beschaffung von noch mehr Holz zu kümmern2. Wichtiger wäre es, mehr Schutzgebiete einzurichten und im forstlich genutzten Wald ökologischer zu wirtschafteten. Da sich aber die Holzerzeugung und der Schutz der auf die Alters- und Zerfallsphasen von Wäldern angewiesenen Artengemeinschaften gegenseitig ausschließen, können viele der wichtigsten Schutzziele nicht im Rahmen der Holznutzung erreicht werden. Wer auf den Holzverkauf angewiesen ist, will die Bäume fällen bevor sie vermodern. Um bis zum Jahre 2020 das Ziel, fünf Prozent der Waldflächen dauerhaft aus der forstlichen Nutzung zu nehmen, zu erreichen, müssen dringend neuen Schutzgebiete eingerichtet werden. Um den naturnahen Waldbau weiter zu fördern, müssten klare Grundsätze einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung im Gesetz verankert werden. In vielen Regionen liegen die Wildbestände beim 8 bis 10-fachen der natürlichen Dichte! Sie müssen dringend so weit reduziert werden, dass die Naturverjüngung im Wald wieder aufwachsen kann. Immerhin hat sich Deutschland auf der COP10 der CBD in Nagoya verpflichtet, 17% seiner terrestrischen Ökosysteme unter effektiven Schutz zu stellen und seine Wälder so zu bewirtschaften, dass die biologische Vielfalt keinen Schaden nimmt.


Deutschlands Verantwortung für seine Buchenwälder

Deutschland beherbergt etwa ein Viertel des natürlichen Verbreitungsgebietes der Rotbuche. Kein anderes Land hat einen vergleichbar hohen Anteil an diesem Areal und viele Buchenwaldtypen kommen nur hier vor. Alte, naturnahe Buchenwälder zählen heute zu den am meisten bedrohten Lebensräumen. Deutschland trägt daher eine besondere globale Verantwortung für das weltweit einzigartige Naturerbe "Buchenwälder". Darum muss der Erhalt und die großflächige Entwicklung natürlicher und naturnaher Buchenwälder in Deutschland durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden.


Holz "intelligent nutzen" statt "verbrauchen"

Verbrauchst Du noch oder nutzt Du schon? Der nachhaltigen Nutzung des nachwachsenden Rohstoffs Holz sind Grenzen des Wachstums gesetzt. Deshalb sollte die Charta für Holz nicht das Ziel verfolgen, den Holzverbrauch pro Kopf zu steigern, sondern zu einer intelligenten Nutzungsstrategie für Holz weiterentwickelt werden. Hilfreich wäre z.B. der Abbau indirekter Subventionen für energieintensive Baustoffe, denn die Klimaschutzwirkung von Holz lässt sich vor allem durch den Ersatz solcher Produkte fördern. Stoffliche Nutzung und das Holzrecycling bringen mehr für den Klimaschutz, als die Verbrennung von Holz. Außerdem könnte viel Holz gespart werden, indem wir beispielsweise unseren Papierverbrauch halbieren. Jeder Bundesbürger verbraucht jährlich über 220 Kilo! Abgelehnt wird die Steigerung des Holzeinschlags, der verstärkte Anbau exotischer Baumarten und die tendenzielle Abkehr von der Wertholzproduktion zugunsten billiger Massensortimente.


Deutsche Wälder könnten mehr Kohlenstoff speichern

Der Wald in Deutschland war noch 1990 eine bedeutende Senke für das Treibhausgas CO2. Die Holzvorräte waren stetig auf 320 Kubikmeter pro Hektar angestiegen. In natürlichen Wäldern würde aber weitaus mehr als das Doppelte gespeichert und naturnah wirtschaftende Forstbetriebe erzielen auch bei Vorräten um 550 Kubikmeter/ha hohe Erträge. Doch mit den von der Bundesregierung beabsichtigten, und an das Klimasekretariat gemeldeten Holzeinschlagsmengen würden die Holz- und Kohlenstoffvorräte im deutschen Wald massiv abgebaut. Die dadurch verursachten CO2-Emissionen können nicht durch langlebige Holzprodukte oder durch den Ersatz fossiler Energieträger ausgeglichen werden. Damit der Wald nicht selbst zum Verursacher des Klimawandels wird, darf nicht so viel Holz geerntet werden. Mit der flächendeckenden Erhöhung der Vorräte könnten die Wälder wieder zu einer bedeutenden Senke für CO2 werden.


Geht es den Wäldern wirklich so schlecht?

Der Druck auf die Wälder nimmt zu. Die endlichen fossilen Rohstoffe werden knapper und der Holzverbrauch steigt. Und der Raubbau findet nicht nur in Entwicklungsländern statt. Zwar werden immer noch riesige Tropenwaldflächen gerodet, um Holzplantagen anzulegen oder Palmöl zu produzieren. Doch auch in den nordischen, den Borealen Wäldern, steigt der Nutzungsdruck. Ein Beispiel ist zurzeit in Schweden zu beobachten. Wie der größte schwedische Naturschutzverband SSNC (Swedish Society of Nature Conservation) dokumentiert, bewahren weder das schwedische Forstgesetz noch freiwillige Verpflichtungen der Waldbesitzer zur Einhaltung von Zertifizierungsstandards die wenigen in ihrer Ursprünglichkeit noch erhaltenen Waldgebiete vor der Zerstörung durch Kahlschlag [3]. Mehr als 20 Prozent des Zellstoffs für das in Deutschland verwendeten Papiers stammt aus schwedischen Wäldern.

In der durch jahrzehntelange Kahlschlagwirtschaft geprägten schwedischen Waldlandschaft sind nur noch etwa zehn Prozent der Waldfläche in einem naturnahen Zustand erhalten geblieben. Lediglich ein Bruchteil davon steht unter gesetzlichem Schutz. Der Erhalt dieser Überreste an naturnahen Waldstandorten ist die wichtigste Forderung schwedischer Umweltverbände, damit die jetzt schon erschreckend lange Rote Liste der bedrohten Arten nicht noch länger wird.

In Deutschland sind übrigens nur etwa ein Prozent der Waldfläche streng geschützt.


Der Autor ist Koordinator der AG Wald im Forum Umwelt und Entwicklung und Koordinator der Plattform nachhaltige Biomasse.


(1) Link zum Kampagnenbüro: kampagnenbuero@wald2011.de
(2) siehe auch: 10 Kritikpunkte am aktuellen Entwurf der Waldstrategie 2020 (www.nabu.de/themen/wald/waldpolitik/13337.html)
(3) http://www.robinwood.de/Protest.577.0.html


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Stoffliche Nutzung und das Holzrecycling bringen mehr für den Klimaschutz als die Verbrennung von holz.

In der durch jahrzehntelange Kahlschlagwirtschaft geprägten schwedischen Waldlandschaft sind nur noch etwa zehn Prozent der Waldfläche in einem naturnahen Zustand erhalten geblieben.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2011, S. 26-27
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2011