BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1152, vom 09. Sept. 2019 - 38. Jahrgang
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
Niedrigwasser: Kommen jetzt doch die Flachbodenschiffe?
Seit Jahrzehnten predigen die GewässerschützerInnen aus den Umweltverbänden, dass die Schiffe den Flüssen - und nicht umgekehrt angepasst -werden müssten. Positive Resonanz auf diesen Vorschlag gab es in der Binnenschifffahrt und in der Politik nie. Das epochale Niedrigwasser 2018 scheint hier aber zu einem Umdenken geführt zu haben. Zuerst hatte die Ludwigshafener BASF im HANDELSBLATT vom 13.11.18 angekündigt, "den Kauf einer Flotte von Flachbodenschiffen" zu prüfen, "um besser für Niedrigwasser-Perioden am Rhein gerüstet zu sein". Diskutiert werde bei der BASF "sogar der Einsatz von Tragflächenbooten", wurde im HB berichtet. Jetzt hat sich auch Martin Staats, Vorstand der Reederei MSG aus Würzburg und Präsident des Bundesverbands der deutschen Binnenschifffahrt in der ZEIT vom 25.04.19 ähnlich geäußert: Man wolle künftig nicht nur schadstoffärmere Motoren einsetzen, sondern auch "flacher gebaute Schiffe" - und weiter: "Eine Konsequenz aus der Trockenheit ist für uns, dass wir Schiffe mit weniger Tiefgang einsetzen werden." Staats machte aber zugleich deutlich, dass das dauern wird: Man könne "nicht bis morgen die gesamte Flotte ersetzen, das kann niemand bezahlen". Staats bedauerte, dass die Binnenschifffahrt in der Vergangenheit "der politisch vergessene Verkehrsträger" gewesen sei. Das würde sich derzeit aber ändern. "Erstmals ist im aktuellen Koalitionsvertrag ein Masterplan für die Binnenschifffahrt verankert." Staats bezog sich mit dieser Aussage auf folgende Passage im Koalitionsvertrag der GroKo:
"Gemeinsam mit dem Gewerbe werden wir einen 'Masterplan Binnenschifffahrt' entwickeln. Wichtige Bestandteile werden die Modernisierung und Umweltfreundlichkeit der Flotte, Anreizsysteme sowie Infrastruktur/Logistik sein" (Zeilen 3811-3812). Der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Binnenschifffahrt nutzte das ZEIT-Streitgespräch mit dem BUND-Chef, Hubert Weiger, in dem Zusammenhang auch zu einem Seitenhieb auf die Bahn: "Für die Bahn sind wir Binnenschiffer die ärgsten Konkurrenten und ein Hassobjekt."
Die Vorschläge und Forderungen, am Rhein weitere Staustufen zu
errichten, hat Gottfried Mai-Stürmer, Geschäftsführer des
Regionalverbandes Franken des BUND in Heilbronn, kommentiert:
"Der Optimist interpretiert: Flachere Schiffe, bessere
Pegelvorhersagen und mehr Lagerkapazität sind doch schon mal ganz gut,
lassen sich viel schneller realisieren und sind vermutlich auch
kostengünstiger als die Eingriffe der Rheinvertiefung - und werden
diese überflüssig machen.
Der Pessimist interpretiert: Flachere
Schiffe, bessere Pegelvorhersagen und mehr Lagerkapazität sind nur
Dekoration, um die Rheinvertiefungen durchzusetzen und dafür Akzeptanz
zu beschaffen. Die Erfahrung mit den integrierten Flussprogrammen und
mit dem Hochwasserschutz sprechen für die pessimistische
Interpretation."
In den Denkspielen der BASF für eine gesicherte Versorgung des
Standortes Ludwigshafen spielen aber nicht nur Flachbodenschiffe eine
Rolle. Bei einem Brainstorming war man auch auf den kühnen Einfall
gekommen, eine Pipeline zum Chemikalientransport im Rhein zu verlegen.
Und der Berliner Tagesspiegel zitierte am 25.11.18 den
Vorstandsvorsitzenden der BASF, Martin Brudermüller, mit Überlegungen
für neue Staustufen im Rhein:
"Wenn weniger Wasser reinfließt, darf eben auch nur weniger
rausfließen. Dafür wären dann Schleusen und Stauwerke erforderlich"
(...) "Über solche Infrastrukturinvestitionen müssen wir diskutieren."
Derartige Überlegungen werden aber weder in der BASF noch außerhalb des Konzerns sonderlich ernst genommen. Worauf die BASF aber ganz großen Wert legt, ist die "Abladeoptimierung Mittelrhein" (siehe RUNDBR. 1098/3-4). Dazu sollen auf einer 50 km langen Mittelrheinstrecke störende Sandbänke und Felsrippen "schonend" entfernt werden, um DAS Nadelöhr am Mittelrhein zu beseitigen. Die Beseitigung der Untiefen hat im Bundesverkehrswegeplan den mit Abstand besten Kosten-Nutzen-Effekt aller der dort aufgeführten Projekte erhalten. Auch die Verkehrs- und Wirtschaftsminister der rheinanliegenden Bundesländer setzen sich seit Jahren mit Vehemenz für die "Abladeoptimierung Mittelrhein" ein. Zuletzt hatte sich nach einem Gespräch mit der BASF erneut der rheinland-pfälzische Verkehrsminister für die Beseitigung der Untiefen im Mittelrheinabschnitt stark gemacht. ...
Dass die BASF inzwischen Power hinter die "Abladeoptimierung Mittelrhein" macht, liegt am Dürresommer und -herbst 2018. In der 153-jährigen Geschichte der BASF habe man nie einen solchen Sommer erlebt, heißt es in Ludwigshafen. Um die Produktion im weltgrößten geschlossenen Chemiekombinat der Welt kontinuierlich aufrecht zu erhalten, muss der Standort Ludwigshafen täglich mit 20 Güter- und Tankschiffen versorgt werden. Weil im Herbst 2018 kaum noch ein Tankschiff in Ludwigshafen angekommen ist, musste die BASF Umsatz- und Gewinneinbußen in Millionenhöhe hinnehmen.
Anfang Texteinschub
Masterplan Binnenschifffahrt:
Beschleunigte Ausbaumaßnahmen
Der auf S. 1 erwähnte "Masterplan Binnenschifffahrt" ist im Mai 2019
veröffentlicht worden. Der Masterplan spricht fast alle Hemmnisse in
der Binnenschifffahrt an - insbesondere den desolaten Zustand der
Infrastruktur und den Personalmangel in den Planungsabteilungen der
Wasserstraßenverwaltung.
"Es ist aber fatal und nicht zeitgemäß, dass die zentralen
Herausforderungen des Klimawandels und der zwingend notwendigen
Verkehrswende keine hinreichende Berücksichtigung in diesem Plan
finden",
hat die LINKS-Fraktion im Bundestag am 14.05.19 die Leerstellen im
Masterplan kritisiert. Das sehen wir ähnlich. Und aufgefallen ist uns,
dass ausgewählte Maßnahmen zum Ausbau der Binnenwasserstraßen durch
ein Beschleunigungsgesetz im Interesse der verladenden Industrie und
der Logistikbranche mit mehr Power durchgesetzt werden sollen.
Dazu will das Bundesverkehrsministerium zur "schnelleren Umsetzung von
Maßnahmen des Vordringlichen Bedarfs-Engpassbeseitigung (VB-E) ein
erforderliches Vorschaltgesetz auf den Weg bringen, in welchem die
Projekte für spätere Maßnahmengesetze identifiziert werden. Dazu zählt
auch die Abladeoptimierung am Mittelrhein."
Für alle, die an Flüssen und Schiffen - aber auch an der
Revitalisierung der Restnatur an den Bundeswasserstraßen -
interessiert sind, dürfte der Masterplan Binnenschifffahrt gleichwohl
eine lohnende Lektüre sein! Zum Download des 28seitigen Plans einfach
"Masterplan Binnenschifffahrt" in eine Suchmaschine eingeben.
Ende Texteinschub
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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1152
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© Freiburger Ak Wasser im BBU
veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2019
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