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ATOM/1214: 4 ever Uranfabrik Gronau? (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 117/2.2013

4 ever Uranfabrik Gronau?

von Dirk Seifert



Unbefristet ist nicht nur die Betriebsgenehmigung für die Uranfabrik in Gronau. Unbefristet ist auch die Lagerung des dabei anfallenden Atommülls. Im März haben wir von ROBIN WOOD über 10.000 Unterschriften für die Stilllegung von Gronau der zuständigen rot-grünen Landesregierung in Nordrhein Westfalen (NRW) übergeben, zahlreiche Aktionen haben stattgefunden: In Gronau muss Schluss gemacht werden mit der Herstellung von Brennstoff für Atomkraftwerke in aller Welt. Der Atomausstieg muss auch bedeuten, dass in Deutschland die Anlagen geschlossen werden, die im Ausland für den Super-Gau sorgen können.


Es ist unglaublich: Alle reden vom Atomausstieg, aber in Gronau wird mit einer auch nach Fukushima unbefristeten Betriebsgenehmigung Uran für den weltweiten Export zum Einsatz in Atomreaktoren angereichert. Doch nicht nur das: Erst jetzt wurde bekannt, dass in Gronau außerdem viele zigtausend Tonnen Uranmüll ohne jede Befristung (!) gelagert werden dürfen.

Uranmüll ohne Entsorgungsnachweis

Recherchen von ROBIN WOOD haben ergeben, dass am URENCO-Standort im britischen Capenhurst, wo ebenfalls Uran angereichert wird, eine Lagerhalle für Uranmüll entstehen soll, in dem das abgereicherte Uran ganz offiziell bis zum Jahr 2120 aufbewahrt werden soll. Weitere Recherchen, u.a. über eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Dorothée Menzner (Linke) bestätigten: Auch in Deutschland darf die URENCO den Uranmüll in Gronau ohne jede zeitliche Begrenzung lagern! Dabei bedient sich der Betreiber URENCO eines einfachen Tricks: Das bei der Anreicherung anfallende abgereicherte Uran wird nicht als Atommüll deklariert, sondern als Wertstoff bezeichnet. Über 20.000 Tonnen dieser so genannten Tails (abgereichertes Uran) sind bis vor einigen Jahren als Wertstoff nach Russland transportiert worden, wo ein kleiner Teil z.B. mit Waffen-Uran aus dem russischen Atombombenprogramm vermischt und zu Brennelementen für deutsche Atomkraftwerke verarbeitet wurde. Nach heftigen Protesten wurden diese Geschäfte jedoch eingestellt. Inzwischen sind rund 13.000 Tonnen dieses Atommülls nach Frankreich transportiert worden. In Pierrelatte soll es von Uranhexafluorid zu Uranoxid (U308) umgewandelt werden, weil es in dieser Form länger lagerbar ist. Bis 2009 sollen rund 1.700 Tonnen in Uranoxid umgewandelt worden sein, die immer noch in Frankreich lagern (Drucksache 17/253). Weitere 6.700 Tonnen Uran, die ebenfalls nach Frankreich sollen, lagern mit Stand 31. Dezember 2012 in Gronau unter freiem Himmel.

Alle 10 Jahre neue Uranmülllager in Gronau

In den nächsten Jahren werden viele weitere zehntausend Tonnen von diesem Material anfallen. 2014 soll deshalb in Gronau eine Lagerhalle in Betrieb genommen werden, in der rund 60.000 Tonnen abgereichertes Uran für die "Wiederverwendung" aufbewahrt werden sollen. Damit nicht genug: Sollte es dabei bleiben, dass die Uranfabrik Gronau weiterhin unbefristet "in alle Ewigkeit" Brennstoff herstellen darf, dann müssen etwa alle 10 Jahre neue Lagerhallen errichtet werden. In der BT-Drucksache 17/8041 teilt die Bundesregierung zu den Lagerkapazitäten in Gronau mit: "Abhängig vom jeweiligen An- und Abreicherungsgrad können im UF6-Tailslager Tails aus mindestens fünf Produktionsjahren, im U308-Tailslager solche aus mindestens zehn Produktionsjahren gelagert werden."

Bereits um das Jahr 2020 herum müsste dann in Gronau eine weitere Lagerhalle für Uranmüll errichtet werden!

Wer nun denkt, dass diese Genehmigung nach umfassenden Prüfungen der Behörden und konkreten Nachweisen von URENCO erfolgt ist, irrt. Denn die Bundesregierung gibt unumwunden zu: "Konkrete Verwendungsvorhaben sind der Bundesregierung nicht bekannt". (17/12943)

Die Hoffnung von URENCO: Langfristig werden die Uranvorkommen zur Neige gehen, dann kann das abgereicherte Uran wieder zu wirtschaftlichen Preisen eingesetzt werden und Gewinne abwerfen. Vorausgesetzt: Die Atomenergie wird weltweit weiter genutzt. Eine Vorstellung, an der die schwarz-gelbe Bundesregierung offenbar keinen Anstoß nimmt (siehe unten)! Deshalb dürfen viele 10.000 Tonnen strahlender Uranmüll bis zu 100 Jahre einfach außerhalb der Atommüllentsorgung aufbewahrt werden.

Im 680 Seiten umfassenden Genehmigungsbescheid für die Erweiterung der Uranfabrik Gronau aus dem Jahr 2005 - erteilt von einer rot-grünen Landesregierung in NRW - heißt es lapidar: 'Unabhängig von einer Abgabe zur Weiterverwendung (Wiederanreicherung, etc.) könnte das Tails langfristig zu radioaktivem Abfall deklariert werden, wenn die Weiterverwendung im gesamten zu betrachtenden Zeitraum nicht gesichert ist. Für entsprechende radioaktive Abfälle ist in Deutschland zur Zeit kein Endlager verfügbar." (S.279) Ein Problem? Offenbar nicht: Dann muss eben mal irgendwann in ferner Zukunft für viele 10.000 Tonnen Strahlenmüll ein Endlager gesucht werden.

Sicher, sicher

Inzwischen haben die Entsorgungskommission im Auftrag der Bundesregierung und die rot-grüne Landesregierung in NRW ihre Überprüfungen der Uranfabrik Gronau abgeschlossen und die Ergebnisse vorgelegt. Zwei Jahre nach Fukushima heißt es: "Alles gut - alles rechtens". Hier reicht nicht mehr der Platz, um detailliert auf Mängel der Sicherheitsüberprüfungen einzugehen. Im Kontext des bisherigen: Weder die beteiligten Gutachter vom Öko-Institut noch die rot-grüne Landesregierung kritisieren den fehlenden Entsorgungsnachweis oder formulieren an dieser Stelle Handlungsbedarf für den Gesetzgeber im Bund. Während die Landesregierung einfach schweigt, schreibt das Öko-Institut unter der Rubrik "Entsorgung radioaktiver Abfälle": "Die im Betrieb anfallenden Tails sind nicht als radioaktive Abfälle eingestuft und werden daher hier nicht behandelt." (Kurzfassung Ergebnisse der Begutachtung, Zweite Sicherheitsüberprüfung der UAA in Gronau, S.11). Schade, dass der Atommüll damit nicht wirklich aus der Welt gezaubert wird.

Viel Arbeit bis zur Stilllegung

All das zeigt: Es bleibt für ROBIN WOOD und die westfälischen Anti-Gronau-Initiativen noch jede Menge Arbeit, um den Atomausstieg voranzubringen. Und Endlagerdebatten hin oder her: Um den Umgang mit den strahlenden Hinterlassenschaften der Atomwirtschaft ist es nach wie vor katastrophal bestellt. Wie viel Arbeit noch vor den Anti-Atom-Gruppen liegt, macht ein Blick in Richtung Bundestagswahlen deutlich: Die Uranfabriken in Gronau (und der benachbarten Uranfabrik in Lingen, die ebenfalls unbefristet Brennelemente herstellt) spielen für keine Partei - mit Ausnahme der Linken - derzeit eine Rolle: Die derzeitige Bundesregierung macht deutlich, dass sie im unbefristeten Weiterbetrieb der Uranfabrik Gronau keinen Widerspruch zur Atomausstiegspolitik und daher keinen Handlungsbedarf sieht.

Doch auch von den Grünen und der SPD ist nicht viel zu erwarten. Im Grünen Programm-Entwurf für die Bundestagswahlen heißt es: "Bis zum beschlossenen Atomausstieg müssen die noch verbleibenden Atomkraftwerke so sicher wie nur irgend möglich sein, bei schweren Sicherheitsbedenken müssen AKWs bereits früher vom Netz genommen und so der Atomausstieg beschleunigt werden." (BTW-E-O1, S.5). Am Atomgesetz soll nicht mehr gerüttelt werden. Gronau? Lingen? Keine Silbe. Zwar dürfte aus NRW noch ein entsprechender Antrag kommen, in dem die Stilllegung von Gronau gefordert wird. Aber mehr als Lippenbekenntnisse sind kaum zu erwarten. Auch im Wahlprogramm der SPD ist von Gronau keine Rede.

Ebensowenig wie in einem im März in den Bundestag eingebrachten Antrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird "weiterhin am beschlossenen Atomausstieg unter Berücksichtigung des fortschreitenden Systemumbaus und unter regelmäßiger Überprüfung der Möglichkeit eines früheren Atomausstieges festzuhalten" (BT-Drucksache 17/12688). Darin fordert die SPD-Fraktion zwar, den Atomausstieg international voranzubringen, nennt Beispiele, wo es Handlungsbedarf gibt, aber: kein Wort über die Uranfabriken in Gronau und Lingen. Keine Ankündigung, dass diese Anlagen per Atomgesetznovelle zumindest im Betrieb befristet oder besser sofort stillegelegt werden.

Über 10.000 Unterschriften für die Stilllegung von Gronau hat ROBIN WOOD gemeinsam mit Anti-Atom-Initiativen kurz vor dem zweiten Fukushima-Jahrestag an die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf übergeben. Infotouren und zahlreiche Aktionen gegen Atomtransporte aus Gronau haben stattgefunden. Klar ist: Wir werden weiter Druck machen und uns dafür einsetzen, dass Uranfabriken wie in Gronau und Lingen endlich dicht gemacht werden!


Dirk Seifert, Energiereferent ROBIN W00D,
www.robinwood.de/uran


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- 6. März 2013: Kurz vor dem zweiten Jahrestag von Fukushima überreichte ROBIN WOOD gemeinsam mit Initiativen aus dem Münsterland über 10.000 Unterschriften für die Stilllegung der Uranfabrik Gronau. Zuerst konnten die Anti-Atom-Gruppen in der Landespressekonferenz ihre Forderungen erläutern. Dann ging es weiter zum NRW-Wirtschaftsministerium

- Im Wirtschaftsministerium sitzt die für Gronau zuständige Atomaufsichtsbehörde. Dort entrollten ROBIN WOOD und der BBU ihre Transparente

- Die über 10.000 Unterschriften für die Stilllegung von Gronau waren dem Thema angemessen in Atommüllfässer verpackt

- Dietmar Nottebohm von der Atomaufsicht und der Pressesprecher Matthias Kietzmann nahmen von ROBIN WOOD Vorstand Florian Kubitz die Unterschriften entgegen

- Auch das Gewinner-Foto aus einer ROBIN WOOD-Facebook-Aktion zum Thema "Bilder über Gronau" wurden den Vertretern der Behörde überreicht. Herzlichen Dank an Alle, die unsere Unterschriftenaktion unterstützt und sich unserer Forderung: "Uranfabrik stoppen" angeschlossen haben!

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 117/2.2013, S. 30-32
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Verlag: ROBIN WOOD-Magazin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2013