Stop Trinity - 3.10.2022
Sinn und Unsinn von E-Autos
Diskussionsveranstaltung auf der Trinity-Mahnwache am 5.10.
Das verspricht einige Spannung - jedenfalls dann, wenn auch
Befürworter*innen von E-Autos kommen. Denn die Aktivist*innen der
Stop-Trinity-Mahnwache laden für Mittwoch, 5.10., um 16 Uhr zu einer
offenen Streitdiskussion über den Sinn und Unsinn von E-Autos ein.
Bereits zugesagt haben die Autor*innen des "Aktionsbuches
Verkehrswende". Eingeladen sind zudem Gewerkschaften und der
VW-Konzern selbst. Ob sie kommen, ist zurzeit noch unklar. "Wir würden
uns freuen, denn wir stellen unsere Positionen gerne auf den
Prüfstand", heißt es von den Verkehrswende-Aktivist*innen, die mit
ihrer Mahnwache genau gegen eine reine Antriebswende, also den
Austausch nur der Motortechnik protestieren. Sie wollen eine
umfassende Verkehrswende. Ihre Position zu E-Autos haben sie in einem
aktuellen Faktenpapier zusammengestellt, welches sie auf der
Streitdiskussion auch präsentieren und im Internet bereits
veröffentlicht haben auf
https://stoptrinity.blackblogs.org/wir-wollen-keine-elektro-autos-weil.
Die Diskussion ist für alle Interessierten offen. Die Mahnwache ist an
der K31-Verbindungsstraße von Warmenau nach Brackstadt und dort auf
der rechten Seite zu finden.
Alle Termine der Mahnwache werden ständig auf
https://stoptrinity.blackblogs.org/programm veröffentlicht.
*
Faktenpapier
Der Auto- und Güterverkehr auf der Straße erzeugt eine große Menge
gesellschaftlicher Probleme: Riesiger Flächen- und
Ressourcenverbrauch, Unfälle mit Toten und Verletzten, Feinstaub- und
CO2-Emissionen, Lärm und ständige Bedrohung anderer
Verkehrsteilnehmer*innen. Der Austausch des Motortyps verändert nur
einen dieser vielen negativen Folgen des Autoverkehrs und weist selbst
da eine zweifelhafte Bilanz auf. E-Autos sind daher kein Beitrag zur
Verkehrswende. Es ist wichtig, die Werbung für die Elektro'mobilität'
(gemeint ist bei dem Begriff meist nur das Auto, dabei fahren Trams,
Züge und E-Bike auch mit Elektromotor - und das viel
umweltfreundlicher!) zu entzaubern. Denn:
1. Die meisten Probleme des Autoverkehrs bleiben.
2. Nur die CO2-Bilanz könnte besser werden - und selbst das ist
zweifelhaft.
3. Einiges wird sogar schlimmer.
4. Der Umbau für E-Autos blockiert die wirkliche Verkehrswende.
Das soll im Folgenden genauer ausgeführt werden.
1.1 Unfälle, Tote, Verletzte, ständige Gefahren
Acht bis neun Tote pro Tag, dazu 1.053 Verletzte - das ist die Bilanz
des Straßenverkehrs allein in Deutschland (Zahlen aus 2019). Weltweit
sind es 3.700 Tote, jeden Tag! Durch Gewöhnungseffekte wird dieses
ständige Gemetzel nicht nur gleichgültig hingenommen, sondern statt
einer 'Entwaffnung' der Mobilität werden deren Opfer aus dem
Straßenraum verdrängt. Besorgte oder überforderte Eltern verbieten
ihren Kindern das Verlassen der Wohnung, Verwaltungen und
Einrichtungen zäunen Spielplätze und Kindergärten ein. Das Auto darf
frei fahren, der Mensch wird eingesperrt. Durch den Austausch des
Motors wird sich an dieser unmenschlichen Situation nichts ändern.
1.2 Bleibt: Feinstaubbelastung
Die Erzählung vom emissionsfreien Fahren per E-Motor ist ein Märchen.
Die Feinstaubbelastung in der Luft stammt zu großen Teilen vom Reifen-
und Bremsenabrieb, der bei E-Autos wegen ihres hohen Gewichts eher
größer sein dürfte. Zudem fahren sie mit Strom, der irgendwo und
irgendwie produziert und verteilt werden muss (siehe Punkt 2.1).
1.3 Kein Vorteil, wo es wichtig wäre: Lärmschutz an vielbefahrenen
Straßen
Nicht einmal beim Lärm werden wesentliche Vorteile eintreten, denn ab
einer Geschwindigkeit von 30 km/h übertönt der Reifenlärm den des
Motors, so dass E-Autos nur bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten
Vorteile bieten könnten. Allerdings würde das wiederum die Gefahr von
Unfällen erhöhen, weshalb die EU-Verordnung 540 vorschreibt, dass
E-Autos ein künstliches Geräusch abstrahlen müssen - und so gibt es
auch beim Lärm keine Entlastung.
Nach Tesla will auch VW eine riesige neue Autofabrik bauen - für
E-Autos. Das zeigt: Es sollen insgesamt mehr Auto werden - des
Profits wegen!
2.1 Geringer CO2-Ausstoß? Nur mit Ökostrom - und der
fehlt...
Der einzige behauptete Vorteil von E-Autos gegenüber Verbrennern ist
die mögliche Verringerung des CO2-Ausstoßes. Doch selbst das ist
zurzeit nicht zu erwarten. Denn die Ökostrommengen im Stromnetz
reichen bei weitem nicht aus, um den Strombedarf zu decken. Neue
Stromverbraucher würden also rechnerisch auf Atom-, Kohle- und
Gasstrom zurückgreifen und die Umstellung auf 100% regenerative
Energie verzögern. Dass alle behaupten, sie würden die Ökostromanteile
verbrauchen (und die anderen dann den dreckigen Strom), ist unlauter.
Hinzu kommt, dass die meisten E-Autos eher am Tag gefahren und in der
Nacht geladen werden - zuhause oder in der Firma. Dort braucht es dann
entweder zusätzlicher Akkus, was noch mehr Rohstoffverbrauch bedeutet,
oder die Autos werden doch mit dreckigem Strom geladen, auch wenn eine
Photovoltaik auf dem Dach vorhanden ist.
Weiter verschlechtert wird die Bilanz dadurch, dass ein E-Motor nicht
genug Abwärme für die Heizung abgibt. Zusätzliche Wärmeproduktion
verbraucht dann viel Strom, der in den Modellrechnungen oft
verschwiegen wird und die Reichweite deutlich reduziert.
2.2 In jedem E-Auto fahren mehrere Verbrenner mit
Sehr ähnlich wirkt die erlaubte Gegenrechnung beim sogenannten
Flottenverbrauch eines jeden Autokonzerns, bei dem eine
durchschnittliche Emissionsmenge aller verkauften Autos vorgeschrieben
wird. E-Autos werden (wider jeglicher Physik) mit Null bewerten, d.h.
für jedes verkaufte E-Auto dürfen die Autobauer auch wieder mehr
Verbrenner verkaufen (auch wenn die E-Autos, wie es zurzeit passiert,
schnell ins Ausland verschoben werden). Reine E-Auto-Konzerne wie
Tesla finanzieren sich zum Teil aus dem Verkauf dieser Rechte an
andere Autokonzerne, die dann mit diesen Rechten wiederum Verbrenner
verkaufen. Rechnerisch fährt damit in jedem E-Auto, auch des
Herstellers Tesla, mindestens ein Verbrennungsmotor mit.
2.3 Reboundeffekt I: Wer Autofabriken baut, wird mehr Autos
ernten
Bislang ist es statistisch eindeutig: Jeder Ausbau der
Verkehrsinfrastruktur erhöht das Verkehrsaufkommen. Das gilt auch für
E-Autos. Die Gesamtzahl der Autos und der gefahrenen Kilometer steigt
durch die großangelegten Förder- und Ausbauprogramme. Besondere
Begünstigungen für E-Autos wie die Mitbenutzung von Busspuren,
kostenloses Parken, Einfahrt in sonst für Autos gesperrte Zonen und
kostenloser Strom verstärken den Trend zu noch mehr Fahrten.
2.4 Reboundeffekt II: Greenwashing führt zu mehr Fahrten
Hinzu kommt ein Reboundeffekt auch in der privaten Nutzung. Er
bedeutet, dass eine Verbesserung an einer Stelle zu
Verhaltensänderungen an anderen Stellen führt, die positive Effekte
teilweise oder ganz aufheben. Für die Nutzer*innen von E-Autos ist
bereits nachgewiesen, dass sie dieses häufiger nutzen und damit vor
allem ÖPNV-Fahrten, aber auch manch Fahrradtour ersetzen. Das
suggerierte gute Gewissen führt offenbar zu einer hemmungsloseren
Nutzung des fahrbaren Untersatzes.
3.1 Wird sogar schlimmer: E-Autos sind oft zusätzliche Autos
2021 sind die Zulassungszahlen in Deutschland auf Rekordhöhe
gewachsen. Einen erheblichen Anteil daran haben die E-Autos. Denn die
großen Limousinen werden als zusätzliche Statussymbole, die kleinen
E-PKWs als Zweit- und Drittwagen gekauft. Die Käufer*innen stammen in
beiden Fällen überwiegend aus den reicheren Schichten. E-Autos erhöhen
folglich die Gesamtzahl der Autos. Da sie (siehe Punkt 2.4) auch noch
öfter gefahren werden, erhöhen sie den Energieverbrauch und die
Unfallgefahren und führen zum Bau weiterer Parkplätze und Straßen.
Heiko Barske, Leiter der VW/Audi-Konzernforschung (1991) Das
Elektroauto ist ein Fahrzeug für Reiche; die Armen müssen mit
öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.
3.2 Steigt auch: Rohstoffverbrauch in der Produktion
E-Autos verbrauchen mehr Rohstoffe bei der Herstellung als Verbrenner
und benötigen vor allem für die Akkus viele spezielle Stoffe, für die
in Erwartung der E-Auto-Kaufflut weltweit bereits ein heftiger Kampf
um Abbaurechte läuft. Z.B. führt die Lithiumgewinnung in den
Salzebenen der südamerikanischen Anden schon jetzt zu
Trinkwasserverknappung. Zudem wird das begrenzte Vorkommen der
Akku-Rohstoffe zu einem weltweiten Gefälle der Automobilität führen,
da nur die reichen Industrienationen Lithium-Vorräte ausbeuten und
aufkaufen können.
3.3 Wird wahrscheinlich ebenfalls schlimmer: Flächenbedarf
Eines der größten Probleme des LKW- und PKW-Verkehrs schafft der
enorme Flächenbedarf zum Fahren und Abstellen der fahrbaren
Untersätze. 0,6 qm Spielplatzfläche gibt es pro Kind in großen Städten
wie Berlin. 12 qm groß ist hingegen jeder Parkplatz. E-Autos brauchen
genauso Platz (Straßen, Parkplätze usw.) wie die bisherigen Autos, zum
Teil sogar etwas mehr, weil sie größer und schwerer sind mit ihrer
Akkulast. Der PKW-Verkehr benötigt rund viermal mehr Fläche als ein
Verkehrssystem, das auf Fußwegen, Radfahren und öffentlichen
Verkehrsmitteln beruht. Diese ungerechte Flächenverteilung zwischen
Autos einerseits sowie Mensch und Natur andererseits bliebe bei einer
Umstellung auf Elektromotoren in vollem Umfang erhalten.
3.4 Wird auch eher schlimmer: Unfälle
Die Toten und Verletzten haben ebenfalls nichts von einem
Antriebswechsel. Es bliebe beim hohen Blutzoll von weltweit einer
Million Straßenverkehrstoten pro Jahr - eventuell sogar noch
gesteigert durch die steigende Menge an Autos und durch die schnellere
Beschleunigung, die E-Autos an Ampeln, beim Abbiegen und beim Starten
zu gefährlicheren Waffen macht. Kommt es bei einem Unfall zum Brand,
sind E-Autos wegen der Stromflüsse nur unter großen Schwierigkeiten zu
löschen.
4.1 Riesenbaustellen mit Blockade des ÖPNV-Ausbaus
Der Aufbau einer Schnellladeinfrastruktur wird riesige Geldsummen
verschlingen und flächendeckend Baustellen in Stadt und Land schaffen.
Mit dieser Power wäre der Umbau auf Straßenbahnen im Stadtbereich, die
Reaktivierung und Elektrifizierung von Bahnlinien mit Zubringerlinien
per Bus und vielen Fahrradstraßen überall locker zu bewältigen. Beides
gleichzeitig allerdings wird kaum zu leisten sein. Die Umstellung auf
E-Autos wird die Verkehrswende daher nicht unterstützen, sondern
auffressen.
4.2 Geld- und Aufmerksamkeitsfresser E-Autos
Elektro- statt Öl- und Gasantrieb ist im Prinzip eine gute Idee,
jedoch bei den gefährlichen, rohstoff- und flächenintensiven PKWs
völlig falsch angewendet. Stattdessen sollte die Reaktivierung und
vollständige Elektrifizierung von Bahnlinien vorangetrieben werden
(zurzeit sind nur knapp über 61 Prozent des Bundesschienennetzes
elektrifiziert). Alle Städte ab ca. 30.000 Einwohner*innen sollten
moderne Straßenbahnsysteme erhalten, am besten direkt angebunden an
die regionalen Schienenstrecken (RegioTram-Prinzip). Die aktuell
forcierte Umstellung auf E-Autos drängt diese sinnvollere Art der
Verkehrswende in den Hintergrund - finanziell, von der Aufmerksamkeit
und von allen Ressourcen her.
Aus einem Interview mit dem Pro Bahn-Landesvorsitzenden Malte Diehl,
in: taz am 20.9.2022
Warum ist man in Niedersachsen so zögerlich, Bahnstrecken zu
reaktivieren, Herr Diehl? Die Vorteile liegen ja eigentlich auf der
Hand.
Malte Diehl: Die amtierende Landesregierung hat da keinen großen
Ehrgeiz an den Tag gelegt und sich mehr darum gekümmert, das Thema
Elektromobilität bei Pkws voranzutreiben.
Das Werben für die Elektrifizierung von LKWs und PKWs dient der
Aufrechterhaltung des Status Quo, also der Bevorzugung des
motorisierten Individualverkehrs im Mix der Verkehrssysteme - und soll
den Kauf neuer Autos ankurbeln. Zentraler Propagandatrick ist dabei
die Reduzierung der Debatte auf die Frage des CO2-Ausstoßes am
Fahrzeug selbst. Dadurch werden viele Probleme verschleiert, die
bestehen blieben oder sogar zunehmen würden. Die Art der Debatte zeigt
aber auch, dass die Verkehrswende oft nur als rein technische Frage
gesehen wird. Es geht um Antriebe und Grenzwerte, PS und Dezibel. Die
Fans der E-Autos nehmen es als normal hin, dass riesige Flächen allein
dem Verkehr, vor allem dem Autoverkehr gewidmet sind, während die
meisten Menschen sowie erst recht Tiere und Pflanzen auf kleine
Refugien begrenzt werden. Mobilität ist jedoch vor allem eine soziale
Frage, bei der es um Gleichberechtigung und Bewegungsfreiheit geht,
also um sehr grundlegende Fragen der Gestaltung unseres Lebens. Es ist
an der Zeit, sich von einer Mobilitätsform zu verabschieden, die tötet
und verletzt, Zeit und Geld klaut, Kinder in Käfige zwingt, riesige
Flächen verschlingt, lärmt und stinkt - und stattdessen eine zu
suchen, die Platz und Ressourcen spart, barrierefrei und gut
kombinierbar ist mit den beiden wichtigsten Formen der Mobilität: Zu
Fuß und per Fahrrad. Das sind vor allem Schienenverkehr und
Seilbahnen, ergänzt um Busse als Zubringer von Haustür zu
Bahnhaltestelle.
Mehr Informationen:
• Infoseite im Internet: e-autos.siehe.website
• Verkehrswende-Bücher zum Thema: verkehrsbuch.siehe.website
• Streitgespräch zu E-Autos auf Youtube: youtu.be/mWV4lUpXu00
• Aktuelle Aktion gegen neue E-Auto-Fabrik:
stoptrinity.blackblogs.org
*
Quelle:
Stop-Trinity
Meldung vom 3.10.2022 und
Faktenpapier "E-Autos? Keine gute Idee..." (creative commons)
E-Mail: stop-trinity@riseup.net
Internet: stoptrinity.blackblogs.org
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 4. Oktober 2022
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