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ENERGIE/1430: Energiewende - Keine neuen Kohlemeiler (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 3/2011
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

TITELTHEMA
Energiewende
Keine neuen Kohlemeiler

von Tina Löffelsend


Die Bundesregierung hat in Sachen Atomkraft eine bemerkenswerte Wende hingelegt. Bei ihrer Klimapolitik ist dergleichen nicht erkennbar. Unbeirrt setzt sie weiter auch auf schmutzige Kohlekraft. 40 Prozent der deutschen Treibhausgase fallen heute in der Stromerzeugung an. Eine Kehrtwende ist dringend und überfällig.

Zusätzlich zehn Gigawatt Leistung aus neuen fossilen Kraftwerken hält die Bundesregierung für nötig, um Deutschland sicher mit Energie zu versorgen. Den Bau dieser Kraftwerke - darunter auch Kohlemeiler - will sie ab 2013 gar mit Geld aus dem neuen Energieund Klimafonds fördern. Nun ist der Regierung zugutezuhalten, dass der Atomausstieg zumindest für sie recht überraschend kam. Szenarien diverser Institute aber zeigen, dass die Klimaziele, zu denen Deutschland sich verpflichtet hat, ohne Atomstrom zu erreichen sind; dass Versorgungsengpässe nicht zu erwarten sind; und dass der Neubau von Kohlekraftwerken unbedingt zu vermeiden ist. Ökologisch und energiewirtschaftlich sind Kohlekraftwerke ein Auslaufmodell.


Zu klimaschädlich

Schon heute sind zehn neue Kohlekraftwerke mit rund 11 Gigawatt Leistung genehmigt und im Bau. Nach durchschnittlicher Laufzeit würden diese für 45 Jahre am Netz bleiben. Mindestens die Hälfte der Projekte allerdings kämpft aktuell mit technischen Problemen (Schwächen im Kesselstahl) oder mit Klagen des BUND. Zehn weitere Kohlekraftwerke sind noch in Planung, wobei einige derzeit nicht weiter vorangetrieben werden. Wie viele neue Kohlekraftwerke wann ans Netz gehen, ist damit unklar.

Jedes einzelne aber wäre eines zu viel. Denn die Bundesregierung strebt eine 80- bis 95-prozentige Reduktion der Treibhausgase bis 2050 an. Legt man das notwendige Maß an - nämlich mindestens 95% weniger -, dürfte die Erzeugung von Strom dann nur noch etwa 16 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr freisetzen (bei 80%: 65 Mio.), so der Sachverständigenrat für Umweltfragen. Doch allein die jetzt im Bau befindlichen zehn Kraftwerke werden jährlich rund 70 Mio. Tonnen ausstoßen.

Und selbst wenn der Wunschtraum der Kohle-Lobby, die riskante Technologie zur Abscheidung und Lagerung von CO2 (kurz: CCS), in neuen, effizienteren Kohlekraftwerken zur Anwendung käme, würde ein solch - hypothetischer - fossiler Kraftwerkspark noch immer mehr emittieren, als die langfristigen Klimaziele erlauben.


Nicht mehr wettbewerbsfähig

Investitionen in neue Kohlekraftwerke rechnen sich schon heute nicht mehr. Auch bei den elf Kraftwerksprojekten, die der BUND und seine Verbündeten seit 2009 gekippt haben, spielte die Rentabilität eine große Rolle. Wegen der großen Investitionssummen sind Kohlemeier auf eine hohe Auslastung angewiesen, müssen rund um die Uhr Strom liefern und verkaufen können. Da die Erneuerbaren aber immer mehr Anteile an der Versorgung übernehmen und auf dem Strommarkt günstiger zu haben sind, werden die Meiler zunehmend mit Absatzschwierigkeiten konfrontiert.

Kohlekraftwerke mit CCS wären übrigens im Schnitt um weitere zehn Prozentpunkte ineffizienter und deutlich teurer, also noch unwirtschaftlicher. Ein zusätzlicher Wettbewerbsnachteil: Sollte der Emissionshandel Tritt fassen, dürften Verschmutzungszertifikate deutlich teurer werden. Zudem sind Kohlekraftwerke auch technisch nicht so konzipiert, dass sie auf die naturgemäß schwankenden Strommengen der vorrangig eingespeisten Erneuerbaren flexibel reagieren könnten.

Nimmt die Energiewende nun tatsächlich an Fahrt auf und geht der Anteil erneuerbarer Energie so schnell nach oben wie der BUND fordert und die Branche selbst für möglich hält (mind. 45% bis 2020), werden klassische Grundlastkraftwerke nicht mehr benötigt.


Flexibilität gefragt

Gefragt sind für den Übergang solche Kraftwerke, die flexibel und rentabel auf die Schwankungen der Erneuerbaren reagieren können - bis diese sich selbst regeln werden. Als Lückenfüller kommen vor allem moderne Gaskraftwerke in Frage, die nicht halb so klimaschädlich sind wie Stein- oder gar Braunkohlekraftwerke. Hier ist wohl ein geringer Zubau von Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung nötig, wobei der Gasverbrauch insgesamt nicht steigen muss. Ein solcher Neubau muss aber laut Umweltbundesamt nicht vor 2020 entschieden werden. Der mögliche Bedarf hängt ja sehr davon ab, ob der Stromverbrauch endlich sinkt, und wie sich die Erneuerbaren, der Netzumbau und die Speichertechnologie entwickeln.

Auch ökonomisch und technisch ist also nur ein Szenario sinnvoll, das ganz auf den schnellen Ausbau der Erneuerbaren setzt. Meint es die Regierung mit der beschleunigten Energiewende und dem Klimaschutz ernst, muss sie neue Kohlekraftwerke verhindern.

Tina Löffelsend ist BUND-Referentin für Klimaschutz.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Dank politischer Reformen hat der Ausbau erneuerbarer Energien Fahrt aufgenommen - Anlass für das Titelthema der Ausgabe 1/03.

www.bund.net/kohlekraftwerke_ stoppen


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Quelle:
BUNDmagazin 3/2011, Seite 18
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2011