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ENERGIE/1490: Energiespeicher für die Energiewende - Interview mit Dirk Uwe Sauer (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 4/2013
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

Energiespeicher für die Energiewende

Interview mit Dirk Uwe Sauer zum Stand der Energiespeichertechnologien für die Energiewende



Die Energiewende nimmt immer mehr Form an. Mit Sonne, Wasser, Wind und Biomasse lässt sich ein System der Energieversorgung aufbauen, dass eine Vollversorgung aus regenerativen Quellen ermöglicht. Damit rückt die Frage nach den notwendigen Bausteinen in den Fokus, damit die fluktuierenden Erneuerbaren zu jedem Moment bereit stehen können. Dies wurde auch in 2013 auf der 8. IRES-Konferenz von EUROSOLAR in Berlin diskutiert. Es zeigt sich, dass der Bereich Energiespeicher mit regenerativen Energien Fahrt aufnimmt. Eine Vielzahl an forschenden Universitäten und Instituten sowie entwickelnde Unternehmen weltweit beschäftigen sich mit Energiespeichern.


Das Thema ist komplex und Fragen prägen die Diskussion, welche Speicher für welche Bereiche heute und in Zukunft gebraucht werden. Welche Strategien braucht es, damit Energiespeicher günstig einsatzbereit sind und welche Rolle werden Speicher in einem 100%-System einnehmen.

SOLARZEITALTER sprach mit Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer, Leiter des Lehrstuhls für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen und wissenschaftlicher Leiter der IRES-Konferenz-Reihe, über Energiespeicher für die Energiewende.


SOLARZEITALTER: Herr Professor Sauer, sind fehlende Energiespeicher die Bremser in der Energiewende?

Sauer: Nein, das tun sie nicht. Just zu diesem Zeitpunkt sind in den meisten Fällen noch gar keine Speicher aus technischen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten notwendig. Dafür ist insgesamt der Anteil Erneuerbarer Energien noch zu klein. Es gibt aber durchaus insbesondere in Süddeutschland einige lokale Probleme im Verteilnetz, das durch hohe Installation von Photovoltaik phasenweise in Überlast gerät. Dort müssen Maßnahmen ergriffen werden. Das können Speicher oder eine Verstärkung des Netzes sein. Aber im bundesweiten Maßstab sind wir noch viel zu weit von dem Punkt entfernt, um zu sagen, dass ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung ohne Speicher nicht mehr möglich ist. Es gibt also keinen Grund, die Geschwindigkeit des Ausbaus zu drosseln.

SOLARZEITALTER: Zu welchem Zeitpunkt braucht es bundesweit Speicher?

Sauer: Bundesweit betrachtet zeigen Rechnungen, dass wenigstens ein Anteil von 40 Prozent Erneuerbare Energien an der Stromerzeugung notwendig sind, damit Speicher dann auch wirtschaftlich betrieben werden können. Das gilt aber nur für die Gesamtenergiebilanz. Lokal im Verteilnetz gibt es jetzt schon sinnvolle Einsatzpunkte für Speicher. Das sind entweder Bereiche mit langen Netzausläufern oder Netzsegmente mit hoher installierter Photovoltaikleistung.

SOLARZEITALTER: Bedeutet dies beim gegenwärtigen Ausbautempo der Erneuerbaren Energien, dass wir uns noch Zeit mit dem Speicherausbau lassen können?

Sauer: Bis Speicher im großen Stil gebraucht werden, können es gut noch 10 Jahre sein. Wie groß das Ausbautempo der Erneuerbaren Energien sein wird, wissen wir ja im Moment noch nicht. Ich denke, darüber bekommen wir erst mehr Klarheit, wenn die neue Bundesregierung im Amt ist und ihre konkreten Pläne für die Überarbeitung des EEGs und andere Maßnahmenpakete rund um die Energiewende vorgelegt hat. Das soll ja etwa im April nächsten Jahres sein. Aber das sind genau die zehn Jahre, die jetzt genutzt werden müssen, um bis dahin zuverlässige, erprobte und wirtschaftliche Speicher auch für große Energiemengen zu haben. Dazu sind intensive Forschung an den Technologien, Demonstrationsprojekte in verschiedenen Einsatzszenarien und Markteinführungsprogramme zum Hochfahren der Produktion notwendig. Da die meisten Technologien nur kostengünstig werden, wenn sie in großen Stückzahlen produziert werden, kommt gerade auch der Markteinführung eine zentrale Rolle bei.

SOLARZEITALTER: Wie ist der Stand der Forschung, um die notwendigen Speichertechnologien bereitzustellen?

Sauer: Die Forschung ist so weit, dass man mit vielen Technologien in die Demonstration und für einige Marktsegmente auch in den Markt gehen kann. Natürlich wird in der Forschung parallel weiter an günstigeren, langlebigeren oder in der Herstellung weniger belastenden Technologien gearbeitet. Was es jetzt zusätzlich aber braucht, sind Demo- und Markteinführungsprogramme, die es eben auch ermöglichen, die Kosten zu senken. Der Ablauf ist genauso wie in der Photovoltaik, nur mit vielleicht 20 Jahren Verschiebung: Produkte werden für Nischenmärkte entwickelt und in den Markt gebracht (bei Speichern und PV waren und sind das netzferne oder mobile Stromversorgungen), großflächige Marktanreizprogramme schaffen einen ersten Absatzmarkt für Hersteller und bringen Erfahrungen für Handwerker und Sichtbarkeit in der Bevölkerung (in der Photovoltaik war das das 1000-Dächer-Programm) und dann können Programme zur Förderung der Technologien die industrielle Massenproduktion voranbringen und damit die notwendigen Kostensenkungen erreichen (für die PV ist dies das EEG gewesen). Für Speicher muss ganz ähnliches realisiert werden, denn speziell Batteriespeichersysteme und Systeme zur Gaserzeugung für die Langzeitspeicherung (insbesondere die Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff aus Strom) werden nur in großen Stückzahlen kostengünstig. Wenn man jetzt zehn Jahre gar nichts tut, dann müsste man dann zu sehr hohen Preisen kaufen, wenn es notwendig ist.

SOLARZEITALTER: Wird es also so ähnlich funktionieren wie das 1000-Dächer-Programm in der Photovoltaik?

Sauer: Ein Markteinführungsprogramm für Speicher ist komplizierter als für die Stromerzeuger. Das hat damit zu tun, dass es bei den Speichern nicht darum geht, soviel wie möglich zu haben, sondern gerade so viel, dass das Gesamtsystem möglichst wirtschaftlich aber auch technisch zuverlässig betrieben werden kann. Wenn zu viele Speicher gebaut werden, dann bricht der Preis derart zusammen, dass sich kein Markt entwickeln kann, und das ist dann ja auch kontraproduktiv. Das heißt, es müssen Programme sein, die die Ausbauraten sehr, sehr präzise entlang des tatsächlichen Bedarfs an Speichern steuern. Dafür haben wir mal einen Konzeptvorschlag gemacht, bislang galt der vielen aber als zu kompliziert. Man muss tatsächlich in den Bereichen anfangen, wo auch heute schon Speicher gebraucht werden. Dazu müssen die Dienstleistungen, die Speicher erbringen können, aber erst Mal in ihrer Gesamtheit in handelbare Produkte gefasst werden, so dass die Betreiber der Speicher damit auch Geld verdienen können bzw. es müssen die positiven Effekte, die Speicher bewirken, als handelbares Produkt entwickelt werden, so dass der Betreiber eines Speichers damit auch Geld verdienen kann.

SOLARZEITALTER: In welchem Bereich sollten die ersten Förderungsprogramme angesetzt werden?

Sauer: Tatsächlich ist es sinnvoll auf die kleinen, dezentralen Speicher zu gehen, wie es ja auch bei dem gerade angelaufenen Markteinführungsprogramm getan wird ...

SOLARZEITALTER: Sie meinen die PV-Hausspeichereigenverbrauchssysteme?

Sauer: Genau, weil die am ehesten da sind, wo einerseits die Probleme im Moment schon auftreten könnten, nämlich beim Ausbau der PV im Niederspannungsnetz. Hier kann ggf. notwendiger Netzausbau durch Speicher vermieden werden. Netzausbau im Verteilnetz ist relativ gesehen viel teurer als im Übertragungsnetz und daher ergeben sich hier interessante Märkte. Dazu kommt, dass Speicher beim Endverbraucher wesentlich mehr Dienstleistungen erbringen, die letztlich seinen Wert steigern. Ein großer Speicher im Übertragungsnetz wie z.B. ein Pumpspeicherkraftwerk kann nur einige Dienstleistung z.B. für den Energiehandel, Reserveleistungsmarkt oder die Schwarzstartfähigkeit erbringen. Ein Speicher direkt in einem Haus oder einem Industrieunternehmen kann zusätzlich eine Eigenverbrauchsoptimierung von selbsterzeugtem Strom, eine unterbrechungsfreie Stromversorgung oder die lokale Netzentlastung bieten. Die dezentralen Speicher können aber bei intelligenter gemeinsamer Steuerung vieler dezentraler Speicher auch fast alle Dienstleistungen der großen, zentralen Speicher erbringen, nur eben zusätzlich auch noch den lokalen Nutzen liefern, der in den meisten Fällen ein wesentlich höheres Ertragspotential hat. Dazu kommt, dass die kleinen Speicher mit relativ überschaubaren Fördersätzen auskommen, weil die Speicher durch die Eigenverbrauchsoptimierung einen hohen Wert generieren, der in der Höhe in anderen Anwendungen nicht erzielt werden kann.

SOLARZEITALTER: Für Speichertechnologien sind Kosten ein zentrales Thema. Wie steht es um die Marktfähigkeit in naher Zukunft?

Sauer: Die Kosten zumindest aller elektrochemischen Systeme werden jedenfalls massiv runtergehen. Marktfähig ist aber eine kompliziertere Frage, denn die beinhaltet ja nicht nur die Kosten der Speicher selber, sondern auch den Preis, den der Markt bereit ist, für die Speicherdienstleistung zu bezahlen. Speicher sind nicht alternativlos. Heute ist z.B. der Ausgleich der fluktuierenden Stromerzeugung aus Wind und Sonne noch günstiger mit konventionellen Kraftwerken zu machen, deswegen gibt es aktuell keinen Speicherbedarf auf der globalen Übertragungsnetzebene. Aber auch die weitere Flexibilisierung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) oder Biogasanlagen und die flexiblere Steuerung des Verbrauchs inkl. der Erzeugung von Wärme aus Überschussstrom sind technische Alternative zu Speichern. Große Wärmespeicher für die kurzfristige aber auch die saisonale Speicherung von Wärmeenergie für den immer noch größten Verbrauchssektor, dem Wärmemarkt, werden eine ganz wichtige Rolle spielen. In Dänemark ist man damit z.B. deutlich weiter als bei uns und es werden extrem interessante Investitionskosten für große saisonale Wärmespeicher erreicht. Bei der Verwendung von Überschussstrom werden also sicher auch die Gaserzeugung (Power to Gas) und die Wärmeerzeugung und Speicherung in großem Wettbewerb stehen.

Somit besteht ein grundsätzlicher Wettbewerb zwischen elektrischen Speichern und diesen Technologien. Die Größe des Marktes für Speicher wird also auch von deren Kosten abhängen.

Viele Speichertechnologien haben aber noch ein sehr großes Kostensenkungspotential. Das sehen wir im Bereich Lithium-Ionen-Batterien z.B. im Automobilsektor. Da sehen wir schon jetzt Preisreduktionen, die eigentlich erst für 2020 erwartet worden sind. Grundsätzlich gilt das für fast alle Technologien - aber eben nur, wenn die entsprechenden Stückzahlen erreicht werden. Es gibt Marktsegmente, in denen auch bei hohen Speicherkosten heute schon Geld verdient werden kann. Dazu gehörten z.B. die netzfernen Stromversorgungen. 1,5 bis 2 Milliarden Menschen sind auf lokale Stromversorgung ohne Netzanbindung angewiesen. Dort sind immer Batterien im Einsatz. Dazu kommen eben die Hausanwendungen mit ihrem Vielfachnutzen und hohem Ertrag, in denen Speicher auch bei den derzeit noch hohen Preisen schon bald Geld verdienen können. Auch im Primärregelenergiemarkt lässt sich im Prinzip Geld mit einem Speicher verdienen. Hier liegen die Schwierigkeiten in zwei Bereichen: Aus technischer Sicht ist die Präqualifikation nicht einfach und aus wirtschaftlicher Sicht ist die Finanzierung schwierig.

SOLARZEITALTER: Gibt es für jeden Bereich bereits die richtige Technologie?

Sauer: Ja, grundlegende neue Erfindungen von Technologien sind nicht notwendig, aber sie sind dann hochwillkommen, wenn sie das Potential dazu haben, Speicherdienstleistungen zu geringeren Kosten anzubieten, als die heute bereits bekannten Technologien. Aber auch ohne neue Technologien kann das Problem der Integration Erneuerbarer Energien gelöst werden.

Für die Kosten einer Speicherdienstleistung sind die Lebenszykluskosten von Relevanz. Diese ergeben sich aus der Kombination von unter anderem dem Wirkungsgrad, der Lebensdauer, den Investitionskosten oder dem Wartungsbedarf einerseits und dem Anforderungs- und Belastungsprofil andererseits. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Zahl der Abrufe der Energie aus dem Speicher. Insbesondere die Langzeitspeicher haben nur sehr wenige Zyklen und stellen daher besondere Anforderungen an sehr geringe Investitionskosten.

Aber es gibt sicher Potentiale für neue Technologien, die geringere Kosten ermöglichen. Dazu gehören eine große Zahl von Materialkombinationen für stationäre Batterien. Während im Automobilbereich sehr stark auf die Lithium-Ionen-Technologie fokussiert wird, weil die wesentlichen Anforderungen hier geringes Volumen und Gewicht sind und damit alle anderen Anforderungen überstrahlen, sind diese Eigenschaften im stationären Bereich nur von nachgeordneter Bedeutung. Deshalb spielen im Bereich stationärer Speicher auch heute eine Vielzahl "alter" und "neuer" Technologien eine Rolle: Bleibatterien, natriumbasierte Batterien mit wässrigen Elektrolyten, Natrium-Schwefel- oder Natrium-Nickel-Chlorid-Hochtemperaturbatterien, Redox-Flow-Batterien mit einer Vielzahl von Materialkombinationen usw. Alle diese Technologien haben geringere Energiedichten als Li-Ionen-Batterien, aber die eingesetzten Rohmaterialien haben das Potenzial kostengünstigere Speichersysteme zu ermöglichen. Bei einer 100% Versorgung aus Wind und Sonne tragen die Speicher nach verschiedenen Studien zwischen 15 und maximal 20% zu den Gesamtkosten bei, wenn man heutige Technologien mit ihren realistischen Kostensenkungspotentialen annimmt. Eine Halbierung der Speicherkosten würde also nur einen Effekt von weniger als 10% auf die Gesamtkosten einer vollständig erneuerbaren Energieversorgung haben.

SOLARZEITALTER: Die Speicherkonferenz fand nun zum 8. Mal statt, was war für Sie das Highlight?

Sauer: Technologisch ist das schwer zu sagen. In diesen Bereichen gibt es keine Sprungfunktionen. Es ist nicht so, dass plötzlich etwas aufs Tapet kommt, mit dem man noch gar nicht gerechnet hatte und das einen vollkommen überrascht. Das Wichtigste ist sicher, dass eine weitere Professionalisierung der Anbieter von Speicherlösungen zu erkennen ist. Das gilt sowohl für kleine Start- upUnternehmen als auch für große Unternehmen, die sich in dem Bereich engagieren. In den meisten Technologiebereichen gibt es mittlerweile sowohl Demonstrationsprojekte als auch verschiedene kommerzielle Installationen, die bis in den MWBereich gehen. Das ist noch vor den Markteinführungsprogrammen eine ganz wichtige Phase, um Betriebserfahrungen zu sammeln und den ganzen Umfang der Kosten, die bei einer Installation auftreten, zu kennen. Dann sehen wir natürlich, dass sich im Bereich dieser Hausspeichersysteme eine echte Firmenlandschaft ausbildet. Die Stückzahlen sind nicht riesengroß, aber es wird geschätzt, dass in diesem Jahr in Deutschland etwa 7.000 solcher Systeme abgesetzt werden, ein guter Teil davon auch ohne Förderung. Nur durch die Entwicklung dieser Märkte wird es eine Preisreduktion geben. Das ist wie bei der Photovoltaik: Die Preisreduktion, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, ist ja nicht auf eine technologische Revolution zurückzuführen, sondern durch kontinuierliche Weiterentwicklungen und effizientere Produktion. Eine Sprungfunktion findet sich da nirgends.

Wichtig für die Zukunft ist auch, dass die Zahl der Institute und Hochschulen, an denen Forschung zu Energiespeichern betrieben wird, deutlich ansteigt. Dabei müssen noch Lernkurven durchschritten werden, aber das ist die Basis für eine ausreichende Zahl von Wissenschaftlern und Ingenieuren für die Zukunft. Hier entfalten nun auch die Forschungsförderprogramme der Bundesregierung, aber auch verschiedener Landesregierungen und der EU, ihre Wirkung.

SOLARZEITALTER: Hinsichtlich einzelner Technologien: Druckluftspeicher waren vor ein paar Jahren eine große Hoffnung, es gab ambitionierte Forschungsprojekte, auch von E.ON in Norddeutschland. Davon hat man in letzter Zeit deutlich weniger gehört. Warum ist dies so?

Sauer: Es sind zwei Komplexe. Zum einen ist es tatsächlich so, dass es noch erheblichen technologischen Entwicklungsbedarf gibt. Das betrifft sowohl die Hochtemperaturspeicher als auch die Luftturbinen für die Stromerzeugung und die Luftkompressoren für Luft bei hohen Temperaturen. Da gibt es sicher Fortschritte, aber es sind keine Komponenten, die man fertig kaufen kann.

Zum anderen gibt es auf der Netz- und Marktebene, auf der diese Speicher angesiedelt werden, eben dem Übertragungsnetz und dem Energiemarkt der Strombörse, akut noch keine Probleme und damit keinen Bedarf für mehr Speicher. Es ist vielmehr im Moment so, dass selbst die existierenden Pumpspeicherkraftwerke derzeit kein Geld verdienen. Das klassische Geschäftsmodell war, nachts billigen Strom zum Pumpen zu verwenden und tagsüber vor allem in der Mittags- und der Frühabendpreisspitze wieder Strom zu generieren. Die Mittagspreisspitze gibt es aber kaum noch. Der Grund dafür ist die Einspeisung von Leistung aus PV-Anlagen mit ihren in der Summe mittlerweile gut 35 GW installierter Leistung. Insgesamt gehen die Preisunterschiede an der Strombörse seit einigen Jahren kontinuierlich zurück. Damit entfällt die Geschäftsgrundlage für Speicher, die sich nur aus diesen Märkten finanzieren. Das wird sich wieder ändern, wenn der Anteil Erneuerbarer Energien weiter steigt, aber dazu wird es wohl wenigstens 40% Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung brauchen.

Bei Druckluftspeicheranlagen ebenso wie bei Pumpspeicherkraftwerken kommen nur sehr große Einheiten in Frage, wenn man wirtschaftlich sein möchte. Daher ist es hier auch viel schwieriger Demonstrationsanlagen zu bauen. Daher laufen die Aktivitäten derzeit nicht so, wie vor einigen Jahren noch geplant. Aktuell ist das wohl wichtigste Projekt in dem Bereich das Projekt ADELE, das führend von RWE, GE und Züblin betrieben wird. Es befindet sich aktuell in einer Phase, in der die Marktchancen im sich ändernden Umfeld analysiert werden und dazu die technischen Konzepte weiterentwickelt werden sollen. Auf Basis dieser Ergebnisse soll dann eine Investitionsentscheidung getroffen werden.

Das Hauptproblem ist aber die Frage, ob es im zukünftigen Energieversorgungssystem noch Bedarf bzw. ein Marktumfeld gibt, in dem solche Systeme Geld verdienen können. Dabei ist das keine Frage der konkreten Technologie, sondern es geht grundsätzlich um Speicher, die im Übertragungsnetz installiert werden und Energie bei maximaler Leistung für etwa 2 bis 8 Stunden bereitstellen können. Das zentrale Problem für solche Investitionen, die ja über 30-40 Jahre abgeschrieben werden, ist einfach, dass wenn es dazu kommt, dass auf der Verteilnetzebene eine große Zahl kleiner Speicher aufgebaut wird, diese im Schwarm die gleiche Dienstleistung erbringen können, wie dies für große zentrale Speicher der Fall ist. Wichtige Märkte, die große Mengen von dezentralen Speichern bringen können, sind die Elektromobilität und die hauseigenen Speicher in Haushalten und Betrieben mit eigener PV-Anlage. Wir sprechen da von den Doppelnutzenanlagen. Der Speicher im Auto wird bezahlt für die Mobilität. Aber das Auto steht im Schnitt über 22 Stunden am Tag rum. Die Batterien schaffen 3, 4, 5 Mal mehr Ladungsdurchsatz bzw. Kilometerleistung, als für das Fahren des Autos über zehn Jahre notwendig ist. Das heißt unterm Strich, dass diese Speicher zusätzliche Dienstleistung für das Stromnetz und den Energiemarkt erbringen können, ohne dass sich die Nutzungsdauer für den Primärnutzen, also das Fahren, verkürzt. Speicherdienstleistungen können daher sehr kostengünstig an den Markt gebracht werden, weil sie marginale Kosten von Null haben.

Damit wird es für einen potentiellen Investor in einen Zentralspeicher sehr, sehr schwierig, weil er im Prinzip bis 2050 oder länger übersehen muss, ob ihm bis dahin nicht irgendeine andere Technologie den Markt wegnimmt. Im heutigen liberalisierten Strommarkt ist die Zukunftsplanung sowohl für Stromerzeuger als auch für Speicher sehr schwierig geworden, weil die Produkte immer nur für sehr kurze Vorlaufzeiten eingekauft oder ersteigert werden. Primär- und Sekundärregelleistungen werden jede Woche neu versteigert. Sie haben also einen garantierten Ertrag über eine Woche und dann steht der Speicher wieder im Wettbewerb mit allen anderen Flexibilitätsanbietern und auch ggf. neu errichteten Speichern. Diese Problematik wurde auf der Konferenz auch intensiv diskutiert. Ein Mitarbeiter einer großen deutschen Bank hat nochmal sehr klar gemacht, dass Investitionen in Speicher bei einer Bank nur eine Finanzierungschance haben, wenn sie ein garantiertes Rückzahlmodell haben. In einem Markt, wo Sie jede Woche neu bieten müssen, ist das nicht gegeben. Insbesondere bei Technologien, die noch ein Kostensenkungspotential haben, ist die Situation besonders kritisch. Wenn durch die Kostensenkungen nächstes Jahr ein Speicher zu günstigeren Kosten gebaut wird als in diesem Jahr, dann wird dieses Jahr keiner investieren. Das ist die von Volkswirten so gefürchtete Situation einer Deflation, bei der auch die Investitionen ausbleiben, weil ja zu erwarten ist, dass das gleiche Produkte morgen günstiger zu bekommen ist als heute. Der große Vorteil von Speichern im privaten Haushalt oder in einem Industrieunternehmen ist, dass dem Betreiber der "Markt" der Eigenbedarfsoptimierung des eigenen Haushalts sicher ist und nicht von einem Wettbewerber übernommen werden kann. Zudem können eben in den Doppelnutzenanlagen mehr Erträge erzielt werden, weil es mehr Serviceleistungen gibt, die die Speicher anbieten können, als dies im Übertragungsnetz der Fall ist.

SOLARZEITALTER: Gilt dies für Pumpspeicher genauso und werden denn neue gebraucht oder werden die auch überflüssig durch dezentrale Speicher?

Sauer: Neue Pumpspeicher mit Wasserreserven im Bereich von fünf bis acht Stunden werden nach unseren Erkenntnissen mit der Perspektive 2050 nicht wirtschaftlich zu betreiben sein, weil die dezentralen Speicher den Zentralspeichern den Markt nehmen. Wenn man günstige Pumpspeicher bauen könnte, die auch mal 24 Stunden Energie liefern können - was geht, wenn man größere Seen oder kleinere Leistungen installiert und dafür ein wirtschaftliches Modell findet -, dann könnte es dafür Bedarf geben. Noch nicht heute, aber wenn der Anteil Erneuerbarer Energien 50 oder 60 Prozent übersteigt. Für diese Zeitbereiche sind Batteriespeicher unwirtschaftlich. Batteriespeicher werden aber ihre Stärken haben, wenn es um Ausgleich im Bereich weniger Stunden geht. Zwei, drei, vier Stunden, das ist was, was man gut mit Batterien zusammenbekommt, aber längere Bereitstellungszeiten im Bereich eines Tages oder noch länger sind aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten aus heutiger Sicht nicht sinnvoll. Beim Betrieb bestehender Pumpspeicheranlagen und auch bei der Erweiterung von vorhandenen Pumpspeicheranlagen z.B. durch zusätzliche Pump- und Generatoreinheiten bei bestehenden Seen sind aber die relativen Kosten so gering, dass sich dort sicher Geschäftsmodelle finden lassen.Insgesamt ist die Situation verrückt: Die spezifischen Speicherkosten sind mit Pumpspeicherkraftwerken unschlagbar, aber die Einnahmesituation für die eher teureren dezentralen Speicher sind so viel besser durch die Vielzahl von Serviceleistungen, die sie bringen können, dass es die Pumpspeicherkraftwerke schwer haben werden.

SOLARZEITALTER: Sie haben während der IRES-Konferenz angemerkt, dass bei der Einrichtung von Kapazitätsmärkten nur Gaskraftwerke gefördert werden sollten.

Sauer: Wichtig ist, bei allen Maßnahmen, die im Rahmen der Energiewende getroffen werden, die Langfristigkeit der Investitionen zu betrachten. Wenn also z.B. Kapazitätsmärkte für Kraftwerke kommen würden, und ich will hier gar nicht diskutieren, ob das ein sinnvolles oder notwendiges Instrument ist, dann muss man entscheiden, welche Art Kraftwerke in so einem Mechanismus berücksichtigt werden. Langfristig werden wir auch weiter Gasturbinen brauchen, denn die bilden in den Gasspeichersystemen mit Wasserstoff oder Methan, was für Deutschland die einzige realistische Technologie für eine Bereitstellung von elektrischer Energie auch über wenige Wochen hinweg ist, die Ausspeichereinheit. Eine Alternative sind nach heutiger Erkenntnis eigentlich nur sehr große Wasserspeicher in Skandinavien, verbunden mit sehr leistungsstarken Netzanbindungen.

Die Gasturbinen können zunächst noch mit fossilem Gas betrieben werden und später werden sie dann das Gas aus den Gasspeichern wieder verstromen. Die Turbinen kann man dann natürlich weiternutzen. Entsprechende Investitionen sind dann also mit steigendem Anteil Erneuerbarer Energien nicht verloren. Hingegen würden neue Kohlekraftwerke mehr und mehr unnötig und es gibt keine Zweitverwendung mehr. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass man bei Entscheidungen jetzt in großen Zeitskalen denken muss, um nicht Investitionen zu tätigen, die sich irgendwann nicht mehr rechnen, und damit die Gesamtkosten des Energieversorgungssystems zu erhöhen, die wir als Endkunden immer zu bezahlen haben. Das sollte man ja nicht vergessen. Es zeigt aber auch, wie schwierig und komplex die Umstellung eines Energiesystems ist, noch dazu unter den Bedingungen eines liberalisierten Marktes. Es ist also weder zu erwarten noch sinnvoll und wohl auch nicht möglich, innerhalb weniger Wochen oder Monate einen Masterplan für die Energieversorgung der Zukunft aufzustellen, der dann dreißig Jahre Gültigkeit hat.

SOLARZEITALTER: Würden Sie sagen, dass Ihre Ansichten von allen Akteuren in der Speicherwelt geteilt werden?

Sauer: Nein, das sicher nicht. Da spielen ja immer viele Aspekte eine Rolle. Aber die Aufgabe der Wissenschaft ist es, Chancen und Risiken zu benennen und durch die Bereitstellung von Technologieoptionen Politik und Gesellschaft überhaupt Optionen zu liefern, auf deren Basis sie entscheiden können. Unsere Analysen basieren auf einer ganzheitlichen Betrachtung des Gesamtsystems und wenn man Teilbereiche betrachtet, kann man natürlich zu anderen Ergebnissen kommen.

SOLARZEITALTER: Wir danken für das Gespräch.


Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer, RWTH Aachen und wissenschaftlicher Leiter der IRES-Konferenzen.

Das Interview führte Corinna Kolks, Projektmanagerin der IRES-Konferenzreihe.

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Quelle:
Solarzeitalter 4/2013, 25. Jahrgang, Seite 8 - 14
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2014