Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INDUSTRIE

FORSCHUNG/340: Brennendes Eis - Gashydrate könnten Energie- & Umweltprobleme lösen helfen (Leibniz)


Leibniz - Journal der Leibniz-Gemeinschaft 4/2009

Brennendes Eis
Gashydrate könnten Energie- und Umweltprobleme lösen helfen

Von Constanze Böttcher


Wer den Klumpen anfassen möchte, sollte Handschuhe anziehen. Er sieht nicht nur aus wie Eis, sondern fühlt sich auch so an. Und dennoch brennt er: In seinem Inneren verbirgt sich energiereiches Methan. Gashydrate lagern am Grund der Weltmeere und in Permafrostböden. Künftig sollen sie eine wichtige Rolle bei der weltweiten Energieversorgung spielen. Auch deutsche Forscher untersuchen unter Federführung des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften in Kiel (IFM-GEOMAR) seit Mitte 2008, wie sich der Rohstoff aus dem Meer nutzen lässt. "SUGAR" heißt das Vorhaben - Submarine Gashydrat-Lagerstätten: Erkundung, Abbau und Transport.


Riesiges Reservoir

"Erdgas hat ein positives Image, Methan nicht", sagt Klaus Wallmann, SUGAR-Projektleiter am IFM-GEOMAR. "Dabei ist es der gleiche Stoff." Ebenso wie konventionelles Erdgas hat Methan eine höhere Energiedichte als Kohle und verbrennt sauberer - ohne Staub und Schwermetalle. Neuere Berechnungen ergaben, dass rund 3.000 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Methanhydraten gebunden sind. "Es ist unklar, welcher Teil davon abbaubar ist", sagt Wallmann. Doch selbst wenn es nur zehn Prozent wären: Das entspräche dem Dreifachen dessen, was konventionelle Erdgaslagerstätten hergeben.

Länder wie die USA, Japan, China oder Indien erkunden schon seit längerem, wie sich Gashydrate abbauen lassen. Allein Deutschland beschränkte sich jahrelang auf Grundlagenforschung. Das war politisch gewollt. Noch 2006 sprach sich der "Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen" (WBGU) in einem Sondergutachten gegen eine kommerzielle Nutzung der Hydrate aus; vor allem weil das gewonnene Methan keine nachhaltige Energiequelle sei.

Dies hat sich durch SUGAR geändert: Mit rund zehn Millionen Euro fördert der Bund das Vorhaben; knapp drei Millionen Euro steuern am Projekt beteiligte Unternehmen bei. So nehmen deutsche Wissenschaftler und ihre Partner am internationalen Wettlauf um den Rohstoff teil. Dabei verlieren sie die Umwelt nicht aus den Augen. Im Projekt geht es nicht nur darum, Gashydrate aufzuspüren und effizient zu fördern. Gleichzeitig wollen die Forscher aus konventionellen Kohlekraftwerken abgeschiedenes Kohlendioxid im Meeresboden deponieren - und so elegant die Nutzung des sauberen Erdgases mit dem Klimaschutz verknüpfen.

Noch ist es nicht so weit. "Man muss erstmal wirtschaftlich interessante Gashydratvorkommen finden", sagt Geophysiker Jörg Bialas, Projektmanager in SUGAR. Die energiehaltigen Eisklumpen finden sich am und im Meeresboden in mehr als 400 Meter Wassertiefe. Nur dort ist es kalt genug und der Druck so hoch, dass ansonsten gasförmiges Methan mit Wasser eine feste, eisartige Struktur bildet. Ein Käfig aus Wassermolekülen hält dabei ein Methanmolekül gefangen. Mancherorts liegen die Hydrate einfach auf dem Meeresboden. Dort gibt es jedoch wertvolle Ökosysteme, die die Wissenschaftler nicht antasten wollen. Andernorts ist es gefährlich, das Energie-Eis abzubauen: An den Kontinentalhängen stabilisieren Gashydrate die Sedimente. Bei Bohrungen könnte es zu Rutschungen kommen, die schlimmstenfalls einen Tsunami auslösen. "Man muss detailliert betrachten, ob die Gegend eben genug ist", mahnt Wallmann daher. Auch die Sedimenteigenschaften spielen eine Rolle.


Nachweis per Echolot

Für den kommerziellen Abbau seien nur mehrere Meter mächtige Vorkommen geeignet, die in sandigem Gestein im Meeresboden lagern, erläutert Bialas. "Das kann man sich wie ein Kohleflöz vorstellen." Ein Deckel aus mindestens 100 Meter Ton sollte über den Hydraten liegen, damit bei Bohrungen kein Gas unkontrolliert entweicht. Schließlich ist Methan ein etwa 17-fach stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid. In SUGAR feilen die Wissenschaftler an Technologien, solche Lagerstätten zu finden. So spüren sie Methan im Wasser akustisch auf. Eigentlich sind die Echolote dafür gedacht, die Meeresbodentiefe zu vermessen. Nun sollen so genannte Multibeam-Systeme im Wasser Gasblasen, die den Lagerstätten entweichen, nachweisen. Wie groß ein Gashydratvorkommen ist, lässt sich mit Ketten von Schalldetektoren ("Streamern") erfassen. Die Wissenschaftler bauen ein neues Gerät, das nicht an der Wasseroberfläche, sondern 100 Meter über dem Meeresboden seine Aufgabe verrichtet. So lösen sie die Struktur des Meeresbodens besser auf als bisher und entdecken geologische Störungen, aus denen Methan unkontrolliert entweichen könnte. Mit elektromagnetischen Wellen messen die Forscher, wie viel Methan sich im Sandstein verbirgt. Auch diese Standardmethode optimieren die Geophysiker derzeit. Letzte Gewissheit bringen Sedimentproben: Wissenschaftler vom MARUM an der Universität Bremen entwickeln dafür eine spezielle Druckkammer, die das flüchtige Gashydrat intakt an Deck bringen soll.

"Wir brauchen diese Methoden auch, um künftige Lagerstätten für CO2 zu kontrollieren", betont Jörg Bialas. Die Ergebnisse fließen in Modelle ein, die beschreiben, wie sich ein Gashydratvorkommen über die Zeit entwickelt hat. Anhand solcher Simulationen können die Wissenschaftler vorhersagen, wie stabil eine Lagerstätte sein wird, etwa, wenn ins Sediment gebohrt oder Kohlendioxid eingelagert wird.

Am anderen Ende der Versorgungskette geht es um den Transport: Aus Kraftwerken abgeschiedenes CO2 muss zu den Lagerstätten, Methan von dort an Land gelangen. Dies könnte bei beiden Stoffen ganz konventionell per Pipeline oder verflüssigt auf Schiffen erfolgen. SUGAR-Experten um Gregor Rehder vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde arbeiten an einer ganz anderen Lösung. Sie wollen Methan in Pellets, also in fester Form, transportieren. Dafür nutzen sie den Effekt der "anormal langsamen Zersetzung": Bei normalem Druck und Temperaturen knapp unter dem Schmelzpunkt des Hydrats bildet sich auf dessen Oberfläche ein Eisfilm. Dieser bewirkt, dass sich das eisige Methan nicht sofort, sondern erst nach Wochen oder Monaten verflüchtigt.

Was schließlich passiert, wenn Kohlendioxid auf Methanhydrate im Sediment trifft, analysieren die Wissenschaftler zunächst im Labor. Hier hat sich gezeigt: CO2 diffundiert in die intakten Hydrate hinein und schubst das Methan quasi aus seinem Käfig heraus. "Das funktioniert sehr schön", sagt Klaus Wallmann, "die Thermodynamik ist auf unserer Seite". Der Haken bei der Sache: Das Ganze dauert sehr lange. Damit sich der Methanabbau aber überhaupt rentiert, müsste die Förderrate bei rund 50.000 Kubikmeter pro Stunde liegen - einen Ölpreis von etwa 50 Dollar pro Barrel vorausgesetzt.


Tricks zum besseren Abbau

Effizienter sei es, die Käfige zu zerstören und das Methan entweichen zu lassen, erläutert Klaus Wallmann. Dafür müssten die Wissenschaftler vertikal in die Gashydratschicht bohren und dann horizontal weiter vorstoßen. Eine zweite Bohrung müsste bis zur Basis des Vorkommens reichen und würde dann ebenfalls horizontal abgelenkt. Dort wollen die Forscher CO2 injizieren. Es steigt nach oben und löst das Gashydrat auf. Ein Unterdruck an der ersten Bohrung sorgt dafür, dass Methan nach oben austritt. Mit weiteren Tricks versuchen die Wissenschaftler, die Förderrate zu beschleunigen: Das könnte ein stärkerer Unterdruck sein oder auch warmes Kohlendioxid. Polymere oder bestimmte Gasmischungen sind ebenfalls geeignet, die Hydrate zu zersetzen.

Einige Jahre werden noch ins Land gehen, bis sich der Abbau finanziell lohnt. Doch bereits im kommenden Jahr soll ein erster Feldversuch mit der Kieler Technologie in Alaska stattfinden. "Der wird zeigen, dass es geht, aber eben nur sehr langsam", prognostiziert Projektleiter Klaus Wallmann. "Dann wollen wir die Technik in Indien ausprobieren." Dort gebe es an der Küste Kohlekraftwerke, in deren Nähe gut untersuchte Gashydratvorkommen lägen. Ein ideales Versuchsfeld also. Denn auch Indien braucht weitere Energiequellen und muss sich gleichzeitig um seine CO2-Emissionen sorgen.

Klaus Wallmann hält es für unverzichtbar, sichere Speicherorte für Kohlendioxid zu finden. Ohne CCS-Technologien (Carbon Capture and Storage) seien die Emissionen nicht zu senken. Möglicherweise sei es am sichersten, CO2 in fester Form am Meeresboden unterzubringen, sagt der Klimaforscher. Er ist überzeugt: "Mit der neuen Technologie speichern wir am Ende mehr Kohlendioxid, als wir freisetzen." Hinzu kommt: Im Zuge des Klimawandels wird sich auch der Meeresboden erwärmen. Die Methanhydrate werden dadurch instabil und schmelzen. Hydrate aus Kohlendioxid sind weniger empfindlich. Sie könnten die Sedimente stabilisieren und dafür sorgen, dass weniger Treibhausgase dem Meeresboden entweichen. Der Umwelt wäre damit doppelt geholfen.


*


Quelle:
Leibniz - Journal der Leibniz-Gemeinschaft, Nr. 4/2009, Seite 8-9
Herausgeber: Leibniz-Gemeinschaft
Postfach 12 01 69, 53043 Bonn
Telefon: 0228/30 81 52-10, Fax: 0228/30 81 52-55
Internet: www.leibniz-gemeinschaft.de

Jahresabonnment (4 Hefte): 16 Euro, Einzelheft: 4 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2010