Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INDUSTRIE


FORSCHUNG/540: Mit Pyrolyseöl heizen (idw)


Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen - 26.04.2016

Mit Pyrolyseöl heizen

EU-Projekt will Biomasse-Reststoffe im Wärmemarkt nutzen


Mit "Residue2Heat" (Reststoffe zu Wärme) ist ein neues Forschungsprojekt der Europäischen Union gestartet, das unterschiedliche Ströme von Biomasse-Reststoffen aus Land- und Forstwirtschaft nachhaltig aufbereiten und für die Wärmeerzeugung nutzbar machen will. Ziel ist es, mit Hilfe eines flüssigen Brennstoffs aus Biomasseresten die CO2-Emissionen im Wärmemarkt um mehr als 85% zu reduzieren im Vergleich zum Einsatz fossiler Brennstoffe. Dieser Bio-Brennstoff der 2. Generation, Schnell-Pyrolyse-Bio-Öl (fast pyrolysis bio-oil, FPBO), wird bereits mit dem technischen Verfahren der Schnell-Pyrolyse aus breit variierenden Biomasse-Reststoffen hergestellt. Ein internationales Konsortium aus Forschungsinstitutionen und mittelständischen Unternehmen wird die Standardisierung und die Verwendung eines flüssigen, biogenen Brennstoffes im Wärmemarkt untersuchen sowie ein Brennwert-Heizsystem für die Nutzung des Brennstoffs technisch optimieren.

Der Brennstoff soll zur Wärmeerzeugung in Raumheizungen im Leistungsbereich von 20 bis 200 kW eingesetzt werden und effizient verbrennen. Die erste Herausforderung in diesem Projekt besteht darin, FPBO trotz seiner großen Bandbreite an möglichen biogenen Rohstoffen mit einer gleichbleibend hohen Qualität und weitgehend standardisierten Stoffeigenschaften herzustellen. Die zweite zentrale Aufgabe des Projekts ist die technische Anpassung eines hocheffizienten Brennwert-Heizsystems an die Nutzung dieses flüssigen Biobrennstoffs. Das ist notwendig, weil die Produkteigenschaften des Bio-Öls von denen konventioneller Brennstoffe abweichen, so dass beispielsweise der Brenner des Heizsystems neu entwickelt werden muss. Im Fokus der Entwicklung steht insbesondere die Gemischaufbereitung, die für einen effizienten und schadstoffarmen Betrieb des Brenners verantwortlich ist.

Der Produktionsprozess von FPBO nutzt die vorhandenen Ressourcen sehr effizient, weil mehr als 90% der aus den Bioreststoffen übrig bleibenden Asche und Mineralien entfernt und recycelt werden. Im Rahmen des Projektes werden zudem Marktstudien durchgeführt, die das Potenzial des neuen Brennstoffs und der modifizierten Heizungstechnik bewerten und weiteres Grundlagenwissen für die Markteinführung schaffen. Das langfristige Ziel von "Residue2Heat" ist, FPBO auf Basis von land- und forstwirtschaftlichen Biomasseresten wie Stroh herzustellen, die weder für die Lebensmittel-noch für die Futtermittelproduktion nutzbar sind oder zu Landnutzungsänderungen (ILUC, indirect land use change) führen. Der konzeptionelle Ansatz sieht vor, lokal anfallende Biomasse in relativ kleinen Produktionsanlagen mit einer Verarbeitungskapazität von 20.000 bis 40.000 Tonnen Biomasse pro Jahr in Schnell-Pyrolyse-Bio-Öl zu wandeln und lokal an Hausbesitzer zu vertreiben.

Das EU-Forschungsprojekt "Residue2Heat" wird von der Europäischen Union im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 unter dem Förderkennzeichen Nr. 654650 gefördert

Über das Residue2Heat-Konsortium

Das EU-Forschungsprojekt Residue2Heat verbindet die Entwicklung von Produktionstechnologien zur Herstellung von erneuerbaren Brennstoffen mit der Entwicklung von Heizsystemen für den Raumwärmemarkt. Das Projektkonsortium setzt sich zusammen aus drei Universitäten, drei Forschungsinstituten sowie drei kleinen und mittelständischen Unternehmen aus fünf verschiedenen Ländern.

  • RWTH Aachen University (Koordinator, DE)
  • OWI Oel-Waerme-Institut GmbH (technischer Koordinator, DE)
  • BTG Biomass Technology Group B.V. (NL)
  • VTT Technical Research Centre of Finland Ltd. (FI)
  • MEKU Energie Systeme GmbH & Co. KG (DE)
  • Istituto Motori, Consiglio Nazionale delle Ricerche (IT)
  • PTM Politecnico di Milano (IT)
  • BTG BioLiquids B.V. (NL)
  • University of Innsbruck, Institute of Microbiology (AU)
Stichwort: Schnell-Pyrolyse

Die Schnell-Pyrolyse ist ein Prozess, in dem organisches Material unter Ausschluss von Sauerstoff innerhalb von wenigen Sekunden auf etwa 500 °C erhitzt wird. Unter diesen Bedingungen entstehen organische und wasserhaltige Dämpfe, Pyrolysegas und Holzkohle. Die Dämpfe werden schnell abgekühlt und kondensieren zu einer hochviskosen Flüssigkeit, so genanntem Pyrolyseöl, Pyrolyseflüssigkeit oder Schnell-Pyrolyse-Bio-Öl (fast pyrolysis bio-oil, FPBO). Dieses Hauptprodukt der Schnell-Pyrolyse besitzt etwa 70% des Energiegehalts der Biomasse und hat etwa die Hälfte des Heizwertes eines konventionellen Heizöles. Zusätzlich entstehen als wertvolle Nebenprodukte Holzkohle (10-15%) und Gas (15-20%), die zur Erzeugung von Prozessenergie eingesetzt werden können. Im Pyrolyseprozess wird der überwiegende Teil der Asche und Mineralien in der Holzkohle gebunden und kann dem Prozess entnommen und recycelt werden. Daher können hochgradig aschehaltige Biomasseströme in nahezu aschefreies biogenes Pyrolyseöl gewandelt werden.

Neben der Schnell-Pyrolyse gibt es noch das Verfahren der langsamen Pyrolyse, das aber hauptsächlich auf die Herstellung von Holzkohle ausgerichtet ist. Die Schnell-Pyrolyse ist auf die Wandlung von Biomasse in Flüssigkeiten optimiert und soll dabei möglichst hohe Ausbeuten erzielen, daher ist sie für das Vorhaben von Residue2Heat besonders geeignet. Der Pyrolyseprozess ist energetisch autark und eignet sich zur Herstellung von FPBO aus einer großen Bandbreite von Biomasse oder Biomasseresten. Es ist einfach lager- und transportfähig und könnte in Zukunft aufgrund seiner flexiblen Verfügbarkeit bei relativ hoher Energiedichte als regenerativer Brennstoff der 2. Generation in angepassten Ölheizungen für die Erzeugung von Raumwärme einsetzbar sein.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.residue2heat.eu

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news650214
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution63

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Thomas von Salzen, 26.04.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang