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RECHT/174: Bündnis reicht Klage gegen Bebauungsplan für geplantes Kohlekraftwerk in Stade ein (BUND NI)


BUND Landesverband Niedersachsen e.V. - Stade, den 29.10.2015

Bündnis reicht Klage gegen Bebauungsplan für geplantes Kohlekraftwerk in Stade ein.


Stade, 29.10.2015 - Der BUND (Landesverband Niedersachsen als Klageführerin), Greenpeace-Hamburg, NABU, Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung Niederelbe e. V. (AUN) sowie die Bürgerinitiativen Stade-Altes Land und Haseldorfer Marsch reichen heute eine Normenkontrollklage gegen den Bebauungsplan Nr. 603 "Industriekraftwerk Stade" der Stadt Stade ein. Auf einer Pressekonferenz in der Hansestadt informiert das Bündnis heute über die Details.

Den Bebauungsplan für das geplante Kohlekraftwerk halten wir aus den folgenden Gründen für abwegig und rechtswidrig:

1. Energiewende: "Heute noch ein Kohlekraftwerk zu planen und zu bauen ist wirklich anachronistisch. Es muss jetzt vielmehr darum gehen, aus den fossilen Technologien zur Energiegewinnung auszusteigen, insbesondere aber aus der Kohle. Das DOW Kohlekraftwerk wäre der letzte Dinosaurier der Kohle-Ära in Deutschland. Ab 2050 müssen die erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind, Wasserstoff und moderne Speichertechniken unsere Stromversorgung übernehmen", sagt Dr. Stefan Ott vom BUND. "Die Energiewende ist technisch möglich, muss aber auch politisch gewollt sein.

2. CO2-Ausstoß: "Nach dem Willen der Bundesregierung sollen Kohlekraftwerke abgeschaltet und damit jährlich rund 16,5 Mio. Tonnen CO2 eingespart werden. Dagegen würde das Kohlekraftwerk Stade den CO2 Ausstoß um rund 5,5 Mio. Tonnen erhöhen. Das ist absurd und unterläuft den notwendigen Klimaschutz", meint der Energie-Experte von Greenpeace-Hamburg, Holger Becker. "An einer Stelle wird das Fass geflickt, an anderer Stelle möchte jemand neue Löcher bohren."

3. Gesundheitsschäden: Sorgen bereiten der Lungenfachärztin und Sprecherin der BI Stade-Altes Land, Dr. Gabriele Brockhausen, insbesondere die hohen Feinstaubemissionen des geplanten Kohlekraftwerks: "Eindeutige Gesundheitsschäden treten schon bei 20ug/m3 auf. Die bisherigen Grenzwerte sind einfach zu hoch", mahnt sie.

4. Schadstoffeinträge: Aufgrund der vorherrschenden Süd-West-Windlage ist die gegenüberliegende Elbseite besonders stark betroffen. "Ein neues Kohlekraftwerk wird zwangsläufig u. a. weitere Dioxine, Furane und Quecksilber in die Marsch eintragen", so Dr. Wolfgang Werther (BI Haseldorfer Marsch). "Wir sind heute schon grenzwertig belastet. Zusätzliche Schadstoffeinträge sind nicht mehr verantwortbar!" ergänzt Rolf Herrmann, Amtsvorsteher und Bürgermeister von Haselau.

5. Gewässerschutz: Udo Paschedag (AUN) weist darauf hin, dass nach der Wasserrahmenrichtlinie der EU spätestens ab 2028 kein Quecksilber mehr in die Umwelt emittiert werden darf. "Bis dahin müssen alle Kohlekraftwerke schon aus Gründen des Gewässerschutzes stillgelegt werden."

Neben Klimaschutz und Gesundheitsfragen spielt bei der Normenkontrollklage die Raumordnung eine entscheidende Rolle. Dr. Roda Verheyen, Rechtsanwältin aus Hamburg, ist Anwältin des Klagebündnisses. Sie glaubt an einen Erfolg der Klage aufgrund mehrerer rechtlicher Säulen. Sie rügt den Bebauungsplan in 10 detaillierten Punkten.

Unterstützt wird sie dabei von Prof. Dr. Martin Schulte, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Direktor des Instituts für Technik- und Umweltrecht an der juristischen Fakultät der Universität Dresden. Er legt in seinem Gutachten* ausführlich dar, dass der Bebauungsplan weder den Zielen der Raumordnung gem. Landesraumordnungsprogramm noch des Regionalen Raumordnungsprogramms des Landkreises Stade entspricht. "Der geplante Standort ist demnach nicht für ein Großkraftwerk vorgesehen. Ich halte den Bebauungsplan für rechtswidrig", erklärt Prof. Schulte.

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Quelle:
Presseinformation vom 29.10.2015
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Landesverband Niedersachsen
Goebenstr. 3a, 30161 Hannover
Tel.: 0511/965 69-0, Fax: 0511/662 536
E-Mail: presse.nds@bund.net
Internet: www.bund-niedersachsen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2015

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