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TEXTILIEN/035: Welche Rolle spielt die Textilindustrie bei der Verschmutzung von Flüssen? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2018
Lebensadern unserer Erde
Flüsse - begradigt, gestaut, zerstört.

Die purpurnen Flüsse
Welche Rolle spielt die Textilindustrie bei der Verschmutzung von Flüssen?

von Alexandra Caterbow


Purpurne, blaue, grüne, gelbe Flüsse - so kann es rund um Textilproduktionen in Ländern wie Bangladesch und Indien aussehen. Die globale Textilindustrie ist eine der größten VerschmutzerInnen von Flüssen weltweit. Oft werden giftige Abwässer unbehandelt in Flüsse eingeleitet. Es fehlt generell am nötigen Bewusstsein, Druck von AuftraggeberInnen, strikten Gesetzen und technischem Know-how. Vor 4 Jahren wurde in Deutschland das Bündnis für nachhaltige Textilien gegründet. Seitdem wurde viel über verpflichtende und freiwillige Ziele verhandelt, doch bisher hat sich für die Umwelt und die BewohnerInnen vor Ort noch nicht viel verbessert. Das Textilbündnis braucht mehr unbedingten Willen von Unternehmen und ambitionierte verpflichtende Ziele für einen verbesserten Umwelt- und Gesundheitsschutz.


Es ist keine Überraschung mehr, dass die Textilindustrie zu den größten industriellen UmweltverschmutzerInnen gehört. Schon seit Jahren ist bekannt, dass vor allem bei der Textilveredelung gefährliche Chemikalien über die ungefilterten Abwässer der Textilfirmen in Flüsse und Grundwasser gelangen. Es handelt sich dabei neben vielen anderen um Schwermetalle, hormonell wirksame Stoffe, besonders langlebige Schadstoffe wie z.B. per- und polyfluorierte Chemikalien (PFCs) und Nonylphenol-Etoxilate. So können z.B. in Färbeprozessen mehr als 1600 Stoffe verwendet werden.[1] Viele der verwendeten Chemikalien sind schädlich für die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Vor allem die besonders langlebigen und bioakkumulativen Schadstoffe können weite Strecken zurücklegen und sich im Körper und der Nahrungskette anreichern. Viele dieser Stoffe sind krebserregend, erbgutverändernd, fortpflanzungsschädigend und stören das Hormonsystem. Menschen, die an kontaminierten Flüssen leben, haben mit zahlreichen Problemen zu kämpfen: Familienmitglieder erkranken, sauberes Trinkwasser fehlt, Fischfang als Nahrungsgrundlage und Einkommensquelle ist nicht mehr möglich. Gleichzeitig sind oft die ärmsten BewohnerInnen am meisten betroffen. Zugang zu sauberem Wasser ist ein Menschenrecht. Textilfirmen und ihre Auftraggeber dürfen Flüsse nicht als privaten Abwasserkanal missbrauchen.

Abwasser
Der Fluss Citarum in Indonesien wird oft als der schmutzigste Fluss der Welt bezeichnet. Entlang des Citarum sind mehr als 200 Textilfabriken angesiedelt, die Färbemittel und giftige Chemikalien in den Fluss eintragen. In Wasserproben wurden Blei, Quecksilber, Nonylphenol, Tributylphosphate und andere gefährliche Stoffe gefunden. Sie können zu Krankheiten der AnwohnerInnen führen und haben enorm schädliche Auswirkungen auf Wasserlebewesen. In den letzten Jahrzehnten sind 60 Prozent der im Citarum River lebenden Fische ausgestorben. FischerInnen entlang des Flusses sammeln jetzt vermehrt Plastik, um einen mageren Lebensunterhalt zu verdienen.[2]

Dieses Szenario finden wir bei den meisten Hotspots der Textilproduktion. In der Regel fehlen geeignete Kläranlagen oder sie werden nicht angeschlossen oder nicht fachgerecht betrieben.

Viskose
Seit einiger Zeit ist die Umweltverschmutzung in der Viskoseproduktion in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Zwar basiert Viskose auf natürlichen Fasern, dennoch ist die Verarbeitung ein chemieintensiver Prozess, der wegen seines enormen Wasserbedarfs oft in der Nähe von Flüssen angesiedelt ist. So haben Untersuchungen der britischen Stiftung Changing Markets gezeigt, dass in Flüssen nahe Viskoseproduktionsstätten typischerweise Schwefelsäure, Sulfur und Sulfide, aber auch einige Metalle gefunden werden. Bei mangelnder Abwasserbehandlung kann es in Folge zu einem Fischsterben aufgrund von Sauerstoffmangel und dem Eintrag von gefährlichen Chemikalien im Wasser führen.

Mikroplastik
Mikroplastik ist eine weitere Eintragsquelle von Schadstoffen in Flüsse und daraufhin auch in die Weltmeere. Mikroplastik gelangt vor allem über das Waschen insbesondere von synthetischen Textilien und das dabei entstandene Abwasser in die Flüsse. Die Studienergebnisse über die Menge der beim Waschen ausgelösten Partikel reichen von 6 Millionen Mikrofasern pro 5 Kilogramm Waschgang[3] bis zu 250.000 während der Wäsche von nur einer Fleecejacke.[4] Bisher ist noch wenig bekannt, wie sich Mikroplastik auf die Gesundheit auswirkt. Besonders bedenklich ist jedoch, dass Mikroplastik wie ein Magnet andere Schadstoffe wie beispielsweise POPs und PBTs[5] anzieht, die besonders gesundheitsschädlich sind. Diese Schadstoffe gelangen dann mit dem Mikroplastik in der Nahrungskette. Mikroplastik hat sich mittlerweile in der Nahrungskette angereichert und kann in Salz, Fischen, Muscheln und sogar in menschlichen und tierischen Exkrementen nachgewiesen werden. Kläranlagen können die kleinen Mikroplastikteile nicht filtern. Bisher gibt es noch keine flächendeckende technische Lösung für dieses Problem. Eine Verbesserung der Kläranlagen und technische Filterlösungen für Waschmaschinen sind dringend nötig. Außerdem muss an umwelt- und gesundheitsfreundlichen Faserlösungen für Textilien gearbeitet werden.

Was wird getan?
Nachdem die Detox-Kampagne von Greenpeace eine Schockwelle in der Textilbranche ausgelöst hatte, wurden einige Firmen aktiv. Neben dem direkten Engagement mit Greenpeace gründeten einige Firmen als Antwort auf die Detox-Kampagne die ZDHC-Initiative (Zero Discharge of Hazardous Chemicals - Keine Freisetzung von gefährlichen Chemikalien), deren Ziel es ist, Schadstoffe in der Produktion zu verringern. ZDHC hat mittlerweile 116 sogenannte ZDHC Contributors (Mitwirkende) und entwickelte beispielsweise eine einheitliche MRSL (Manufacturing Restricted Substances List), eine Liste von Chemikalien, deren Einsatz auf bestimmte Anwendungen beschränkt oder ganz verboten ist, und von Abwasserstandards. Diese Standards wurden weitgehend vom Bündnis für nachhaltige Textilien übernommen. Das Textilbündnis ist ein Aushängeschild des Bundesministeriums für Entwicklungszusammenarbeit, indem sich VertreterInnen aus Politik, Wirtschaft, Standardorganisationen und Zivilgesellschaft auf gemeinsame Umsetzungsziele verständigen, die zu einer deutlichen Verbesserung der Lage in den produzierenden Ländern beitragen sollen. Es widmet sich neben der wichtigen Frage von Sozialstandards auch Umweltthemen, vorrangig der Chemikaliensicherheit. Mehrere Jahre hat die Arbeitsgruppe Chemikalienmanagement verbindliche und freiwillige Zeit- und Mengenziele verhandelt. Die Ziele sind nicht ambitioniert genug, um echten Wandel zu erreichen, und beschreiben oft nur den "kleinsten möglichen Nenner", auf den man sich einigen konnte. Leider bleiben vor allem die verbindlichen Ziele auf halbem Weg in der Lieferkette stecken. Berichtet werden muss in der Regel nur über die eigenen LieferantInnen, nicht aber über die tiefere Lieferkette, wo aber gerade oft der größte Handlungsbedarf besteht.

Staatliches Handeln statt auf ein Umdenken der Branche hoffen
Wir brauchen vielschichtige Lösungsansätze, um dieses massive Umweltund Gesundheitsproblem anzugehen. Verpflichtende Regulierungen in Deutschland und auch den Herstellungsländern müssen die ProduzentInnen und MarkenherstellerInnen in die Pflicht nehmen, für Produktionsbedingungen zu sorgen, die Umwelt, AnwohnerInnen und ArbeiterInnen adäquat schützen. Deutschland sollte Herstellungsländer unterstützen und ermutigen, strikte Regulierungen zu verabschieden und zu implementieren. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie reichen nicht aus, um der Massivität des Problems zu begegnen. Lieferkettentransparenz und die Durchdringung der gesamten Lieferkette mit Maßnahmen zur Aufklärung, Wissenstransfer, Anreizen und Sanktionen müssen verbindlich von MarkenherstellerInnen und ProduzentInnen eingefordert werden. Einige sind dabei schon sehr weit in ihren Bemühungen, auch dank der Zusammenarbeit mit Greenpeace und anderen Initiativen. Andere haben noch einen langen Weg vor sich, der meist mit einem radikalen Umdenken in der Unternehmenskultur beginnt. Noch lange nicht alle haben die Zeichen der Zeit begriffen. Die Bundesregierung muss endlich verpflichtende Schritte einführen, um die Branche zu bewegen.


Autorin Alexandra Caterbow ist Ko-Direktorin bei HEJ-Support International und vertritt die Mitglieder der Zivilgesellschaft im Textilbündnis in den chemikalienrelevanten Arbeitsgruppen des Bündnisses.

Der Artikel ist ein Beitrag von A. Caterbow und keine abgestimmte Position der Bündnis für nachhaltige Textilien-Mitglieder der Zivilgesellschaft.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.



Anmerkungen

1. http://www.bossiermag.com/blog/2017/11/26/clean-green-cute-why-sustainable-fashion-is-the-future.

2. Ellen MacArthur Foundation (2017): A new textiles economy: Redesigning fashion's future.
http://www.ellenmacarthurfoundation.org/publications.

3. Francesca De Falco et al. (2017): Evaluation of microplastic release caused by textile washing processes of synthetic fabrics, Environmental Pollution.
https://doi.org/10.1016/j.envpol.2017.10.057.

4. https://www.surfrider.org/coastal-blog/entry/plastic-microfibers-recent-findings-and-potential-solutions.

5. Persistant Organic Pollutants:
https://de.wikipedia.org/wiki/Persistente_organische_Schadstoffe; Persistant Bioaccumulative Toxins:
https://de.wikipedia.org/wiki/PBT-Stoff.

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Quelle:
Rundbrief 4/2018, Seite 6 - 7
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 910, Fax: 030/678 1775 80
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Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2019

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