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AFRIKA/027: Regenwaldschutz durch oder statt Holzexporte? - Der Fall Liberia (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 158 - Oktober/November 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Regenwaldschutz durch oder statt Holzexporte?
Der Fall Liberia

Von Hartwig Berger


Liberia ist das Land, aus dem der Energiekonzern Vattenfall Holzimporte plant. Sie sollen überwiegend der Zufeuerung in Kohlekraftwerken dienen, um die Emissionsbilanz zu verbessern und damit den Zukauf von CO2-Zertifikaten im EU-Emissionshandel zu verringern.

Trotz des 15-jährigen Bürgerkriegs, der unter anderem mit illegalen Holzexporten nach Europa und China finanziert wurde, sind mit 4,4 Millionen Hektar noch 45 Prozent der Landesfläche Liberias von Wald bedeckt. Liberia ist das einzige Land Westafrikas, in dem noch umfangreicher Regenwald existiert. Ihn vor weiterer Vernichtung zu bewahren, ist ein wichtiges Anliegen. Die derzeitige politische Führung des Landes unter der seit 2006 amtierenden Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf nimmt dieses Anliegen durchaus ernst. Überlegt wird, wie bei Erhaltung des Waldbestandes Staatseinnahmen erzielt werden können. Erklärte Absicht ist es auch, diese Gelder zum Abbau des gesellschaftlichen Elends zu nutzen, welches der Bürgerkrieg in Liberia hinterlassen hat. So sind Hunderttausende vor bewaffneten Banden nach Monrovia geflüchtet. Die Einwohnerzahl der Hauptstadt ist in dieser Zeit auf 1,5 Millionen Menschen gewachsen. Die Mehrheit der Flüchtlinge schlägt sich dort in notdürftig errichteten Hütten mit Gelegenheitsjobs, bedroht oder betroffen von chronischem Hunger, durch.


Zwei Optionen für den Regenwald

Für den Umgang mit dem Regenwald hat das Land zwei Optionen, den Weg einer defensiven und den einer offensiven Erhaltung des Bestandes. Die zunächst verfolgte defensive Strategie setzt auf den Export von Nutzhölzern, die nicht breitflächig gerodet, sondern selektiv unter Bewahrung des Bestands geschlagen werden. Wertvolle Edelhölzer in europäischen Kohlekraftwerken verfeuern zu wollen, wäre schon aus ökonomischer Sicht kaum zu vertreten. Um einen umweltverträglichen Holzeinschlag zu sichern, ist an die Einrichtung eines Kontrollsystems gedacht. Dazu wurde eine in der Schweiz ansässige Gesellschaft beauftragt, deren Arbeit vorwiegend die Weltbank finanziert. Zur Kontrolle sind landesweit 40 Personen vorgesehen. Sofern die Überprüfung flächendeckend und zuverlässig erfolgen soll, müssten die Fällungen vor Ort oder zumindest jeder einzelne Holztransport überprüft werden. Mit dieser Personaldecke ist dies nicht zu leisten.

Hinzu kommt, dass auch ein funktionierendes Kontrollsystem nicht vor Fälschungen gefeit ist, ganz abgesehen von den Verführungen der auch in Liberia endemischen Korruption. Die Herkunft von Holzeinschlägen kann in den seltensten Fällen rückverfolgt werden.

Wenn Liberia jetzt in die defensive Strategie der Walderhaltung einsteigt, steht folglich eine Entwicklung ähnlich der in Ghana und der Elfenbeinküste zu befürchten, wo binnen weniger Jahrzehnte fast der gesamte Regenwald vernichtet wurde.

Der Holzexport soll in Liberia mit einer stärker exportorientierten Landwirtschaft verbunden werden, die bisher ganz überwiegend für den inländischen Bedarf produziert. Eine wichtige Rolle spielen hier im dafür günstigen westafrikanischen Klima Kautschuk-Plantagen, die für einen hohen und weiter anhaltenden globalen Bedarf an Gummi-Produkten gefragt sind. Die Plantagenwirtschaft hat das traditionelle - und weit umweltverträglichere Zapfen von Kautschuk in den Wäldern und durch die indigene Bevölkerung verdrängt. Intensiv kultivierte Kautschuk-Bäume verlieren nach 25 bis 30 Jahren weitgehend ihre Produktivität. In geregelter Plantagenwirtschaft werden sie folglich eingeschlagen und durch Neupflanzungen ersetzt.

Aufgrund von Aktivitäten eines kürzlich gegründeten Unternehmens - der Buchanan Renewables - soll das anfallende Altholz nicht stofflich, sondern energetisch genutzt werden. Dabei ist allerdings nicht daran gedacht, den großen Brennholzbedarf innerhalb Liberias abzudecken. Die nicht kaufkräftige arme Bevölkerung in Monrovia und auf dem Land wird ihre Kochstellen weiterhin mit Holzkohle und Rohholz unter anderem aus dem Regenwald bestreiten müssen. Geplant ist allerdings der Bau und die Belieferung einer Stromerzeugungs-Anlage von 35 Megawatt in Liberia, die die mit Dieselöl betriebenen Generatoren in öffentlichen Einrichtungen und in Haushalten der Oberschicht ersetzen kann. Zum größeren Teil soll das gefällte Kautschuk-Holz westlichen Energieunternehmen zur Verfeuerung angeboten worden.

Hier kommt - als nur ein Beispiel - der Plan von Vattenfall ins Spiel, seine CO2-Emissionsbilanz durch Holzzufeuerung zu verbessern. Als erster Einstand werden allein für die Vattenfall-Kraftwerke in Deutschland pro Jahr sechs bis acht Millionen Tonnen Holz nachgefragt. Sie sind über den bereits überlasteten Holzmarkt innerhalb Deutschlands und der EU nicht zu beschaffen. Ein Erwerb auf dem Weltmarkt ist daher die Konsequenz.

Vattenfall zielt hier auf einen Vertrag mit Buchanan Renewables. Allerdings reicht das auf Liberias Plantagen anfallende Holz höchstens für zwei bis drei Jahre. Ein Zugriff auf Regenwald-Bestände, vielleicht im Rahmen der oben skizzierten defensiven Strategie, ist zu befürchten. Überhaupt fragt man sich, weshalb das hochwertige Kautschuk-Holz aus Westafrika, statt stofflich genutzt zu werden, für den überhöhten Strombedarf der Industrie-Länder verheizt werden soll.

Sinnvoll wäre die Wiederaufforstung gerodeter oder durch Erosion zerstörter Landstriche auf unserem Planeten. Für eine zukunftsgewandte globale Klimastrategie stellt sich also nicht nur die Aufgabe der Walderhaltung, sondern ebenso die der Wiederherstellung von Wald und anderer Vegetationsformen.

Ist ein solcher Weg für Liberia denkbar, realistisch und gegebenenfalls auch ökonomisch vorteilhaft? Damit kommen wir zu Überlegungen einer offensiven Strategie der Walderhaltung, wie sie gegenwärtig dort angestellt werden:

In der internationalen Klimapolitik ist die Einrichtung eines Finanzmechanismus zur Erhaltung von Wald und von biologischer Degradation bedrohter Flächen vereinbart worden: REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation). Für REDD gibt es bereits verbindliche Zusagen aus verschiedenen Staaten wie Norwegen, Deutschland und aus Gemeinschaften wie der EU. Für eine Anwendung von REDD in Liberia engagiert sich etwa die aus den USA stammende NGO Conservation International (CI). Ihr mit der Regierung verhandelter Vorschlag ist, die volle Erhaltung des Regenwalds über REDD zu finanzieren. Eine von CI beauftragte Studie der Harvard University ergab, dass mindestens 55 Millionen Dollar an jährlichen Staatseinkünftigen zu erwarten wären.


Alternativen zur Brandrodung unterstützen

Diese Finanzen könnten für die Rücksiedlung der Flüchtlinge aus den Elendsquartieren Monrovias in ihre angestammte Heimat eingesetzt werden. Dabei wird es wichtig sein, Formen der Landbewirtschaftung zu unterstützen, die nicht auf die noch vielfach praktizierte Brandrodung - also auf Waldvernichtung - setzen, sondern die sich auf eine bessere Bewirtschaftung der nicht bewaldeten Zonen konzentrieren. Außerdem müssen Lösungen für den hohen Alltagsbedarf an Brennholz, wie für Kochzwecke, gefunden werden. Hier ist die Zusammenarbeit mit der weltweit aufstrebenden Solarbranche gefragt. Im sonnenreichen Äquatorbereich sollten Techniken des solaren Kochens Anwendung finden können. Doch auch hier wäre der Import aus den hoch industrialisierten Ländern nicht der goldene Weg, sondern der zügige Aufbau entsprechender Fabriken in Liberia selbst.

Auf jeden Fall aber sollten energetisch zu nutzende Holzabfälle in Liberia für den dringenden Bedarf der armen Bevölkerung verbleiben, statt die Emissionsbilanzen europäischer Kohlekraftwerke zu verschönern. Die Menschen in Liberia brauchen ihr einheimisches Holz für den Bau von Wohnhäusern, Getreidespeichern und Mobiliar. Der wertvolle Rohstoff Holz sollte vor Ort genutzt werden, statt den überhöhten Energie- oder Möbel-Bedarf in den Industrie-Ländern decken zu helfen.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Liberias Staatspräsidentin Ellen Johnson-Sirleaf


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 158, Oktober/November 2010, S. 18
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2010 #