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AFRIKA/115: Bergbauprojekt in Xolobeni, Südafrika - Das Recht, nein zu sagen (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April 2018

Das Recht, nein zu sagen

von Andreas Bohne


Seit zehn Jahren kämpft das Amadiba Crisis Committee gegen ein Bergbauprojekt in Xolobeni. Der diktierten Macht von oben stellen die Aktivistinnen und Aktivisten vielfältige Protestformen entgegen. Und sie schaffen es, als Akteure neben Politik und Wirtschaft akzeptiert werden zu müssen.


In der Auseinandersetzung in Xolobeni fehlt es nicht an Synonymen, Metaphern und Vergleichen: "David gegen Goliath", "unwillkommenes Geschenk", "Fels des Widerstandes", "Epizentrum gegen Bergbau". Worum geht es in Xolobeni und beim Xolobeni Mineral Sands Project, dass solche Vergleiche herangezogen werden? In dem Gebiet an der Wildküste des Ostkaps liegen große Mengen an Titan, insgesamt wohl um die 350 Millionen Tonnen Eisenerz mit einem fünfprozentigen Titangehalt. Schätzungen sprechen von einem Wert von bis zu 2,4 Mrd. Rand (ca. 200 Mio. US-Dollar). Mit dem Aufschluss von Xolobeni würde eine der größten Titanminen in Südafrika entstehen. Hinter dem Projekt steht Transworld Energy and Minerals, ein Tochterunternehmen des australischen Unternehmens Mineral Commodities (MRC). Der Konzern möchte mehrere Millionen US-Dollar investieren und wirbt mit der Schaffung von 300 permanenten Arbeitsmöglichkeiten.


Auseinandersetzungen als Spiegelbild

Doch das Projekt ist umstritten. Eingebettet werden können die Auseinandersetzungen in ein Panoptikum aus Widerstand, Machtpositionen und Wirtschaftsinteressen. Damit dienen sie einerseits als Spiegelbild südafrikanischer Gegenwart. Andererseits sind sie weitergehend exemplarisch für die lokalen, nationalen und internationalen Ebenen extraktiver Projekte weltweit.

2007 wurde die Abbaulizenz für das Xolobeni-Projekt vergeben, noch kam es jedoch nicht zum Abbau. Seit Beginn traten Fragen zu den möglichen - oder auch zu erwartenden - Umweltauswirkungen auf, ebenso zum hohen Wasserbedarf und der Umsiedlung von mehr als 200 Haushalten. Daher haben sich viele Bewohner in Xolobeni im 2007 gegründeten Amadiba Crisis Committee (ACC) als lokale Widerstandsgruppe zusammengeschlossen. Sie sehen in dem Landstrich eine wertvolle Landschaft, argumentieren mit Biodiversität, mit dem Potenzial für Tourismus und der Fortführung von Landwirtschaft. Damit wollen sie eine lokale Entwicklungsalternative zum extraktiven Modell bieten, insbesondere weil sie die Aktivitäten des Unternehmens kritisch sehen.

Auch von Erfahrungen mit ungeklärten Kompensationszahlungen und gebrochenen Versprechungen lassen sich die Aktivistinnen und Aktivisten in Xolobeni leiten. Dabei begeben sie sich allerdings in Gefahr: Bisher sind sechs von ihnen zu Tode gekommen. Das letzte Opfer war der ACC-Vorsitzende Sikhosiphi "Bazooka" Rhadebe, der von zwei Männern im März 2016 erschossen wurde. Bisher wurde niemand für den Mord verhaftet. Seitdem ist Nonhle Mbuthuma Vorsitzende des Komitees. Auch sie muss ständig ihren Wohnsitz wechseln. Dennoch scheint der Widerstand ungebrochen, leitet sich dieser doch aus einer Tradition ab: Bereits während der Apartheid und vorher engagierten sich die vielen ACC-Mitglieder in Protesten.

Was den aktuellen Widerstand von vielen anderen Protestformen im Bergbau abhebt, ist die eindeutige ACC-Positionierung gegen Bergbau und damit verbunden die klare Forderung nach einem "nein". Die Aktivisten nennen es das "Recht, nein zu sagen". Hier gehen sie deutlich über das von Gemeinschaften geforderte Prinzip der freien, frühzeitigen und informierten Zustimmung ("free prior and informed consent", FPIC) hinaus, welches die Informationsbereitstellung und Zustimmung garantieren soll. Sie fordern auch einen Respekt auf Ablehnung ein. Die Chancen dafür stehen schlecht: FPIC wurden bisher kaum realisiert und kein Bergbauprojekt konnte bisher durch dieses Prinzip gestoppt werden.

In den vielen Jahren seit 2007 hat das ACC sich institutionalisiert und nutzt vielfältige Formen von Widerstand wie Massenmobilisierung, Medienarbeit, Vernetzung und Klagen. So konnte ein weiterer Etappensieg erreicht werden: Zwischen dem 23. und 25. April 2018 findet in Pretoria eine Anhörung statt. 127 Betroffene und die südafrikanische Organisation Benchmarks Foundation bringen den Bergbauminister Mosebenzi Zwane vor Gericht und führen dabei an, dass die Vergabe von Bergbaurechten im Widerspruch zum "customary law" stehe: Den Bewohnern gehöre das Land auf Grundlage kollektiver Rechte, daher könne nicht über eine Mine bzw. Vergaben von Lizenzen von einer Behörde entschieden werden. Außerdem führen sie an, dass bis heute unklar ist, wie Schäden minimiert oder Kompensation aussehen würden. Bis zum Prozesstag möchte das Netzwerk "Mining Affected Communities in United Action" durch eine Petition die Klage und das ACC in ihrer Forderung nach einem "Right to say no" symbolisch unterstützen. Auch in früheren Jahren haben sich südafrikanische Organisationen wie die Benchmarks Foundation mit dem Widerstand in Xolobeni solidarisiert und Gespräche mit dem australischen High Commissioner gesucht (2016).


Gräben und Konflikte um "Entwicklung"

Wie zumeist bei extraktiven Projekten geht es auch in Xolobeni um die Deutungshoheit von "Entwicklung". Der Streit darum verursacht Trennlinien innerhalb von Gemeinschaften, die einen Graben zwischen Befürwortern und Gegnern des Bergbauprojektes ziehen. Diese machen auch vor traditionellen Autoritäten nicht Halt: Der 2013 verstorbene König des Pondoland, Mpondombini Sicgau, stellte sich ebenso wie die lokale Umgungundlovu Traditional Authority hinter die Gemeinschaft und ihre Ablehnung des Minenprojekts. Der vom damaligen Präsidenten Jacob Zuma unrechtmäßig eingesetzte Nachfolger Zanozuko Sicgau und weitere lokale traditionelle Autoritäten unterstützen dagegen das Projekt. Grund ist auch ihre persönliche Verflechtung in die Geschäfte, zum Beispiel durch Funktionen beim "Entwicklungspartner" des Minenunternehmens, Xolobeni Community Empowerment (Xolco). Überhaupt ist das Geschäftsgebaren von MRC alles andere als durchsichtig. Daneben verklagte MRC in den vergangenen Jahren mehrere Anwälte und Aktivisten.

Aufgrund des Widerstandes hat Bergbauminister Zwane im Juni 2017 mit Verzögerung ein 18-monatiges Moratorium vorgelegt - für ACC ein klares Ablenkungsmanöver, auch weil der Kampf nicht nur auf Bergbau beschränkt ist. Das ACC kämpft ebenfalls gegen die Wegführung der Wild Coast N2 Toll Road durch ihr Land. Sowohl die Straßenbauagentur Sanral (South African National Roads Agency Ltd) als auch der Staat nutzen den Straßenbau als Argument für "Entwicklung". Das Amadiba-Komitee hält dagegen, dass die Straße nur durch Umsiedlung von 40 Haushalten vollzogen werden kann und die Gemeinschaft zweiteilen würde. Für sie ist der Kampf gegen die Straße nicht von ihrem Protest gegen den Bergbau zu trennen.


Der Bergbausektor in Limbo

Der Bergbausektor in Südafrika ist in der Schwebe. Im Juni 2017 präsentierte Bergbauminister Zwane die neue Mining Charter. Ein Kern ist unter anderem die Zunahme von Beteiligungen früher benachteiligter Gemeinschaften in Unternehmen. Aus unterschiedlichen Richtungen regte sich Widerspruch und ein widersprüchliches Zweckbündnis schien zu entstehen. Sowohl die Chamber of Mines als auch von Bergbau betroffene Gemeinschaften machten ihrer Ablehnung Luft. Aufgrund des fehlenden Konsultationsprozesses in der Erarbeitung der Charta forderten beide einen frischen Start in einem offenen Konsultationsprozess. Besonders Vertreterinnen und Vertreter der vom Bergbau betroffenen Gemeinschaften fordern eine starke Berücksichtigung ihrer Rechte und Interessen in der Charta. Sie kritisieren, dass die vorgelegte Mining Charter die Absichten des 2002 verabschiedeten Minerals and Petroleum Resources Development Act 28 (MPRDA) nicht berücksichtigt und somit in keinster Weise den Weg zu einer Transformation einschläge.

Daher zogen Mitte Februar von Bergbau betroffene Gemeinschaften, unterstützt von Lawyers for Human Rights und der Chamber of Mines, in Pretoria vor Gericht. Die Unterschiedlichkeit zeigte sich hier deutlicher denn je: Die Beschwerde wurde auf unbestimmte Zeit vertagt, da die Chamber of Mines eine Vereinbarung mit dem Ministry of Mineral Resources erreichte. Zu dieser kam es aber ohne Teilnahme der Gemeinschaften - für deren Vertreter und Anwälte klarer Beweis, dass ihre Stimme kaum eine Rolle in politischen Entscheidungsprozessen spielt. Dennoch werteten diese die Vertagung dahingehend, dass Gemeinschaften als Akteure in weiteren Diskussionen zur Mining Charter wahrgenommen werden müssen. Von Seiten des neuen Präsidenten Cyril Ramaphosa wurde im Rahmen seiner kürzlichen Rede an die Nation eine Neubearbeitung der Mining Charter versprochen. In seiner Rede betonte Ramaphosa die Notwendigkeit eines "wahrhaft effektiven Instruments zur nachhaltigen Transformation des Bergbausektors in Südafrika".

Und genau hier wird es spannend. Dem Bergbau kommt aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung in Südafrika eine wichtige Rolle in einer strukturellen sozioökonomischen Transformation des Landes zu. Es gilt jedoch zu befürchten, dass es zu einer weiteren Herausbildung einer kleinen nationalen Bourgeoise führt. Jedoch macht das Beispiel Xolobeni gegen das Eliteninteresse Mut. Es zeigt das Potenzial sozialen Handelns, das über Kritik und Protest gegenüber einem lokalen Bergbauprojekt hinausgeht und politische und wirtschaftliche Akteure konfrontiert.


Der Autor ist Referent für das Südliche Afrika bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Link zu dem Gerichtsverfahren:
https://mine-alert.oxpeckers.org/4P/info/2989

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
46. Jahrgang, Nr. 2, März/April 2018, S. 20-21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2018

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