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ARTENRAUB/287: Nasenhorn und Tigerknochen (ARA Magazin)


ARA Magazin 24, 2018/19 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Nasenhorn und Tigerknochen
China plante Schlag gegen den Artenschutz


25 Jahre lang war in China der Handel mit Tigerknochen und Nashorn-Horn verboten. Nun wollte der Pekinger Staatsrat den Handel mit Produkten bedrohter Arten wieder erlauben, zu Heil- und Forschungszwecken sowie aus kulturellen Gründen wenn denn die Tiere in Gefangenschaft gezüchtet wurden.

China weiß aus eigenen Erfahrungen mit der wirkungslosen Kontrolle des Elfenbeinhandels, dass es schier unmöglich ist, parallel legalen und illegalen Handel zu regulieren. China weiß auch, dass trotz weltweit geltenden Verboten der illegale Handel mit Nasenhorn oder Tigerknochen unverändert blüht, nicht zuletzt im eigenen Land. Mit der geplanten Aufgabe des generellen Handelsverbotes war China im Begriff, historische Schuld insbesondere am Ende der letzten Nashörner auf sich zu laden.


Anfang März 2017 streckten Einbrecher im Zoo Thoiry bei Paris den Nashornbullen Vince mit Schüssen in den Kopf nieder und trennten mit Hilfe einer Kettensäge sein Horn ab. Solch dreisten Fällen der Erbeutung von Nashorn-Horn fallen heute auch immer wieder Nas(en)hörner in Museumssammlungen zum Opfer. Kein Wunder: Der Schwarzmarktpreis von einem Kilo Nashorn-Horn liegt bei bis zu 80.000 US-Dollar, fast dreimal so wertvoll wie Gold.

Betroffen vom Run auf das Horn der Nashörner sind aber vor allem deren letzte wildlebende Bestände in afrikanischen und asiatischen Nationalparks. Fünf Nashornarten leben (noch) auf der Erde, vom Java-Nashorn vielleicht noch 40 und vom Sumatra-Nashorn möglicherweise noch etwa 170 Tiere. Etwa 2.500 Exemplare zählt das Indische Panzernashorn. Die größten Bestände weisen die afrikanischen Nashörner mit noch etwa 25.000 Tieren auf, darunter vor allem das Südliche Breitmaulnashorn mit etwa 20.000 Exemplaren.

Wilderei auf Nasenhörner war bei den Rhinozerossen immer der Hauptgrund für illegale Jagd. 1960 lebten beispielsweise in Afrika noch 100.000 Spitzmaulnashörner, 1970 noch 65.000. In den folgenden 20 Jahren ging der Bestand um 96 Prozent zurück, so dass es 1993 gerade noch 2.300 Spitzmaulnashörner gab. Dank intensiver Schutzanstrengungen stiegen die Bestände danach langsam wieder an. Ähnlich war es vor 1970 den Breitmaulnashörnern ergangen.

Nachdem der Exodus der Nashörner lange Zeit unausweichlich schien, geht es seit Mitte der 90er Jahre insbesondere in Afrika mit den Beständen langsam aufwärts.

Krebskiller und Party-Droge

Dazu hatte ohne Frage auch das 1993 erlassene absolute Handelsverbot für Nashorn in China beigetragen. Denn China war schon immer das Hauptabnehmerland für ein Produkt, das seit Jahrhunderten in der Traditionellen Chinesischen (Asiatischen) Medizin (TCM) eingesetzt wird. Nashorn besteht wie Pferdehufe, Vogelschnäbel oder unsere Fingernägel weit überwiegend aus Keratin, eine Substanz, der noch nie auch nur die geringste medizinische Wirkung nachgewiesen werden konnte. Gleichwohl wird pulverisiertes Nasenhorn in der TCM zur Fiebersenkung und Schmerzlinderung, zur Potenzsteigerung und auch zur Behandlung schwerster Erkrankungen wie Krebs eingesetzt. Vor allem in China, aber zunehmend auch in Vietnam, wo vor wenigen Jahren angeblich ein ranghoher Regierungsbeamter durch Nashornmehl eine Krebserkrankung besiegen konnte. Seitdem sollen in vietnamesischen Krankenhäusern medizinische Scharlatane unterwegs sein, auf der Suche nach verzweifelten Krebspatienten, denen Sie Nashornmehl verkaufen wollen.

Hinzu kommt, dass in Vietnam seit einigen Jahren Nashornmehl zu der Partydroge schlechthin der Reichen und Schönen geworden ist. Getrunken zum Beispiel mit Wein soll das Horn entgiften, auch dem Kater vorbeugen. Und es soll die Energie und Kraft eines Nashorns auf den Konsumenten übertragen. Den enormen Konsumentenzuwachs erklären diese Mythen alleine kaum. Es hat den Anschein als wäre der Markt für den extrem teuren "Drink der Millionäre" inszeniert, ja mit geradezu mafiösen Methoden künstlich geschaffen worden. Fakt ist, dass inzwischen ähnlich viel Nashorn auf dem vietnamesischen wie dem chinesischen Markt landet.

Als Ergebnis dieser Entwicklungen hat seit 2008 die illegale Jagd auf Nashörner wieder dramatisch zugenommen. Aktuell betroffen sind vor allem die noch vergleichsweise häufigen Breitmaulnashörner. Vermutlich auch deshalb, weil sie in Gruppen in der offenen Savanne leben und dort relativ leicht erbeutet werden können.

Jeden Tag werden in Afrika drei bis vier Nashörner gewildert, nur in Südafrika pro Jahr über 1.000 Tiere. 2017 wurden allein in dem bei Touristen so beliebten Krüger-Nationalpark über 500 Nashörner Opfer von Wilderern. Ständig sind im Park mehr als ein Dutzend Wilderer-Banden unterwegs. Hinter ihnen steht ein umfangreiches hoch-professionelles Netzwerk von Schmugglern und Händlern, sowie nicht zuletzt Unterstützern in der Exekutive und Judikative der Exportländer wie auch in China oder Vietnam.

China und Vietnam verantwortlich für das Schicksal der Nashörner

Wie gesagt, bis jetzt war in China jeglicher Handel mit Nashornprodukten (ähnlich wie mit Tigerknochen und Bestandteilen anderer gefährdeter Arten) untersagt. Auch in Vietnam wurden auf internationalen Druck hin Maßnahmen ergriffen, um die Nachfrage nach Horn einzuschränken. Dazu gehört auch ein Handelsverbot für Nashorn. Seit 2006 drohen Geldstrafen und bis zu sieben Jahre Haft bei Zuwiderhandlung. Alles freilich nur auf dem Papier. Jedenfalls ist nachweislich in den letzten neun Jahren in Vietnam niemand wegen Konsum oder Handel mit Nashorn verurteilt oder gar ins Gefängnis gesteckt worden.

Der Druck auf die letzten Bestände wilder Nashörner wird immer größer. In einer solchen Situation jetzt - wie durch die chinesische Regierung geplant - auch noch den Bann auf den Handel mit Nashornprodukten aufzuheben, wäre unverantwortlich gewesen; auch wenn der streng reglementiert und auf nachgezüchtete Tiere begrenzt werden sollte.

Mitte November ließ das chinesische Staatsratsmitglieds Ding Xuedong über die Nachrichtenagentur Xinhua verbreiten, dass die geplanten Handelslockerungen nach entsprechenden Studien doch nicht umgesetzt würden. Der wahre Hintergrund dürften massive Proteste von Natur- und Artenschutzverbänden aus allen Teilen der Welt gewesen sein. Auch ARA hatte bereits Pläne für einen "China-Appell" entwickelt.


Info

Fast 1.500 Breitmaulnashörner leben auf einer Farm in Südafrika. Ihr Horn wird nicht ausreichen, um die Wilderei zu stoppen.

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Quelle:
ARA Magazin 24, 2018/19, Seite 10 - 11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2019

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