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ASIEN/043: Pakistan - "saubere" Wege, Energie aus Kohle zu gewinnen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Dezember 2010

Pakistan:
Strom aus Kohlekraftwerken - Allerdings sauber sollen sie sein

Von Zofeen Ebrahim


Karachi, Pakistan, 16. Dezember (IPS) - Wie es sich in Pakistan für eine gute Braut geziemt, ist Rubina Ikram mit ihrem Mann nach der Hochzeit ins Haus ihrer Schwiegereltern gezogen - im Gepäck die Mitgift, die neben Kleidern, Möbeln und Geschirr auch eine Waschmaschine und einem CD-Player beinhaltet. Doch nach drei Wochen standen die Elektrogeräte in den beiden Zimmern des Paares im Karachi-Bezirk Lyari noch immer ungenutzt herum.

"Woran das liegt?", fragt Rubinas Schwiegermutter Kulsum Begum. "Uns fehlt der Strom, um die Geräte am Laufen zu halten." Dabei zählen die Ikrams zu den 40 Prozent der pakistanischen Haushalte, die an das staatliche Stromnetz angeschlossen sind. "Es scheint jedoch so, als lebten wir in dunklen Zeiten, meint Begum. "Die Hälfte der Zeit gibt es keinen Strom. Und noch schlimmer ist es, wenn der Winter kommt. Dann wird die Gasversorgung immer wieder unterbrochen."

Diese schwierige Stromversorgungssituation dürfte eine Erklärung dafür sein, warum Pakistan allen Klimaproblemen zum Trotz dennoch ernsthaft darüber nachdenkt, einen Teil des nationalen Energiebedarfs mit Kohle zu decken. Von allen fossilen Brennstoffen ist dieser Energieträger der schmutzigste. Erst im April hatte die Weltbank die Finanzierung solcher Probebohrungen in Pakistan aus ökologischen Gründen abgelehnt.


Kohle-Gasifizierung

Mahfooz Bhatti leitet das 'Kohle- und Energieprojekt der Sindh-Regierung in Thar. Wie er betont, gibt es durchaus 'saubere' Wege, Energie aus Kohle zu gewinnen. Als Beispiel nennt er die Kohle-Gasifizierung. Mit Hilfe hochwertiger Technologien ließen sich internationale Umwelt- und Sozialsicherheitsstandards auch bei der Stromgewinnung durch Kohlekraft einhalten, ist er überzeugt.

Wie Kamran Kamal, Entwicklungsexperte und Berater bei 'Engro Powergen', einem Ableger des größten pakistanischen Konglomerats 'Engro', erklärt, sind ökologisch anspruchsvolle Anlagen fähig, mehr Strom mit weniger Kohle zu generieren. "Das bedeutet, sie stoßen weniger CO2 aus, sind wirtschaftlich rentabel und, was noch wichtiger ist, bleiben unterhalb der Emissionsrichtwerte der Weltbank."

Khalid Rashid, Physiker und Experte in Sachen Energieproduktionstechnologien, kann dem nur zustimmen. "Sensible Anlagen und die Kohle-Vergasung sind längst nicht so umweltschädlich wie herkömmliche Kohlekraftwerk", unterstreicht er. "Sie operieren mit viel höheren Temperaturen und Druck und verbrennen die Kohle effizienter", meint er. "Bei jedem Kilo Kohle, das sie produzieren, fallen 20 Prozent mehr Strom und 40 Prozent weniger CO2 an."

Im Verlauf des Vergasungsprozesses entsteht aus oxidierter Kohle eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid - das sogenannte Syngas. Es lässt sich zur Erhitzung von Boilern und zur Herstellung von Dampf verwenden, der die Strom erzeugenden Turbinen antreibt. Der CO2-Ausstoß fällt je nach Design der Anlage um 30 bis 40 Prozent niedriger aus.

Wie Rashid hervorhebt, ist weltweit eine Abkehr von herkömmlichen Kohlekraftwerken und der Bau dieser neuen Anlagen zu beobachten. Untersuchungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IEA) ergaben, dass der Austausch der alten Anlagen die klimaschädlichen Treibhausgasse um 5,5 Prozent verringern könnte.

Engro Powergen fördert zusammen mit der Regierung im Thar-Block II in der südöstlichen Provinz Sindh Kohle in der Tharparkar-Wüste Kohle, die in einem nahe gelegenen Kraftwerk zur Herstellung von 1.200 Megawatt Strom verwendet wird. Die 1992 dort entdeckten Braunkohlevorräte werden auf 185 Milliarden Tonnen geschätzt.


Hohes Energiepotenzial

Bhatti zufolge sorgten der Zugang zu preiswertem Gas, fehlende Infrastrukturen und institutionelle Hindernisse dafür, dass die Kohlereserven lange Zeit unangetastet blieben. Nach Angaben der Bergbaubehörde von Sindh besitzen die pakistanischen Kohlereserven das Potenzial, 200.000 Megawatt Strom zu erzeugen. Das reicht, gemessen an dem derzeitigen Energieverbrauch, für den Strombedarf der nächsten 100 Jahre.

Alles deutet darauf hin, dass die Engro-Energieproduktionsanlage in sechs Jahren in Betrieb gehen kann. Bhatti schätzt, dass sie dann den nationalen Strombedarf für die darauffolgenden 50 Jahre decken kann.

Engro zufolge wird das Projekt dem südasiatischen Land zudem Einsparungen in Höhe von einer Milliarden US-Dollar bescheren. Dem nationalen Energiejahrbuch 2010 zufolge gibt Pakistan derzeit vier Milliarden Dollar für Treibstoffimporte zur Energiegewinnung aus. Diese Kosten ließen sich durch die erste 1.200-Megawatt-Anlage um ein Viertel drosseln.

Dem Regierungsplan zufolge wird Pakistans Energiebedarf 2010 zu 49 Prozent aus Erdgas, zu 26 Prozent aus Öl, zu 13,9 Prozent aus Wasserkraft, zu neun Prozent aus Kohle, zu 1,1 Prozent aus erneuerbaren Energien und zu 0,9 Prozent aus Atomstrom gespeist. Bis 2030 soll die Energieproduktion auf 162.590 Megawatt steigen und zu 45 Prozent auf Erdgas, 19 Prozent auf Kohle, 18,5 Prozent auf Öl, 2,5 Prozent auf erneuerbaren Energien, 10,8 Prozent auf Wasser- und 4,2 Prozent auf Atomkraft basieren.

Kritik an der Ökobilanz für das Klima schmettert Kamal mit der Bemerkung ab, dass es nicht immer möglich ist, sich von Umweltbelangen dominieren zu lassen. "Wenn sich die reichen Länder der Welt, die ja auch gleichzeitig die größten Verschmutzer sind, so große Sorgen um die CO2-Emissionen machen, sollten sie mit gutem Beispiel vorangehen", meint er. "Sie könnten ihre kohlebetriebenen Kraftwerke schließen und sich den sauberen Energien zuwenden." (Ende/IPS/kb/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2010