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ASIEN/075: Indien - Zugvogel-Paradies in Neu-Delhi akut gefährdet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. August 2013

Indien: Zugvogel-Paradies in Neu-Delhi akut gefährdet

von Ranjit Devraj


Bild: © T.K. Roy/IPS

Eurasische Löffler überwintern im Naturschutzgebiet Okhla im Zentrum von Neu-Delhi
Bild: © T.K. Roy/IPS

Neu-Delhi, 23. August (IPS) - Jedes Jahr im Winter wird das Okhla-Feuchtgebiet, eine Oase in der indischen Millionenstadt Neu-Delhi, zum Quartier von Rosaflamingos, Graugänsen, Reiher- und Löffelenten sowie anderen exotischen Vögeln aus kälteren Weltregionen.

Diese Zugvögel treffen hier auf hunderte einheimische Wasservögel, die in dem vier Quadratkilometer großen Feuchtgebiet am Ufer des Jamuna brüten. Der Fluss kämpft sich durch teure Wohngebiete und Bauprojekte, die in den Bundesstaaten Delhi und Uttar Pradesh entstehen.

Umweltschützer warnen davor, dass der Anblick der zahlreichen bunten Vögel, die im Vogel- und Wildlife-Schutzgebiet brüten, bald Vergangenheit sein könnte, wenn der Bauboom an beiden Ufern des Jamuna nicht eingedämmt wird. Außerdem wird das Wasser durch ungeklärte Abwässer verseucht.


Zahl der Zugvögel in Okhla mittlerweile halbiert

Laut Tarun Kumar Roy, Koordinator des asiatischen Zensus für Wasservögel der Organisation 'Wetlands International' (WI), machten noch vor zehn Jahren etwa 10.000 Vögel in dem Schutzgebiet Station. "Inzwischen hat sich die Zahl aber halbiert."

Die niederländische Umweltschutzorganisation setzt sich für den Erhalt von Feuchtgebieten und der Artenvielfalt ein. Roy will erreichen, dass Okhla nach dem Ramsar-Abkommen von 1971 als Feuchtgebiet geschützt wird. Die schwindende Zahl von Vögeln lässt ihn aber mutlos werden.

Andere Experten sind zuversichtlicher. Der Status einer Ramsar-Stätte würde bedeuten, dass das Gebiet durch die Vertragspartner internationale Unterstützung erhielte. Aktivitäten, die negative ökologische, wirtschaftliche oder kulturelle Folgen für Okhla hätten, würden damit verhindert.

"Die Tatsache, dass zahlreiche Zugvögel aus anderen Kontinenten Okhla besuchen, erhöht die Chancen, dass das Gebiet zu einem Ramsar-Ort erklärt werden wird", meint Faizi S. Faizi, der einem Expertenausschuss zur Artenvielfalt bei der UN-Biodiversitätskonvention angehört. Für hilfreich hält er den Umstand, dass 'Birdlife International' Okhla bereits zu einem "wichtigen Gebiet für Vögel" erklärt hat.


Druck durch Bau- und Immobilienlobby

Gopal Krishna von 'Toxics Watch', der größten Umweltgruppe in Neu-Delhi, sieht nun das Umweltministerium in der Pflicht, bei der Ramsar-Konvention für das Gebiet zu werben. "Dies ist bisher aber nicht geschehen, weil die einflussreiche Bau- und Immobilienlobby Druck ausübt", kritisiert er. Es sei kaum glaubhaft, dass die Beamten in dem Ministerium die Eingriffe in das Naturschutzgebiet nicht bemerkten. "Wie kann etwa ein stark schmutzverursachendes Müllheizkraftwerk ohne ministerielle Genehmigung am Rande des Park betrieben werden?"

Nach Ansicht von Krishna hängt die Zukunft von Okhla entscheidend vom Ausgang mehrerer juristischer Verfahren ab, die Umweltschützer und Anwohner vor dem Nationalen Grünen Gericht angestrengt haben. An diesem Tribunal werden Umweltstreitigkeiten beschleunigt verhandelt. Gegen das im Januar 2012 in Betrieb genommene Kraftwerk ist die wohl wichtigste Klage anhängig. "Ein Ausschuss des Gerichts hat festgestellt, dass die Schadstoffemissionen die zulässige Obergrenze um das 25-Fache übersteigen", sagte Krishna.

Im Juli veröffentlichte die Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi die Ergebnisse einer Studie, denen zufolge die Luft im Umkreis von Okhla erheblich mit Blei, Nickel, Kadmium und Kobalt verseucht ist. Diese Giftstoffe könnten nur aus dem Kraftwerk stammen, heißt es darin. Wie Roy warnt, sind die Abgase aus dem Verbrennungsofen eine ernsthafte Bedrohung für die Zugvögel, da toxische Gase auf der Höhe ihrer Flugroute ausgestoßen würden.

Am 14. August verbot das Gericht bis auf weiteres alle unerlaubten Baumaßnahmen in einem Umfeld von zehn Kilometern um das Schutzgebiet. Die Zentralregierung und die Provinzbehörden wurden aufgefordert, den Zustand des Gebietes nochmals zu überprüfen. Nach Ansicht von Faizi kam diese Entscheidung keinen Tag zu früh.


Zahlreiche gefährdete Arten gesichtet

Roy weiß immerhin zu berichten, dass die Zahl von Vögeln in Okhla zwar abnimmt, dafür aber offenbar mehr unterschiedliche Spezies gesichtet werden. Insgesamt wurden bisher 330 verschiedene Arten registriert. Zu den gefiederten Besuchern des Schutzgebietes gehören Vögel, die auf der Roten Liste der gefährdeten Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) stehen. Darunter sind die Moorente, die Uferschnepfe, der Flusskiebitz, der Schmutzgeier, der Altwelt-Schlangenhalsvogel, der Buntstorch, die Schwarzbauch-Seeschwalbe und der Schwarzkopfibis.

Das Gericht berät derzeit über mehrere Petitionen, die ein Einschreiten gegen Bauunternehmen und andere Akteure fordern, die Regeln zum Schutz des Parks missachten. So hat beispielsweise der illegale Abtransport von Sand dazu geführt, dass der Jamuna-Fluss seinen Lauf verändert hat.

Die Behörden sind gegen die Verantwortlichen vorgegangen. Mehrere Personen wurden festgenommen. Die zuständige Distriktverwalterin wurde allerdings Ende Juli drei Monate nach der Razzia von ihren Vorgesetzten suspendiert. Beobachter sahen dies als Rache der Bauindustrie, die den Sand für die Zementherstellung benötigt. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.cbd.int/
http://www.birdlife.org/
http://www.ramsar.org/cda/en/ramsar-about-sites/main/ramsar/1-36-55_4000_0__
http://www.ipsnews.net/2013/08/angry-birds-skip-polluted-delhi/

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IPS-Tagesdienst vom 23. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2013