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ARTENSCHUTZ/072: Sri Lanka - Krokodile in eigene Schutzgebiete umsiedeln, Regierungsplan umstritten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. April 2012

Sri Lanka: Krokodile sollen in eigene Schutzgebiete umgesiedelt werden - Regierungsplan umstritten

von Amantha Perera


Drahtkäfig schützt Dorfbewohner vor Krokodilen - Bild: © Amantha Perera/IPS

Drahtkäfig schützt Dorfbewohner vor Krokodilen
Bild: © Amantha Perera/IPS

Pallupitiya, Sri Lanka, 26. April (IPS) - Sri Lankas Krokodilen droht die Zwangsumsiedlung, nachdem es in jüngster Zeit zu einer neuen Serie tödlicher Angriffe auf Menschen gekommen ist. Der Plan der Regierung, die Reptilien aus Sicherheitsgründen in eigens für sie zu schaffende Schutzgebiete zu überführen, macht nach Ansicht von Umweltschützern keinen Sinn.

Am 12. April ordnete die Behörde für wildlebende Tiere den Fang der in Flüssen und Mündungsarmen lauernden Tiere an. Anlass war eine Krokodilattacke am 4. April auf eine 18-Jährige am Nilwala-Fluss in der Nähe eines Dorfes. Zerfleischt worden war die Frau offenbar von einem vier Meter langen Exemplar, das eine Woche zuvor eine weitere Frau mit sich gezogen und gefressen hatte. Das Tier konnte inzwischen von Wildhütern gefangen werden.

Ob die Behörde das Fangprogramm weiter fortsetzt, ist ungewiss. Zurzeit werden Tierschützer und andere Experten zu Rate gezogen. Zugleich hat die erste Zählung der Krokodile in dem südasiatischen Inselstaat begonnen.

"Begegnungen mit Krokodilen - lebenden Fossilien, die bereits zur Zeit der Dinosaurier auf der Erde vorkamen - können und sollten vermieden werden", meint Anslem de Silva von der Weltnaturschutzunion (IUCN). Seiner Meinung nach ist es wichtiger, die Menschen davon abzuhalten, in die Lebensräume der Reptilien einzudringen.

Die Krokodile in eigens für sie zu schaffende Schutzgebiete zu verbannen, hält er für eine undurchführbare Idee. Der Plan hätte zur Folge, dass Menschen sofort die Behörden riefen, sobald sie ein Krokodil zu Gesicht bekämen, um es einfangen und abtransportieren zu lassen. Sri Lanka ist Heimat des Leisten- und des Sumpfkrokodils (Crocodylus porosus und Crocodylus palustris).


Mehr als 130 Menschen in 15 Jahren von Krokodilen attackiert

Reptilienforscher schätzen, dass während der vergangenen 15 Jahre mehr als 130 Menschen von Krokodilen angegriffen wurden. In 35 Fällen endeten die Attacken für die Opfer tödlich. Im gleichen Zeitraum wurden mindestens 50 Krokodile erschossen.

De Silva rät davon ab, in Kirala Kele in der Südprovinz und in den Feuchtgebieten von Muthurajawela in der Westprovinz solche Schutzgebiete einzurichten. Er beklagt, dass die Menschen dort mit ihren Siedlungen immer dichter an die Habitate der Krokodile herangerückt seien.

Das gilt auch für Rathmalana südlich der Hauptstadt. Die in den nahen Sümpfen lebenden Tiere verirrten sich vor allem in Zeiten von Überschwemmungen häufig in Wasserläufen, die zu menschlichen Ortschaften führten.

Anwohner machen inzwischen selbst Jagd auf angriffslustige Krokodile. Das ist illegal, denn die Reptilien sind geschützte Arten. Am 12. Februar fingen die Einwohner der Stadt Ragama nördlich von Colombo mit einem riesigen Haken, an dem ein Huhn als Köder befestigt war, ein fünf Meter langes Krokodil und töteten es. Das Tier, das mehr als 1.000 Kilo wog, wurde verdächtigt, einen 36-jährigen Mann getötet zu haben, der seit Ende Januar vermisst wird.

"Menschen dringen immer weiter in die Lebensräume von Krokodilen vor", kritisiert auch Namal Kamalgoda, ehemaliger Vorsitzender der Naturhistorischen Gesellschaft Sri Lankas. "Seit Hunderten von Jahren hört man von Krokodilangriffen am Nilwala. Das hat damit zu tun, dass der Fluss der natürliche Lebensraum der Krokodile ist."

Die Menschen, die ihre Gewässer mit den Tieren teilen müssen, sehen die Situation anders. "Ich habe mein gesamtes bisheriges Leben hier verbracht. Die Krokodile sind erst seit fünf oder sechs Jahren da", berichtet Kuruppuarchachi Dharmapala aus dem flussnahen Dorf Pallupitiya. Früher hätten die Menschen problemlos im Fluss baden und ihre Wäsche waschen können. "Heute sind wir gezwungen, uns in Drahtkäfigen zu waschen."


In letzter Minute gerettet

Vor sechs Monaten hatte Sunil Shanta im Fluss hinter seinem Haus in Pallupitiya gebadet, als er einen stechenden Schmerz auf seiner Rückseite verspürte. "Als ich mich umdrehte, sah ich eine lange Schnauze und ein Paar glänzender Augen", berichtet er. Das Raubtier versuchte Shanta ins Wasser zu zerren. Dem Mann gelang es jedoch, sich an einem Ast festzuklammern und um Hilfe zu rufen. Seine Nachbarn schlugen auf das Krokodil ein, bis es sich zurückzog. Shanta wurde wegen seiner schweren Verletzungen zwei Monate lang im Krankenhaus behandelt.

Auch der Politiker M. Seneviratne von der linken Volksbefreiungsfront konnte vor zwei Jahren gerettet werden, als ihn ein Krokodil beim Fischen in der Stadt Anuradhapura anfiel. Die Tiere attackieren die Menschen auch zunehmend in Stadtgebieten - für Experten ein Zeichen dafür, dass die Krokodilpopulation wächst.

Kamalgoda zufolge läuft die zunehmende Verstädterung zwangsläufig auf einen Konflikt mit den Reptilien hinaus. "Wir zwingen die Krokodile, uns zu fressen, weil wir ihnen nichts anderes mehr übrig lassen." (Ende/IPS/ck/2012)

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IPS-Tagesdienst vom 26. April 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2012