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DESERTIFIKATION/008: China - Bauern trotzen Wüstenbildung, Folgen des Klimawandels jedoch nicht einschätzbar (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. September 2012

China: Bauern trotzen Wüstenbildung - Folgen des Klimawandels jedoch nicht einschätzbar

von Manipadma Jena


Bauer in dem Dorf Liu Fendi in der Inneren Mongolei - Bild: © Manipadma Jena/IPS

Bauer in dem Dorf Liu Fendi in der Inneren Mongolei
Bild: © Manipadma Jena/IPS

Chifeng, Innere Mongolei, China, 13. September (IPS) - Horquin Lianjun pflanzt im Südosten der Inneren Mongolei Mais in einem Gebiet an, das vor 60 Jahren noch eine Wüste war. Spärliche Niederschläge und Bodendegradation durch weidende Viehherden bedrohen jedoch die Zukunft der regionalen Landwirtschaft. Die Auswirkungen des Klimawandels sind für die Bauern nicht einschätzbar.

Lianjun bewirtschaftet etwa einen halben Hektar Land. Jeder bewirtschaftete 'Mu' (Maßeinheit, entspricht einem Fünfzehntel Hektar) wirft umgerechnet 63 US-Dollar ab. Mit seiner Familie lebt er in einem Dorf nahe der Stadt Taipingdi in der Region Chifeng. Chinas autonome Innere Mongolei, die im Osten aus Grasland und im Westen aus Wüste besteht, grenzt an die Republik Mongolei und an Russland.

Vor sechs Jahrzehnten wurde das Gebiet von etwa 4.500 Sanddünen beherrscht, zwischen denen weniger als 66 Hektar Wald lagen. Lianjuns Großvater fuhr damals nur knapp ein Viertel der Ernte ein, die seinem Enkel heute vergönnt ist. Die Äcker nahe Taipingdi sind inzwischen durch weiträumige Waldstücke geschützt.

In Chifeng fallen jährlich im Durchschnitt 300 bis 450 Millimeter Regen. Der Landesdurchschnitt liegt bei 619 Millimeter, während in der Küstenstadt Schanghai sogar 1.144 Millimeter niedergehen. In den ariden Gebieten wird allein schon die Regeneration von Grasland zum Problem.

Während Taipingdi und andere Städte Maßnahmen gegen die Bodendegradation ergreifen, verwandeln sich in vielen ländlichen Regionen abgeweidete Flächen wieder in Wüsten. Nach Angaben von Experten hat China in den vergangenen 50 Jahren auf diese Weise ein Gebiet von der Größe Grönlands verloren. Diese gigantische 'Staubschale' umfasst die weltweit größte zu Wüste gewordene Agrarfläche.


Teufelskreis der Armut

Die Bauern geraten zunehmend in den Teufelskreis der Armut. "Je ärmer ein Farmer ist, desto mehr versucht er aus seinem Land herauszuholen. Exzessiv betriebene Landwirtschaft verschlimmert aber die Bodendegradation. Letztendlich verliert er mehr, als er hinzugewinnt", erklärt der Bauernaktivist Bao Yongxin aus dem Bezirk Aohan.

Yongxin wirbt dafür, den Standstürmen mit Grüngürteln zu begegnen. Er hatte jahrelang alles versucht, um sein Land vor dem Sand zu schützen. 1993 riss ein Sturm sogar das Dach seiner Hütte ab, in dem er mit seiner Frau und den beiden Kindern lebte.

Der Bauer entschied sich daraufhin, gegen die Wüstenbildung anzukämpfen. Er brachte die anderen Farmer von Aohan dazu, der Wüste 600 Hektar Land abzutrotzen. Bis 1998 hatte er alle seine Ersparnisse in das Projekt gesteckt. Mit technischer Unterstützung der Forstbehörde gewannen die Dorfbewohner innerhalb von vier Jahren 465 Hektar Ackerland. Unter anderem wurden Dünen mit Netzen gesichert, Oberflächensand mit Chemikalien gebunden sowie aus Büschen, Steinen und Stroh Barrieren aufgebaut.

Die Bauern in Aohan entschieden sich für eine Kombination aus mechanischen und biologischen Maßnahmen, um das Land wieder zu begrünen und aufzuforsten. Die Dünen wurden erst mit Maschinen nivelliert: Danach wurde das Gebiet in ein Quadratmeter große, durch eingelassene Strohballen abgetrennte Quadrate unterteilt, in deren Mitte einheimische Bäume und Sträucher gepflanzt wurden.


Barrieren speichern Feuchtigkeit

Durch die Schachbrettmethode lassen sich Sand und Feuchtigkeit besser halten. Von den ausgebrachten dürreresistenten chinesischen und mongolischen Pinien, gelben Weiden und verschiedenen einheimischen Sträuchern überleben in der Regel 75 Prozent.

"Die Checkerboard-Technologie wird seit 20 Jahren auf breiter Ebene angewandt", sagt Dong Haijun, der die Forstabteilung im Bezirk Wengnuite leitet. Bis 2005 wurden auf diese Weise 2.400 Hektar Ackerland in Aohan wiedergewonnen. 135 Hektar Wald dienten als Barriere gegen den Sand.

Die 120 Wohnhäuser in Aohan haben inzwischen Ziegeldächer, die Windböen standhalten können. Seit 2006 ist Yongxins Dorf durch eine Autostraße mit der Außenwelt verbunden. Der Aktivist ist inzwischen Bürgermeister seines Dorfes und wurde von dem chinesischen Regierungschef Wen Jiabao als 'vorbildlicher Kämpfer' gegen die Wüstenbildung ausgezeichnet.

In ganz China haben sich mittlerweile 124 Millionen Bauern und 21 Millionen Familien in ländlichen Regionen an Projekten zur Rückgewinnung von Land beteiligt, wie ein Vertreter der staatlichen Forstbehörde erklärte. Die Bauern erhalten für ihren Einsatz einen finanziellen Ausgleich. Nach Ansicht von Yongxin sind die schwer einschätzbaren Folgen des Klimawandels aber das größte Problem. (Ende/IPS/ck/2012)


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http://www.ipsnews.net/2012/09/china-puts-up-a-green-shield-against-sandstorms/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. September 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2012