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ERNÄHRUNG/003: Ernährungssicherheit durch ökologischen Landbau - Wandel gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. März 2011

Landwirtschaft:
Ernährungssicherheit durch ökologischen Landbau - Wandel gefordert

Von Stephen Leahy


Uxbridge, 9. März (IPS) - Im Interesse der globalen Ernährungssicherheit und der Verringerung der klimaschädlichen Treibhausgase fordert ein neuer UN-Bericht den kompromisslosen Umstieg auf den ökologischen Anbau. Eine grüne Landwirtschaft sei in der Lage, die Nahrungsmittelproduktion in den Weltregionen innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren zu verdoppeln oder gar zu verdreifachen und zur deutlichen Reduktion die CO2-Emissionen beizutragen.

Ohne eine landwirtschaftliche Kehrtwende lasse sich der weltweite Hunger nicht besiegen, sagte Olivier De Schutter, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, bei der Präsentation seines neuen Jahresberichts zum Thema Agroökologie und das Recht auf Nahrung für den UN-Menschenrechtsrat in Genf.

Anders als die industrielle Landwirtschaft halte sich die Agroökologie an die Spielregeln der Natur. Das mache sie unabhängig von Kunstdünger und anderen chemischen Inputs, erläuterte De Schutter im IPS-Gespräch. 44 Feldversuche in 20 Ländern südlich der Sahara hätten gezeigt, dass grüne Anbaumethoden die Ernten in einem Zeitraum von drei bis zehn Jahren um 214 Prozent steigern konnten. "Das übersteigt die Möglichkeiten von genmodifiziertem Saatgut bei weitem."

Andere Forschungsprojekte ließen erkennen, dass Kleinbauern in 57 Ländern, die auf den ökologischen Landbau umgestiegen sind, ihre Erträge um bis zu 80 Prozent steigern konnten. Der afrikanische Durchschnittswert liegt bei 116 Prozent. "Wissenschaftliche Untersuchungen haben den Beweis erbracht, dass grüne Anbaumethoden selbst in denjenigen Regionen, in denen der Hunger am größten ist, die Verwendung von Düngemittel überflüssig machen", unterstrich De Schutter.


Unabhängig von teuren Agrarchemikalien

Der ökologische Landbau kommt ohne die teuren Agrarchemikalien und Hybridsaaten aus. Er eignet sich besonders gut für Kleinbauern und Hirten, die die Mehrheit der eine Million Hungernden stellen. Projekte wie die von Regierungen und Gebern mit 400 Millionen Dollar geförderte 'Allianz für eine grüne Revolution in Afrika' (AGRA), die auf Düngemittel und Hybridsaatgut setzt, könnten zwar rasch Ertragssteigerungen vorweisen, seien auf lange Sicht aber nicht nachhaltig, warnte De Schutter.

Malawi gilt als AGRA-Erfolgsgeschichte. Die von Gebern wie der Melinda-und-Bill-Gates- und die Rockefeller-Stiftung subventionierten Düngemittel konnten tatsächlich die Ernten steigern. Doch aufgrund seiner großen Armut schwenkt das südostafrikanische Land immer mehr auf den ökologischen Landbau um. "Die Regierung unterstützt die Bauern nun beim Anbau stickstoffbindender Bäume, um einen nachhaltigen Anstieg der Maisproduktion zu erreichen", erläuterte der UN-Sonderberichterstatter.


Klimagasbilanz ausgeblendet

Bei der industriellen Landwirtschaft geht es vor allem um die Effizienzmaximierung und Produktionssteigerung. Der Erfolg eines solchen Systems hängt vom preiswerten Zugang zu fossilen Treibstoffen ab, mit denen die Landmaschinen betrieben und Agrarchemikalien hergestellt werden. Die negativen Folgen jedoch sind Bodenerosion und andere Umweltschäden, die in den vermeintlichen Erfolgsbilanzen jedoch nie berücksichtigt werden.

Zu den unterschätzten Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft gehört auch der Klimawandel. "Zwischen 45 bis 50 Prozent aller menschlichen Klimagase sind auf die derzeitigen Methoden zur Herstellung von Nahrungsmitteln zurückzuführen", meinte De Schutter.

Bei den klimaschädlichen Gasen, die von der industriellen Landwirtschaft verursacht werden, handelt es sich nicht nur um Kohlendioxide (CO2), sondern auch um besonders berüchtigte Klimakiller wie das von Tieren ausgeschiedene Methan und Stickstoffoxid, das bei der Herstellung von Düngemitteln freigesetzt wird. Nimmt man die Zerstörung der Wälder hinzu, die meist Farmland und Plantagen weichen müssen, ist die industrielle Landwirtschaft zu einem Drittel an der Entstehung der Klimaemissionen beteiligt.

Der ökologische Landbau kann nicht nur die Erträge steigern, sondern auch CO2 im Boden binden. "Wenn es uns gelingt, die Nahrungsmittelproduktion und -verteilung umzukrempeln, hätten wir eine starke Waffe gegen den Klimawandel in der Hand", sagte Henk Hobbelink, der Koordinator von GRAIN. Die internationale Entwicklungsorganisation hatte bereits 2009 in einem Bericht festgestellt, dass die industrielle Landwirtschaft die größte Quelle der Treibhausgase ist. Technisch gesehen ließe sich dies ändern, so Hobbelink. "Das Ganze ist letztendlich nur eine Frage des politischen Willens." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www2.ohchr.org/english/issues/food/index.htm
http://www.grain.org/front/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=54768

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2011