Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

EU/033: Paralleljustiz für Umweltzerstörer? - Rumäniens Investitionsschutzverträge (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014
REGulIEREN - ABER WIE?
Vom Sinn und Unsinn der (De-)Regulierung

Eine Paralleljustiz für Umweltzerstörer?
Rumäniens Investitionsschutzverträge als Ausblick auf CETA und TTIP

Von Jürgen Maier



Rosia Montana in Rumänien. In den zauberhaften Hügellandschaften Siebenbürgens gruben schon die alten Römer nach Gold, 95% der einstmals reichhaltigen Vorkommen sind schon vor Jahrhunderten aus dem Boden geholt worden. Der Rest liegt tief im Boden, und auf den hat es seit über 15 Jahren die kanadische Bergbaufirma Gabriel Resources abgesehen. Diese will vier ganze Berge in die Luft sprengen, ganze Landstriche im Tagebau abbaggern und das Gold aus dem gemahlenen Gestein mit dem hochgiftigen Zyanid auswaschen. Ganze 1,5 Gramm Gold pro Tonne liegen hier. Die vielen Tonnen hochgiftiger Abraum-Schlämme sollen in einem benachbarten Tal gelagert werden - als Freiluft-Giftmülldeponie, abgesichert von einer 180 Meter hohen Staumauer. Bricht sie, ergießen sich 250 Millionen Tonnen als riesige giftige Schlammlawine über die Umgebung.


Weite Teile des Ortes Rosia Montana stehen für dieses Projekt im Weg. Am einfachsten wäre es, sie zu evakuieren. Immerhin, man hat zugestanden, die Hauptstraße soll bleiben. Umgeben von Tagebauwüsten und dem ständigen Sound von Sprengungen wird da aber niemand mehr wohnen wollen. Gabriel hat schon viele Häuser aufgekauft und lässt sie verfallen. Man will den psychologischen Eindruck eines sterbenden Dorfes erwecken und noch mehr Einwohner zum Verkauf bewegen. Aber 350 Familien bleiben standhaft.

Seit 15 Jahren kämpfen sie gegen diese giftige Zukunft

Immer wieder wurden sie zurückgeworfen von korrupten Politikern und von der Teile-und-Herrsche-Politik von Gabriel Resources. Im Juni gelang es den Rosia-Montana-Verteidigern, im rumänischen Parlament ein skandalöses Sondergesetz zu stoppen, mit dem Gabriel Resources quasi amtlich zu einem Staat im Staate gemacht worden wäre, samt dem Recht für das Goldbergbauprojekt diejenigen Haus- und Landbesitzer zu enteignen, die sich immer noch weigern, ihr Land an Gabriel abzutreten. Sie alle stehen Gabriel im Weg - für einen flächendeckenden Tagebau muss man alles Land haben.

Allmählich wird Gabriel Resources ungeduldig. Sollten am Ende die angeblich über 500 Millionen Dollar "Investitionen" für Landkauf, für Anwaltskosten, für umfangreiche PR und so weiter vergebens gewesen sein? Gabriel Resources kündigt nun an, wenn es nicht bald zu Enteignungen komme, den rumänischen Staat auf 4 Milliarden Dollar Schadenersatz zu verklagen - fast 2% des rumänischen Bruttoinlandsproduktes. Möglich machen das bilaterale Investitionsschutzabkommen, die Rumänien in den 1990er Jahren mit vielen westlichen Ländern abschloss. Damit sollten Investoren in das noch unstabile Nach-Wende-Rumänien gelockt werden. Gabriel behauptet, das Unternehmen sei vom rumänischen Staat "unfair behandelt" worden und seine "legitimen Gewinnerwartungen" seien enttäuscht worden - weil Rumänien inzwischen ein Rechtsstaat geworden ist, in dem man Menschen nicht einfach enteignen und vertreiben kann wie in der Ceausescu-Diktatur.

Solche Investitionsschutzverträge erlauben nämlich Investoren, also Konzernen, Staaten zu verklagen, wenn durch politische Entscheidungen (oder auch Nicht-Entscheidungen) oder sogar Gerichtsurteile die erwarteten Gewinne beeinträchtigt werden. Gabriel Resources hat angekündigt, man überlege sich noch, welchen dieser Verträge man als Basis nehmen will - der Vertrag Rumäniens mit Kanada sei nicht so investorenfreundlich wie der mit den Niederlanden. Gabriel hat nämlich vorgesorgt und seine Investitionen über ein Geflecht von Tochtergesellschaften so gestreut, dass man sich den besten Vertrag aussuchen kann.

Absurd? In der Tat. Aber leider Realität.

Die EU-Kommission will mit dem nun ausgehandelten, aber noch nicht ratifizierten Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) solche Klagerechte für kanadische Investoren aller Art in der ganzen EU einführen, beispielsweise auch für kanadische Tochtergesellschaften von US-Konzernen. Mit dem USA-Freihandelsabkommen TTIP sollen dann auch US-Konzerne ganz direkt diese Klagerechte gegen demokratisch beschlossene Politik bekommen.

Nicht nur in Rumänien, sondern in der ganzen EU würde dann solche skandalöse Paralleljustiz für kanadische und amerikanische Konzerne eingeführt und ihnen ungeahnte Möglichkeiten gegeben, unliebsame politische Entscheidungen und demokratisch beschlossene Gesetze zu bekämpfen. Das Beispiel Rosia Montana könnte alltäglich werden. Europäische Konzerne haben solche Klagerechte schon in vielen Entwicklungsländern und machen vor, wogegen demnächst US- und kanadische Konzerne auch in der EU nach dem Willen der EU-Kommission klagen können.

Voraussetzung dafür ist, dass CETA und TTIP vom Europaparlament und den Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Daher brauchen wir jetzt den Druck vor allem auf die Bundesregierung, zu diesen Abkommen klar Nein zu sagen. Die Bundesregierung hält eine solche Paralleljustiz in Freihandelsabkommen für "nicht nötig", will sie aber dennoch ratifizieren. Das dürfen wir nicht zulassen. Daher brauchen wir jetzt sehr viel öffentlichen Druck besonders auf Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel: Eine Paralleljustiz für Konzerne kommt in einer Demokratie überhaupt nicht in Frage.


Autor Jürgen Maier ist Geschäftsführer des Forum Umwelt und Entwicklung.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

*

Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014, Seite 33
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2014