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FRAGEN/024: Guatemala - "Jedes Jahr kommt es zu Ernteausfällen durch Dürren" (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Guatemala

"Jedes Jahr kommt es zu Ernteausfällen durch Dürren"


(Guatemala-Stadt, 2. Dezember 2019, Nómada) - Der Klimawandel ist Realität und besonders in Ländern wie Guatemala zu spüren, wo sich dessen Auswirkungen bereits durch Ernährungsunsicherheiten bemerkbar machen. Hinzu kommt die Wasserknappheit, welche der Bevölkerung keine andere Wahl lässt, als zu emigrieren. Nómada spricht hierzu mit einem Klimawandel-Experten.

In einem Land, in dem 30 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben und sich die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher abzeichnen, warnen Umweltschützer*innen mit Sorge vor einem Notstand in der Ernährungssicherung. Mehr und mehr Guatemaltek*innen fliehen aus dem Land, denn aufgrund von Dürren und unvorhersehbaren Regenfällen bleiben die Ernten aus. Zwar hat Guatemala bereits wichtige Maßnahmen im Bereich Umweltschutz rechtlich verankert, jedoch ist damit nicht automatisch auch die Umsetzung des Gesetzes garantiert.

In der letzten Novemberwoche fand in Guatemala das elfte Regionalforum für sozio-ökonomische Transformation in Lateinamerika statt. Ziel war es, den Zugang zu Informationen über Umweltschutz und Umweltrecht zu ermöglichen, um die Beteiligung der Gesellschaft an wichtigen Entscheidungen zu fördern.

Nómada sprach mit Alex Guerra, Direktor des Forschungsinstituts für Klimawandel ICC (Instituto de Investigación Sobre el Cambio Climático) und technischer Leiter des Wissenschaftsprogramms zum Klimawandel in Guatemala. Im folgenden Interview teilt Guerra die Sorgen und Zweifel des Landes, vor dem Hintergrund der Auswirkungen des Klimawandels.

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Was sind die größten Ängste, die Zentralamerika in Bezug auf den Klimawandel beschäftigen?

Was Guatemala und die zentralamerikanische Region am meisten besorgt, ist, dass der Klimawandel die derzeitigen Probleme noch verschlimmern wird. Die Region bietet Wasser im Überfluss, Biodiversität und ein gemäßigtes Klima. Diese Gegebenheiten ermöglichen menschliches Leben schon seit tausenden Jahren.

Gleichzeitig war die Region schon immer geprägt von Risiken, welche die Bevölkerung Zentralamerikas oft schwer getroffen haben. Die Angst vor dem Klimawandel begründet sich jedoch darin, dass die Folgen wesentlich größere und schnellere Veränderungen bedeuten.

Jedes Jahr kommt es zu Ernteausfällen durch Dürren, weil die Hitze immer größer wird, weil der Regen immer später kommt oder auch, weil es zu stark geregnet hat. Die Regenfälle werden immer schwerer vorauszusagen. Im gleichen Jahr können am gleichen Ort sowohl Schäden durch Dürren als auch durch Hochwasser entstehen. Die Menschen verlieren aber in jedem Fall ihre Ernte.

Wir sprechen also über ein Problem der Ernährungssicherung ...

Ganz genau. Beschäftigt man sich mit Ernährungssicherheit, erkennt man vier zentrale Aspekte. Erstens müssen Nahrungsmittel vorhanden sein. Der Klimawandel könnte dies infrage stellen. Menschen, die beispielsweise das ganze Jahr lang Mais und Bohnen ernten, können durch den Klimawandel von Ernteausfällen betroffen sein. Dies wirkt sich wiederum auf die Verfügbarkeit von Lebensmitteln aus.

Ein weiterer Aspekt ist der Zugang zu Nahrungsmitteln. Überall auf der Welt gibt es Nahrung, aber den Menschen fehlen mitunter die Mittel, diese zu erwerben. Dies hat weitreichende Auswirkungen, denn auch wenn man selbst kein Ackerland besitzt, führt man vielleicht einen kleinen Laden. Kann man jedoch keine Lebensmittel anbieten, bleibt das Einkommen aus und es fehlt an Geld, um sich zu ernähren. Außerdem steigen die Lebensmittelpreise. Meistens, wenn es zu einem Tropensturm oder einem bedeutenden Ereignis kommt, schießen als erstes die Preise für Lebensmittel nach oben.

Außerdem ist die körperliche Ausbeutung ein wichtiger Aspekt. Dies bedeutet, dass die Menschen gesund sein müssen, um Landwirtschaft betreiben zu können.

Der vierte Aspekt ist kultureller Art, denn auch die individuellen kulinarischen Vorlieben und Gewohnheiten spielen eine Rolle.

Momentan wird viel diskutiert, inwieweit sich der Klimawandel und das Problem der Ernährungssicherung auf die Migrationsbewegungen betroffener Menschen auswirken. Beteiligen Sie sich an dieser Debatte?

Während eines Treffens in Arizona diskutierten wir die starke Wechselwirkung zwischen Klima und Migration. Gründe für Migration gibt es viele. Einer davon ist, dass die Bäuerinnen und Bauern aufgrund der Dürre keinen Mais und keine Bohnen mehr ernten können. Die Menschen ziehen weg, weil ihre Kaffeepflanzen von Schädlingen befallen sind. Darüber hinaus können die Bauernhöfe keine Mitarbeiter*innen mehr finden. Dies sind die Gründe warum die Menschen sagen: "Keine Ernte mehr, keine Arbeit mehr, also gehe ich fort."

Noch gibt es keine Statistiken dazu, denn das Problem ist komplex und das Phänomen neu. Aber der Mangel an Daten hat auch noch andere Ursachen. Fragt man die Menschen, warum sie fortgegangen sind, haben sie teilweise Angst, den wahren Grund zu nennen, besonders wenn man bedenkt, was sich zurzeit an den Grenzen abspielt. Asyl wird nur im Fall von Bedrohung oder Gewalt gewährt. Also nennen die Menschen dies als Grund ihrer Flucht, obwohl es in Wirklichkeit ein Ernteausfall war. Daher wird momentan noch analysiert, wie man sinnvoll Daten erfassen und Statistiken erstellen kann.

Was ist die Gesetzeslage in Bezug auf den Klimawandel? Kommt das Land seiner Verantwortung nach?

In Guatemala sind wir aus legislativer und politischer Sicht in Bezug auf den Klimawandel sogar sehr fortschrittlich. Wir waren das zweite Land nach Mexiko, das ein Gesetz zum Klimawandel verabschiedet hat. Seit 2013 besteht das Gesetz nun (Dekret 7-2013) und der Klimawandel ist inzwischen ein zentrales Thema der Politik. So sieht das Gesetz vor, eine nationale Anpassungsstrategie zu entwickeln und die Folgen des Klimawandels abzuschwächen. Inzwischen gibt es bereits eine zweite, aktualisierte Fassung. Legislativ und politisch sind wir also auf dem aktuellen Stand. Was allerdings noch aussteht, ist die Umsetzung auf allen lokalen Ebenen.

Dennoch fehlt zum Beispiel ein Gesetz zur Wasserversorgung ...

Ja, das fehlt. So wie bereits ein Gesetz zum Klimawandel besteht, gibt es seit 2006 auch ein Abwassergesetz. Doch inzwischen ist das 13 Jahre her und die Situation hat sich nicht verändert. Was wir brauchen, ist ein allgemeines Gesetz zum Wasser, was festlegt, bei wem die Verantwortung liegt. Die meisten Industrieländer richten daher eine zuständige Behörde ein, die sich langfristig um die technischen Fragen der Wasserversorgung kümmert.

Wasser darf kein politisches Instrument sein, denn wir alle brauchen es und wenn die Wasserversorgung nicht richtig gehandhabt wird, kann dies gefährliche Konflikte auslösen. In anderen Ländern gibt es eine Aufsichtsbehörde, die sagt: So viel Wasser führt der Fluss, also kann diese bestimmte Menge abgepumpt und genutzt werden. Die Behörde vergibt Lizenzen, Genehmigungen und Konzessionen. Darüber hinaus wird kontrolliert, dass der Fluss nicht austrocknet und alle von dem Wasser profitieren können. Oberste Priorität müssen hier die Menschen sein. Darin begründet sich auch das Menschenrecht auf Wasser. Wasser ist eine oberste Priorität.

In unserem Fall besitzen wir keine zentrale Aufsichtsbehörde, welche die Wasserversorgung und -nutzung reguliert. Daher besteht eine Regellosigkeit, denn einerseits greift hier der Kompetenzbereich des Gesundheitsministeriums. Gleichzeitig betrifft das Thema Wasser aber auch die Kommunen, den Energie- und Bergbausektor sowie die Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft. Es ist dieses regulatorische Durcheinander, das die Probleme hervorruft.

Eigentlich ist Guatemala reich an Wasser, dennoch kommt es trotz des Überschusses mancherorts zu Wasserknappheit - aufgrund des genannten Verwaltungsproblems. In Alta Verapaz zum Beispiel, regnet es das ganze Jahr über am meisten. Dennoch ist die Zahl der Haushalte ohne Wasser dort am größten.

Leider ist Wasser ein politisches Thema, auch wenn es das nicht sein dürfte. So ist die Tatsache, dass es kein Gesetz zum Umgang mit Wasser gibt, politisch zu begründen. Daher sollte die Verwaltung des Wassers nicht politisch, sondern technischer Art sein. Es ist nicht in Ordnung, dass wir uns der Tatsache unterwerfen müssen, dass wenn die Regierung hinter dem Privatsektor steht, einige das Wasser nutzen dürfen und andere eben nicht. Gleiches Recht auf Wasser muss in allen Regierungen eingefordert werden. Wir werden uns dafür einsetzen.

Aber das Wasserproblem ist im Moment keine Priorität für die Regierung ...

Die letzten Regierungen zeigten wenig Interesse und machten das Thema zu keiner Priorität. Während der Regierung Álvaro Coloms gab es einen Minister eigens zu diesem Thema und es kam zu einigen Fortschritten. Es wurden Arbeitseinheiten geschaffen, die sich mit dem Klimawandel befassten und eine internationale Zusammenarbeit angestrebt. Auch im Privatsektor wurde das Problem thematisiert. Grundsätzlich stellt dies aber keine Priorität dar. In einigen Ländern haben sich die Regierungen der Aufgabe zwar angenommen, jedoch fällt es ihnen oft schwer, die Bevölkerung davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, die natürlichen Ressourcen zu schützen. Der Vorteil, den wir haben ist, dass in Guatemala genau das Gegenteil geschieht. Die indigene Bevölkerung, genauso wie Universitäten und Forschungszentren, aber auch einige Unternehmen sorgen sich um das Thema. Es gibt in dieser Hinsicht ein großes zivilgesellschaftliches Bewusstsein. So konnte mit Petitionen und gesellschaftlichem Druck bereits einiges erreicht werden.


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2019

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