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GLOBAL/023: Nagoya-Ergebnisse - Neuer Schwung für den Erhalt der biologischen Vielfalt? (ARA Magazin)


ARA Magazin 2/10 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Neuer Schwung für den Erhalt der biologischen Vielfalt ?


Der UN-Klimagipfel von Kopenhagen im Dezember 2009 wurde zum Desaster. Mit dem ehrgeizigen Ziel angetreten, wirksame und verbindliche Schritte für den Klimaschutz zu vereinbaren, kam am Ende nur heiße Luft heraus. Mit entsprechend geringen Erwartungen reisten viele Naturschutzexperten jüngst ins japanische Nagoya, wo der Schutz der biologischen Vielfalt auf dem Prüfstein der internationalen Staatengemeinschaft stand. Die Ergebnisse sind durchaus ermutigend.

Die Völkergemeinschaft hatte sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Bis zum Jahr 2010 sollte der Artenschwund auf der Erde spürbar reduziert werden. Dieses Vorhaben, so belegten es die von Wissenschaftlern zur 10. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt vorgelegten Zahlen, wurde grandios verfehlt.

Umso ambitionierter sind die Ziele eines neuen Strategischen Plans, der in Nagoya verabschiedet wurde: Die Verlustrate ökologisch hochwertiger Gebiete soll bis 2020 mindestens halbiert werden. Bis 2015 sollen negative Einflüsse auf empfindliche Ökosysteme aufgehoben sein. Schutzgebiete an Land sollen von derzeit 13 auf 17% der Fläche, Küsten- und Meeresschutzgebiete von derzeit 6 auf 10% erweitert werden. Bis 2020 soll die Ausrottung gefährdeter Arten beseitigt sein. Und ebenso konkret wurde vereinbart, dass bis zum Jahr 2020 sämtliche staatlichen Subventionen aufzuheben sind, durch die Fauna und Flora in Mitleidenschaft gezogen werden.

Maßnahmen, die viel Geld kosten. Und über mehr Geld für den Biodiversitätsschutz wurde auch relativ verbindlich gesprochen - wenn auch noch nichts abschließend vereinbart. Insgesamt wird durch die Beschlüsse von Nagoya keine einzige Art sicher gerettet werden. Und man muss nicht über prophetische Fähigkeiten verfügen, um vorherzusagen, dass die ehrgeizigen Ziele nicht erreicht werden.

Dennoch, von der jüngsten UN-Artenschutzkonferenz ging sehr wohl eine Aufbruchstimmung aus. Was auch daran deutlich wurde, dass nach jahrelangen fruchtlosen Verhandlungen endlich der Rahmen für ein so genanntes Protokoll zur Regelung des Zugangs zu genetischen Ressourcen und der gerechten Gewinnbeteiligung bei deren Nutzung vereinbart wurde. Artenreiche Entwicklungsländer beklagen seit Jahrzehnten, dass Industriestaaten sich an nutzbaren genetischen Ressourcen ihrer Natur etwa für pharmazeutische Zwecke bedienen, ohne dafür einen gerechten Preis zu bezahlen. Das soll jetzt endlich anders werden.


Hoffnung auch für den Natur- und Artenschutz in Deutschland ?

Deutschland, das zuletzt für zwei Jahre die Konventionspräsidentschaft innehatte, hat maßgeblich zu den Fortschritten von Nagoya beigetragen. Bleibt die Frage, was die Bundesrepublik eigentlich zum Schutz der heimischen biologischen Vielfalt geleistet hat.

Die Antwort ist leider ernüchternd: Die erst sehr spät verabschiedete Nationale Biodiversitätsstrategie hat bislang wenig zur Verringerung des Artenschwundes bei uns beigetragen. Und in den beiden wichtigsten Handlungsfeldern, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, muss gar von beängstigenden Rückschritten gesprochen werden. Gerade erst hat der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) die Bundesregierung scharf kritisiert, weil sie dabei ist, naturschutzrelevante Ökolandwirtschaft zu verwässern, ja quasi zu bekämpfen. Und die lang diskutierte und zerredete Waldstrategie 2020 des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist schlicht auf dem Holzweg.

Ökologisch nachhaltige Land- und Waldwirtschaft muss im Wortschatz von Ministerin Aigner ein Fremdwort sein. Die Diskrepanz zwischen wortgewaltigen Auftritten bei internationalen Klima- oder Biodiversitätsgipfeln und der eigenen Politik ist für unser Land jedenfalls beschämend.


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Quelle:
ARA Magazin 2/10, S. 5-6
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
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Redaktion: Jürgen Wolters, Wolfgang Kuhlmann, Jürgen Birtsch
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2010